Bei einem Arbeits­un­fall kommt den Ver­si­cher­ten ein beson­de­rer Ver­si­che­rungs­sta­tus zu Gute. Ver­si­cher­te pro­fi­tie­ren von einem beson­de­ren Schutz durch die gesetz­li­che Unfall­ver­si­che­rung.

Hat sich ein Arbeits­un­fall ereig­net, so wird die Behand­lung durch einen soge­nann­ten Durch­gangs­arzt (D‑Arzt) durch­ge­führt. D‑Ärzte sind i.d.R. erfah­re­ne Ärz­te der Ortho­pä­die, Unfall­chir­ur­gie oder All­ge­mein­chir­ur­gie. Sie wer­den von den Trä­gern der gesetz­li­chen Unfall­ver­si­che­rung durch öffent­lich-recht­li­chen Bescheid bestellt. Die Tätig­keit als D‑Arzt erfor­dert somit einer beson­de­ren Zulas­sung durch den zustän­di­gen Lan­des­ver­band der Berufs­ge­nos­sen-schaf­ten. Der D‑Arzt kann somit sowohl öffent­lich-recht­lich wie auch pri­vat­ärzt­lich han­deln. Damit stellt sich die Fra­ge in wel­cher Rol­le der D‑Arzt auf­tritt, wenn er Behand­lungs­maß-nah­men an einem Pati­en­ten eines Arbeits­un­falls vor­nimmt.

Die­se Beur­tei­lung ist von erheb­li­cher Bedeu­tung, da sich hier­nach die Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on im Fal­le eines gericht­li­chen Kla­ge­ver­fah­rens rich­tet. Haf­te­te der Arzt per­sön­lich, so ist maß­geb­lich auf die zivil­recht­li­chen Vor­schrif­ten der § 630a ff. BGB abzu­stel­len. Han­delt der D‑Arzt hin­ge­gen öffent­lich-recht­lich, so haf­tet hin­ge­gen die Berufs­ge­nos­sen­schaft als gesetz­li­che Unfall­ver­si­che­rung nach den Vor­aus­set­zun­gen des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

Die Abgren­zung zwi­schen pri­vat­ärzt­lich und öffent­lich-recht­lich im Han­deln des D‑Arztes war lan­ge Zeit höchst­rich­ter­lich unge­klärt. Mit den Urtei­len vom 29.11.2016 hat der BGH jedoch für eine gewis­se Klar­heit gesorgt (BGH, Urtei­le vom 20.11.2016, IV ZR 208/15 und IV ZR 395/15) und dabei die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung der »dop­pel­ten Ziel­rich­tung« der Heil­be­hand­lung durch einen D‑Arzt aus­drück­lich auf­ge­ge­ben.

Der D‑Arzt han­delt öffent­lich-recht­lich, da er sei­ner Ver­pflich­tung aus § 34 I SGB VII nach-kommt und somit eine ori­gi­nä­re Auf­ga­be der Unfall­ver­si­che­rung erfüllt:

Die Unfall­ver­si­che­rungs­trä­ger haben alle Maß­nah­men zu tref­fen, durch die eine mög­lichst früh­zei­tig nach dem Ver­si­che­rungs­fall ein­set­zen­de und sach­ge­mä­ße Heil­be­hand­lung und, soweit erfor­der­lich, beson­de­re unfall­me­di­zi­ni­sche oder Berufs­krank­hei­ten-Behand­lung gewähr­leis­tet wird.

Da die Unfall­ver­si­che­rungs­trä­ger selbst kei­ne unfall­me­di­zi­ni­sche Behand­lung durch­füh­ren kön­nen, bestel­len sie D‑Ärzte, die die ärzt­li­che Behand­lung sodann im Auf­trag der Berufs­ge­nos­sen­schaf­ten als Unfall­ver­si­che­rungs­trä­ger aus­füh­ren.

