Am 14.03.2019 hat der Bun­des­tag das Ter­min­ser­vice- und Ver­sor­gungs­ge­setz (TSVG) beschlos­sen. Zie­le des Geset­zes sind schnel­le­re Arzt­ter­mi­ne für Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sowie eine Ver­bes­se­rung der Leis­tun­gen der Kran­ken­kas­se und der ärzt­li­chen Ver­sor­gung.

Kern des Geset­zes ist der Aus­bau von Ter­min­ser­vice­stel­len als zen­tra­le Anlauf­stel­len für Pati­en­ten. Bis zum 01.01.2020 sol­len die­ses Ser­vice­stel­len für eine bun­des­wei­te Ter­min­ver­mitt­lung wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. Gesetz­lich ver­si­cher­te Pati­en­ten sol­len einen Arzt­ter­min erhal­ten.

Um dies umzu­set­zen, wird das Sprech­stun­den­an­ge­bot der nie­der­ge­las­se­nen Ärz­te erwei­tert. Es müs­sen nun zumin­dest 25 Sprech­stun­den pro Woche ange­bo­ten wer­den, wobei Zei­ten der Haus­be­su­che auf die­se 25 Stun­den ange­rech­net wer­den. Eini­ge Fach­ärz­te wie bei­spiels­wei­se Augen­ärz­te, Gynä­ko­lo­gen, HNO-Ärz­te, müs­sen min­des­tens 5 Sprech­stun­den pro Woche als offe­ne Sprech­stun­den ohne vor­he­ri­ge Ter­min­ver­ein­ba­rung anbie­ten.

Im Gegen­zug dazu erhal­ten Ärz­te für Zusatz­an­ge­bo­te eine erhöh­te Ver­gü­tung. So erfolgt eine extrabud­ge­tä­re Ver­gü­tung aller Leis­tun­gen im Behand­lungs­fall von Pati­en­ten, die von den Ter­min­ser­vice­stel­len ver­mit­telt wer­den. Auch Leis­tun­gen, die in den offe­nen Sprech­stun­den­zei­ten erbracht wer­den, sol­len extrabud­ge­tär ver­gü­tet wer­den.

Bemer­kens­wert ist die »Ver­mitt­lungs­pro­vi­si­on« für einen Haus­arzt in Höhe von min­des­tens 10 € bei erfolg­rei­cher Ver­mitt­lung eines drin­gen­den Fach­arzt­ter­mins für einen Pati­en­ten. Wir haben an die­ser Stel­le eine gesetz­li­che Lega­li­sie­rung des im Übri­gen gel­ten­den Ver­bots der »Pati­en­ten Zuwei­sung gegen Ent­gelt«.

Dane­ben soll die ärzt­li­che Ver­sor­gung auf dem Land durch regio­na­le Zuschlä­ge, Ein­rich­tung von Struk­tur­fonds oder den Weg­fall von Nie­der­las­sungs­sper­ren ver­bes­sert wer­den. Auch das Leis­tungs­an­ge­bot für Hilfs­mit­tel, Heil­mit­tel, Impf­stof­fe, Heb­am­men und Zahn­ersatz soll ver­bes­sert wer­den. Inso­weit sei an die­ser Stel­le der Ver­weis auf die Infor­ma­tio­nen des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Gesund­heit erlaubt.

 

Was sind nun die Aus­wir­kun­gen des TSVG für nie­der­ge­las­se­ne Ärz­te?
 

1. Erhö­hung der Min­dest­sprech­stun­den

Ein voll­stän­di­ger Ver­sor­gungs­auf­trag umfasst nun­mehr 25 Sprech­stun­den pro Woche. Ein hal­ber Ver­sor­gungs­auf­trag wird antei­lig mit 12,5 Sprech­stun­den pro Woche berech­net. Der glei­che Berech­nungs­fak­tor gilt auch für ange­stell­te Ärz­te. Erheb­lich wird dies bei den im Rah­men der Plau­si­bi­li­täts­prü­fung zur Ver­fü­gung ste­hen­den Zeit­pro­fi­len. Gege­be­nen­falls sind auf die erhöh­te Sprech­stun­den­zahl die bestehen­den Arbeits­ver­trä­ge und die dort ver­ein­bar­ten Arbeits­zei­ten zu prü­fen.

