Am 04.05.2016 hat das Bundessozialgericht (BSG) anlässlich eines Falles, in welchem »eigentlichen« lediglich über die weitere Nachbesetzung einer »1/4-Stelle« in einem MVZ zu entscheiden war, in den Entscheidungsgründen des Urteiles festgehalten, dass eine Arztstelle in einem MVZ erst nach 3-jähriger Tätigkeit des zunächst angestellten Arztes im MVZ nachbesetzt werden könne. Verzichtet ein Vertragsarzt zugunsten eines MVZ auf seine vertragsärztliche Zulassung, um in diesem MVZ alsdann als angestellter Arzt tätig zu werden, so soll dies möglich sein. Eine Nachbesetzung dieser Anstellung sei allerdings nur dann genehmigungsfähig, wenn bereits ursprünglich eine dauerhafte Tätigkeit als angestellter Arzt im MVZ gewollt war, was regelmäßig nach 3 Jahren angestellter Tätigkeit der Fall sei.

 

Mit Urteil vom 26.01.2022 zum Az. S 1 KA 25/18 entschied das BSG nun, dass für den Begriff der Anstellung und der entsprechenden Tätigkeit in einem MVZ von einem sozialversicherungsrechtlichen Begriff der Anstellung im Sinne einer Beschäftigung auszugehen sei.

 

Das Vertragsarztrecht unterscheide zwischen angestellten Ärzten und Vertragsärzten. Beide Begriffe schlössen sich wechselseitig aus: Wer angestellter Arzt ist, könne nicht zugleich Vertragsarzt sein; wer als Vertragsarzt zugelassen ist, könne nicht zugleich angestellter Arzt sein.

 

So habe »nie ein Zweifel daran bestanden«, dass die bei einem Vertragsarzt angestellten Ärzte Beschäftigte im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sind. Es gäbe keine Anhaltspunkte, diesen Begriff der Anstellung in einem MVZ anders zu bewerten.

 

Das BSG betont in diesem Zusammenhang, dass es durchaus (sozialversicherungsrechtliche) Gestaltungen gibt, in denen Gesellschafter zugleich Beschäftigte »ihrer Gesellschaft« sein könnten. Dies gelte selbst für geschäftsführende Gesellschafter, wenn diese nicht die rechtlichen Möglichkeiten besäßen, durch Einflussnahme in der Gesellschafterversammlung unliebsame Entscheidungen zu verhindern, etwa weil sie nicht über eine entsprechende Gesellschaftsmehrheit oder ein entsprechendes Vetorecht verfügen.

 

Für das MVZ bedeutet in dieser Entscheidung, dass Gesellschafter der Trägergesellschaft des MVZ, die zugleich auch in diesem MVZ ärztlich tätig sind, ihre Zulassungen nur dann in Anstellungsgenehmigung umwandeln können, wenn zugleich auch eine sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung in diesem MVZ begründet wird. Ein Verbleib als beherrschender Gesellschafter in der Trägergesellschaft des MVZ bei gleichzeitiger Umwandlung der vertragsärztlichen Zulassung in eine Anstellungsgenehmigung dürfte nach dieser Entscheidung nicht (mehr) möglich sein.

 

Ob für derartige Umwandlungen der freien vertragsärztlichen Zulassung in einer Anstellungsgenehmigung von Gesellschaftern eines MVZ beispielsweise im Fall des Ausscheidens aus der Trägergesellschaft oder der Veräußerung maßgeblicher Gesellschaftsanteile auch die eingangs zitierte Entscheidung des BSG vom 04.05.2016 mit der dort postulierten Notwendigkeit einer 3-jährigen Tätigkeit als angestellter Arzt im MVZ für eine erst dann mögliche Nachbesetzung gelten soll, lässt sich dem bislang veröffentlichten Terminsbericht der Entscheidung des BSG nicht entnehmen.

 

Für eine solche Lesart spricht zunächst der reine Wortlaut der Entscheidung des BSG vom 04.05.2016. Allerdings darf der Hintergrund der Entscheidung aus dem Jahr 2016 nicht unberücksichtigt bleiben, galt es seinerzeit doch, der Erweiterung von bestehenden MVZ durch Übernahme weiterer vertragsärztlicher Zulassung durch Umwandlung in Anstellungsgenehmigung einen Riegel vorzuschieben. Wenn jedoch eine Erweiterung eines bestehenden MVZ mit der Umwandlung einer freien vertragsärztlichen Zulassung in eine Anstellungsgenehmigung gerade nicht beabsichtigt ist, so fehlt es an dem rechtfertigenden Grund, um eine 3-jährige Tätigkeit als angestellter Arzt vorauszusetzen.

 

Wenn also ein Gesellschafter eines MVZ im Zuge seines Ausscheidens seine seit jeher im MVZ gehaltene vertragsärztliche Zulassung in einer Anstellungsgenehmigung umwandelt, etwa weil verbleibende Gesellschafter das MVZ fortführen und statt des ausscheidenden Partners eine angestellte Ärztin/einen angestellten Arzt beschäftigen wollen oder weil niedergelassene Vertragsärzte, die selbst nicht in dem bewussten MVZ tätig werden wurden, den Gesellschaftsanteil des ausscheidenden Partners in der Trägergesellschaft übernehmen, so ist mit der Umwandlung der Anstellungsgenehmigung keine Erweiterung des bestehenden MVZ verbunden. Die Umwandlung dient vielmehr allein dazu, den bisherigen Versorgungsumfang des MVZ auch bei Ausscheiden eines Partners aufrechterhalten zu können. In diesem Fall besteht keine Begründung, den ausscheidenden Partner dann zu einer 3-jährigen Tätigkeit als angestellter Arzt des MVZ (»seines MVZ«) zu verpflichten, um dem MVZ erst dann die Möglichkeit der Nachbesetzung zu eröffnen.

 

Hoffentlich ergeben sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils vom 26.01.2022 entsprechende Anhaltspunkte. Wir werden dies beobachten und alsdann berichten, sobald die Entscheidungsgründe veröffentlicht sind.

Über den Autor

  • Thomas Oedekoven

    Thomas Oedekoven ist zugelassen als Rechtsanwalt seit 2000 und Fachanwalt für Medizinrecht, Sozialrecht und für Versicherungsrecht. Zum Anwaltsprofil