Der BGH qua­li­fi­ziert nun auch die im Zuge einer Ein­gangs­un­ter­su­chung vor­ge­nom­me­nen Unter­su­chun­gen zur Dia­gno­se­stel­lung und die anschlie­ßen­de Dia­gno­se­stel­lung als hoheit­li­che Maß­nah­men i.S.v. Art. 34 S. 1 GG, § 839 BGB. Grund hier­für ist, dass die Unter­su­chung zur Dia­gno­se­stel­lung als auch die sich hier­an unmit­tel­bar anschlie­ßen­de Dia­gno­se­stel­lung regel-mäßig Maß­nah­men sind, die unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung für die Ent­schei­dung ist, ob eine all­ge­mei­ne Heil­be­hand­lung oder eine beson­de­re Heil­be­hand­lung erfol­gen soll. Es besteht ein untrenn­ba­rer inne­rer Zusam­men­hang zwi­schen Erst­un­ter­su­chung und Dia­gno­se, sodass eine Auf­spal­tung die­ses Vor­gangs tat­säch­lich eine unna­tür­li­che Ent­zwei­ung einer in sich geschlos­se­nen Behand­lung dar­stel­len wür­de. Die­se Maß­nah­men bil­den die Grund­la­ge für die der Berufs­ge­nos­sen­schaft oblie­gen­de, in Aus­übung eines öffent­li­chen Amtes erfol­gen­de Ent­schei­dung, ob eine all­ge­mei­ne Heil­be­hand­lung aus­reicht oder wegen der Schwe­re der Ver­let­zung eine beson­de­re Heil­be­hand­lung erfor­der­lich ist.

Ist die Ent­schei­dung über die Art der Heil­be­hand­lung feh­ler­haft und wird der Ver­letz­te dadurch geschä­digt, haf­tet für Schä­den nicht der D‑Arzt per­sön­lich, son­dern die Berufs­ge­nos­sen­schaft nach Art. 34 S. 1 GG iVm § 839 BGB.

Glei­ches gilt für die Über­wa­chung des Hei­lungs­ver­laufs, wenn zuvor die all­ge­mei­ne Behand­lung als not­wen­dig ein­ge­stuft wur­de. Stellt sich der Pati­ent zur Nach­schau erneut beim D‑Arzt vor und beschränkt sich die­ser dabei auf die Prü­fung der Fra­ge, ob die bei der Erst­vor­stel­lung des Ver­letz­ten getrof­fe­ne Ent­schei­dung zuguns­ten einer all­ge­mei­nen Heil­be­hand­lung auf­recht­zu­er­hal­ten, oder der Ver­letz­te in die beson­de­re Heil­be­hand­lung zu über­wei­sen ist, han­delt er öffent­lich-recht­lich.

Die Amts­haf­tung nach § 839 BGB iVm Art. 34 GG beinhal­tet zunächst die per­sön­li­che Haf­tung der für den Staat han­deln­den und zu die­sem Zwe­cke vom Staat bestell­ten Per­son (»Amts­wal­ter«). Die­se Haf­tung wird dann gemäß Art. 34 GG auf den Staat über­ge­lei­tet.

Der Staat über­nimmt ledig­lich die Schuld des Amts­wal­ters, hier des D‑Arztes für vor­sätz­li­che oder fahr­läs­si­ge Schä­di­gung.

In der vor­lie­gen­den Kon­stel­la­ti­on ist dann die BG die rich­ti­ge Kla­ge­geg­ne­rin, die für vor­sätz­li­che oder fahr­läs­si­ge Schä­di­gun­gen durch den D‑Arzt im Rah­men eines delikts­recht­li­chen Anspruchs ein­ste­hen muss. Ein Ver­trags­ver­hält­nis zwi­schen Pati­ent und D‑Arzt ent­steht in die­sem Fall jedoch nicht, so dass auch kei­ne ver­trag­li­chen Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gegen­über dem D‑Arzt oder gegen­über der Berufs­ge­nos­sen­schaft als Unfall­ver­si­che­rungs­trä­ger gel­tend gemacht wer­den kön­nen.

 

Ein Bei­trag von Tho­mas Oede­ko­ven und Frau Rechts­re­fe­ren­da­rin Stel­la Tön­nes­sen
Rechts­an­walt
Fach­an­walt für Medi­zin­recht

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