2. Wirt­schaft­lich­keits- und Abrech­nungs­prü­fun­gen

Künf­tig soll eine Prü­fung auf begrün­de­ten Antrag einer oder meh­re­rer Kran­ken­kas­sen oder der KV erfol­gen. Dabei wer­den auch Über­wei­sun­gen oder die Ver­an­las­sung sons­ti­ger ärzt­li­cher Leis­tun­gen geprüft. Anlass für eine Prü­fung soll ins­be­son­de­re bei Ver­dacht auf medi­zi­nisch nicht begrün­de­te Leis­tun­gen, auf Inef­fek­ti­vi­tät der Leis­tun­gen oder bei Ver­dacht auf Qua­li­täts­män­gel bestehen. Im Rah­men der Prü­fung einer mög­li­chen Inef­fek­ti­vi­tät der medi­zi­ni­schen Leis­tun­gen auch das Kos­ten-Nut­zen-Ver­hält­nis berück­sich­tigt wer­den. Die bis­he­ri­ge Zufäl­lig­keits­prü­fung soll nicht mehr statt­fin­den.

3. Die 3/4‑Zulassung

In der Ver­gan­gen­heit bereits mög­lich war der Ver­zicht eines Ver­trags­arz­tes auf einen »hal­ben Sitz«, mit­hin auf einen hal­ben Ver­sor­gungs­auf­trag. Künf­tig soll der Ver­trags­arzt auch auf 1/4 sei­nes Ver­sor­gungs­auf­tra­ges ver­zich­ten kön­nen, um dann noch mit einem 3/4‑Versorgungsauftrag wei­ter­hin tätig zu sein. Für eine Nie­der­las­sung aller­dings soll eine 1/4‑Zulassung nicht aus­rei­chend sein.

Inter­es­sant ist die­se Mög­lich­keit des Ver­zich­tes auf 1/4‑Zulassung jedoch für bereits bestehen­de Berufs­aus­übungs­ge­mein­schaf­ten, wenn meh­re­re Part­ner bereit sind, auf jeweils 1/4 ihrer Zulas­sung zu ver­zich­ten, die­se 1/4‑Stellen als­dann zusam­men­ge­legt wer­den und im Rah­men des erfor­der­li­chen Ver­fah­rens beim Zulas­sungs­aus­schuss von einem ange­stell­ten Arzt besetzt wer­den sol­len.

Wei­te­re Kon­se­quenz der neu geschaf­fe­nen Mög­lich­keit, auf 1/4 des Ver­sor­gungs­auf­tra­ges zu ver­zich­ten ist indes auch, dass der Zulas­sungs­aus­schuss künf­tig auch für 1/4‑Versorgungsauftrag die­sen Ver­sor­gungs­auf­trag ent­zie­hen bzw. des­sen Ruhen anord­nen kann. In Betracht kommt dies bei­spiels­wei­se bei unter­durch­schnitt­lich abrech­nen­den Pra­xen, die den vol­len Ver­sor­gungs­auf­trag nicht erfül­len.

4. Ende der ver­trags­ärzt­li­chen Zulas­sung5. Mit­spra­che von Lan­des­be­hör­den

Neu ein­ge­fügt wird eine gesetz­li­che Rege­lung (§ 96 Abs. 2a SGB V), wonach die für die Sozi­al­ver­si­che­rung zustän­di­gen obers­ten Lan­des­be­hör­den bei Fra­gen des Son­der­be­darfs, Durch­füh­rung des Nach­be­set­zungs­ver­fah­rens, die Ermäch­ti­gung von Ärz­ten oder Ein­rich­tun­gen und auch bei Ver­fah­ren zur Ver­le­gung eines Ver­trags­arzt­sit­zes ein Recht zur »Mit­be­ra­tung« erhal­ten. Die Lan­des­be­hör­den haben das Recht auf eine früh­zei­ti­ge Infor­ma­ti­on, das Recht zur Teil­nah­me an den Sit­zun­gen und bei der Beschluss­fas­sung und kön­nen selbst im Rah­men des Ver­fah­rens Anträ­ge stel­len.

In wel­chem Umfang und in wel­cher Rich­tung hier­von Gebrauch gemacht wer­den wird, bleibt abzu­war­ten.

