Der Umstand, dass über das Ver­mö­gen des Ver­trags­part­ners ein Insol­venz­ver­fah­ren eröff­net wor­den ist, ist grund­sätz­lich kein Kün­di­gungs­grund. Für Bau­ver­trä­ge ist dies anders. Denn für dies gibt es in § 8 Abs. 2 VOB/B hier­zu eine Son­der­re­ge­lung, die als mit der Insol­venz­ord­nung ver­ein­bart ange­se­hen wird.

Danach kann der Auf­trag­ge­ber einen Ver­trag kün­di­gen, wenn über das Ver­mö­gen des Auf­trag­neh­mers ein Insol­venz­ver­fah­ren bean­tragt ist, ein sol­ches Ver­fah­ren eröff­net wird oder des­sen Eröff­nung man­gels Mas­se abge­lehnt wird. Aus einer der­ar­ti­gen Kün­di­gung, die damit berech­tigt ist und ein Ver­trags­ver­hält­nis vor­zei­tig been­det, kön­nen Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ent­ste­hen.

In einem von Bun­des­ge­richts­hof mit Urteil vom 19.10.2023 (Az. IX ZR 249/22) zu ent­schei­den­den Sach­ver­halt stell­te sich die Situa­ti­on hier­zu wie folgt dar: Die mit Metall­bau­ar­bei­ten beauf­trag­te Fir­ma fiel in die Insol­venz. Ihr Ver­trags­part­ner kün­dig­te nach § 8 Abs. 2 VOB/B den Werk­ver­trag außer­or­dent­lich frist­los.

Neben die­sem gekün­dig­ten Ver­trags­ver­hält­nis gab es wei­te­re Ver­trä­ge mit die­ser Metall­bau­fir­ma und hier­aus Schluss­rech­nun­gen in Höhe von über Euro 180.000,00. Gegen­über die­sen For­de­run­gen des Insol­venz­ver­wal­ters der Metall­bau­fir­ma rech­ne­te der Beklag­te, der die vor­be­nann­te Kün­di­gung des wei­te­ren Ver­trags­ver­hält­nis­ses auf­grund der Insol­venz vor­ge­nom­men hat­te, mit Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen auf.

Die­se Auf­rech­nung focht der Insol­venz­ver­wal­ter der Metall­bau­fir­ma an. Und die­se Kla­ge auf Anfech­tung des Insol­venz­ver­wal­ters hat­te Erfolg. Denn der Bun­des­ge­richts­hof geht davon aus, dass die­se Auf­rech­nungs­la­ge unter den Vor­aus­set­zun­gen nach § 130 InsO ent­stan­den war. Die Vor­aus­set­zun­gen für eine Anfech­tung nach § 130 InsO sind fol­gen­de:

  • Die Auf­rech­nungs­la­ge ist in den letz­ten 3 Mona­ten vor dem Insol­venz­an­trag her­ge­stellt wor­den.
  • Die Insol­venz­schuld­ne­rin (also hier Metall­bau­fir­ma) war zu die­sem Zeit­punkt zah­lungs­un­fä­hig.
  • Und der Ver­trags­part­ner der insol­ven­ten Metall­bau­fir­ma kann­te die Insol­venz­er­öff­nung, denn: sonst hät­te es die­se Kün­di­gung nach § 8 Abs. 2 VOB/B nicht geben kön­nen.

Die Beson­der­heit in die­sem Fall und in die­ser Ent­schei­dung liegt in fol­gen­der Dif­fe­ren­zie­rung des Bun­des­ge­richts­ho­fes: Aus der Wirk­sam­keit der Son­der­kün­di­gung, zu der die Berech­ti­gung nach § 8 Abs. 2 VOB/B bestand, fol­ge nicht, dass der Ver­trags­part­ner mit dem dar­aus resul­tie­ren­den Scha­den­er­satz­an­spruch auch auf­rech­nen kön­ne. Die Wirk­sam­keit einer insol­venz­ab­hän­gi­gen Kün­di­gung sei von der Fra­ge der Anfecht­bar­keit der Her­stel­lung der Auf­rech­nungs­la­ge zu tren­nen. Mit ande­ren Wor­ten: Allei­ne auf­grund des Umstan­des, dass man berech­tigt einen Bau­ver­trag kün­di­gen darf, folgt nicht auto­ma­tisch, dass man auch berech­tigt mit dar­aus her­rüh­ren­den Scha­dens­er­satz­an­sprü­chen auf­rech­nen darf.

Dies nimmt der Bun­des­ge­richts­hof zumin­dest für die Fäl­le an, in denen die auf­re­chen­bar gegen­über­ste­hen­den For­de­run­gen aus unter­schied­li­chen Ver­trä­gen stam­men. Ob dies auch anzu­neh­men sei, wenn Anspruch und Gegen­an­spruch aus dem glei­chen Ver­trags­ver­hält­nis resul­tie­ren, lässt der Bun­des­ge­richts­hof in der Ent­schei­dung offen. Soweit dies­be­züg­lich auf Ihrer Sei­te Anmer­kun­gen und Rück­fra­gen bestehen, mel­den sich ger­ne bei mir unter lange@dhk-law.com oder tele­fo­nisch über mei­ne Mit­ar­bei­te­rin, Frau Pra­de­la (Tel.nr. 0241/94621–138).

Cars­ten Lan­ge
Rechts­an­walt
Fach­an­walt für Insol­venz­recht
Wirt­schafts­me­dia­tor (DAA)

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Über den Autor

  • Carsten Lange

    Cars­ten Lan­ge ist zuge­las­se­ner Rechts­an­walt seit 1996 und Fach­an­walt für Insol­venz­recht und für Steu­er­recht, zudem ist er aus­ge­bil­de­ter Wirt­schafts­me­dia­tor und Coach. Zum Anwalts­pro­fil