6. Bedarfs­pla­nung

Der Gemein­sa­me Bun­des­aus­schuss (G‑BA) soll nach dem neu ein­ge­füg­ten § 101 Abs. 1 S. 8 SGB V inner­halb ein­zel­ner Arzt­grup­pen nach Fach­ge­bie­ten, Fach­arzt­kom­pe­ten­zen oder auch Schwer­punk­ten dif­fe­ren­zier­te Ver­sor­gungs­zah­len fest­le­gen, ohne dass die­se Fest­le­gung Aus­wir­kun­gen auf die Ver­hält­nis­zah­len der betref­fen­den Arzt­grup­pen haben. Damit kor­re­spon­die­rend wird in § 95 Abs. 2 S. 10 SGB V die neue Mög­lich­keit ein­ge­fügt, dass auch bei bestehen­den Zulas­sungs­be­schrän­kun­gen eine Anstel­lungs­ge­neh­mi­gung zu ertei­len ist, wenn mit die­ser Anstel­lung ein Min­dest­ver­sor­gungs­an­teil der zuvor dif­fe­ren­ziert fest­ge­leg­ten Ver­sor­gungs­an­tei­le von bestimm­ten Fach­arzt­kom­pe­ten­zen oder Fach­ge­bie­ten erreicht wird.

Zugleich soll auch die Mög­lich­keit ein­ge­räumt wer­den, bei einem Ver­sor­gungs­grad zwi­schen 100 % und 110 % Zulas­sungs­be­schrän­kun­gen anzu­ord­nen bzw. umge­kehrt ins­be­son­de­re in länd­li­chen oder struk­tur­schwa­chen Teil­ge­bie­ten eines Pla­nungs­be­rei­ches Zulas­sungs­be­schrän­kun­gen für ein­zel­ne Arzt­grup­pen oder Fach­rich­tun­gen auf­zu­he­ben.

Man kann davon aus­ge­hen, dass auch in die Bedarfs­pla­nung durch die­se Mög­lich­kei­ten neue Bewe­gung kommt. Ein­fa­cher wer­den die Nach­be­set­zungs­ver­fah­ren für Pra­xis­ab­ge­ber durch die­se Rege­lun­gen sicher­lich nicht.

7. Kei­ne unein­ge­schränk­te Nach­be­set­zung bei ange­stell­ten Ärz­ten

Wie bereits bei der Aus­schrei­bung von Ver­trags­arzt­sit­zen im Rah­men des Nach­be­set­zungs­ver­fah­rens, so soll künf­tig auch bei der Nach­be­set­zung von ange­stell­ten Ärz­ten im MVZ und in der ärzt­li­chen Pra­xis geprüft wer­den, ob die­se Nach­be­set­zung der Arzt­stel­le aus Ver­sor­gungs­ge­sichts­punk­ten not­wen­dig ist. Inso­weit soll der glei­che Prü­fungs­maß­stab wie im Rah­men des Nach­be­set­zungs­ver­fah­rens gel­ten. Eine Ent­schä­di­gungs­re­ge­lung ist indes nicht vor­ge­se­hen!

Die­se gesetz­li­che Ände­rung führt dazu, dass künf­tig auch bei der Nach­be­set­zung von ange­stell­ten Ärz­ten ein erhöh­ter Klä­rungs­be­darf besteht. Der bis­he­ri­ge Auto­ma­tis­mus dürf­te abge­schafft sein. Eine unum­stöß­li­che Gewähr für den Erhalt und die Nach­be­set­zung von Arzt­stel­len gibt es nicht mehr.

 

Zur Fort­set­zung mit den Aus­wir­kun­gen des TSVG auf MVZ gelan­gen Sie hier.

 

Tho­mas Oede­ko­ven
Rechts­an­walt
Fach­an­walt für Medi­zin­recht

News­let­ter-Anmel­dung

Ja, ich habe die Daten­schutz­er­klä­rung zur Kennt­nis genom­men und bin mit Absen­den des Kon­takt­for­mu­la­res mit der elek­tro­ni­schen Ver­ar­bei­tung und Spei­che­rung mei­ner Daten ein­ver­stan­den. Mei­ne Daten wer­den dabei nur streng zweck­ge­bun­den zur Bear­bei­tung und Beant­wor­tung mei­ner Anfra­ge benutzt.

Über den Autor