Erschüt­te­rung des Anscheins­be­wei­ses für eine pri­va­te Kfz-Nut­zung

 

Mit Urteil vom 04.12.2012 (VIII R 42/09) beschäf­tig­te sich der Bun­des­fi­nanz­hof mit der Fra­ge der Reich­wei­te des auf der Lebens­er­fah­rung (der Finanz­ver­wal­tung) grün­den­den Anscheins­be­wei­ses, dass betrieb­li­che Fahr­zeu­ge in der Regel auch pri­vat genutzt wer­den.

In der Sache ging es um die betrieb­li­che Nut­zung eines Por­sche 911 durch einen Frei­be­ruf­ler. Die­ses Fahr­zeug scheint für Betriebs­prü­fer Signal­wir­kung zu haben. Der Frei­be­ruf­ler such­te nach­zu­wei­sen, dass er die­ses Fahr­zeug nicht pri­vat, son­dern aus­schließ­lich betrieb­lich nut­ze. In dem zu ent­schei­den­den Fall ver­füg­te der Frei­be­ruf­ler in sei­nem Pri­vat­ver­mö­gen über zwei ande­re Fahr­zeu­ge, näm­lich einen Por­sche 928 sowie einen Vol­vo Kom­bi V 70 T5. Die­se nut­ze er pri­vat, den Por­sche 911 hin­ge­gen aus­schließ­lich beruf­lich.

Das Ver­an­la­gungs­fi­nanz­amt setz­te trotz­dem nach Maß­ga­be der 1%-Regelung einen pri­va­ten Nut­zungs­an­teil an. Die Lebens­er­fah­rung lege zwin­gend nahe, dass betrieb­lich genutz­te Fahr­zeu­ge auch pri­vat genutzt wer­den.

Das Finanz­amt argu­men­tier­te, bei dem Por­sche 911 han­de­le es sich um ein Luxus­fahr­zeug. Der Erwerb eines Luxus­fahr­zeu­ges erfol­ge nicht aus wirt­schaft­li­chen Grün­den, son­dern sei einer Nei­gung geschul­det. Die­se Nei­gung lege es nahe, dass das Fahr­zeug auch zu Pri­vat­fahr­ten genutzt wer­de. Es ver­warf daher den Ein­spruch des Frei­be­ruf­lers.

Dies sah der BFH anders. Er ging zunächst davon aus, dass der Por­sche 928 in Aus­stat­tung, Fahr­leis­tung und Pres­ti­ge mit dem Por­sche 911 ver­gleich­bar sei.

Es lie­ge daher nahe, dass der Steu­er­pflich­ti­ge den Por­sche 928 zu Pri­vat­fahr­ten nutz­te. Im Übri­gen han­del­te es sich bei dem Frei­be­ruf­ler um einen Fami­li­en­va­ter, so dass fer­ner nahe­lie­ge, dass der Vol­vo für fami­li­är ver­an­lass­te Pri­vat­fahr­ten genutzt wür­de. Ent­schei­dend stell­te der BFH aber auf das Vor­han­den­sein des Por­sche 928 ab.

Der Beweis des ers­ten Anscheins kön­ne ent­kräf­tet oder erschüt­tert wer­den. Dabei sei ein Voll­be­weis des Gegen­teils nicht erfor­der­lich. Es genügt, so der Bun­des­fi­nanz­hof, wenn ein Sach­ver­halt dar­ge­legt und bei Bestrei­ten bewie­sen wird, der die ernst­haf­te Mög­lich­keit eines ande­ren Gesche­hens ergibt. Dies sei durch den Vor­trag, es stün­den zwei pri­va­te Pkw, dar­un­ter ein ver­gleich­ba­rer Por­sche, zur Ver­fü­gung, gege­ben. Damit setzt der BFH der rigi­den Anwen­dung des Anscheins­be­wei­ses durch ein Finanz­amt Gren­zen.

Die­se Ent­schei­dung ist nicht zuletzt des­halb zu begrü­ßen, da damit auch der Len­kungs­wir­kung von Steu­ern Rech­nung getra­gen wer­den kann. Denn die 1%-Regelung ist bei Fahr­zeu­gen mit hohem Lis­ten­preis, ins­be­son­de­re bei Fahr­zeu­gen, die gebraucht oder mit hohen Nach­läs­sen auf den Lis­ten­preis erwor­ben und im Betriebs­ver­mö­gen gehal­ten wer­den, ein ernst­zu­neh­men­der Anreiz für die Ver­mei­dung pri­va­ter Fahr­ten.

Die aus­schließ­lich oder fast aus­schließ­lich beruf­li­che Nut­zung soll­te aber unge­ach­tet die­ser Ent­schei­dung des BFH vor­sorg­lich durch ein ord­nungs­ge­mäß geführ­tes Fahr­ten­buch nach­ge­wie­sen wer­den. An die Ord­nungs­ge­mäß­heit eines Fahr­ten­buchs wer­den bekann­ter­ma­ßen hohe Anfor­de­run­gen gestellt. Para­do­xer­wei­se emp­feh­len vie­le Steu­er­be­ra­ter auf­grund des von den Finanz­be­hör­den rigi­de ange­wand­ten Anscheins­be­wei­ses, Pri­vat­fahr­ten in einem gewis­sen Umfang mit einem betrieb­li­chen Fahr­zeug vor­zu­neh­men, selbst wenn dies von dem Steu­er­pflich­ti­gen nicht beab­sich­tigt wird oder ander­wei­ti­ge Fahr­zeu­ge für Pri­vat­fahr­ten zur Ver­fü­gung ste­hen. Denn ansons­ten bestehe die Gefahr, dass das Fahr­ten­buch, auch wenn ord­nungs­ge­mäß geführt, als mit der Lebens­er­fah­rung nicht ver­ein­bar ver­wor­fen wer­de. Die Anwen­dung des Anscheins­be­wei­ses wür­de den Steu­er­pflich­ti­gen zwin­gen, gegen die (steu­er-) wirt­schaft­li­che Ver­nunft zu han­deln.

Das bespro­che­ne BFH-Urteil stellt jedoch in wün­schens­wer­ter Deut­lich­keit klar, dass der aus der Lebens­er­fah­rung gewon­ne­ne Anscheins­be­weis nur eine wider­leg­ba­re gesetz­li­che Ver­mu­tung ist und dass die Beweis­last für pri­va­te Fahr­ten nach Erschüt­te­rung des Anscheins­be­wei­ses bei den Finanz­be­hör­den liegt.


Gui­do Imfeld
Rechts­an­walt
Fach­an­walt für Han­dels- und Gesell­schafts­recht
Fach­an­walt für gewerb­li­chen Rechts­schutz
Wirt­schafts­me­dia­tor

News­let­ter-Anmel­dung

Ja, ich habe die Daten­schutz­er­klä­rung zur Kennt­nis genom­men und bin mit Absen­den des Kon­takt­for­mu­la­res mit der elek­tro­ni­schen Ver­ar­bei­tung und Spei­che­rung mei­ner Daten ein­ver­stan­den. Mei­ne Daten wer­den dabei nur streng zweck­ge­bun­den zur Bear­bei­tung und Beant­wor­tung mei­ner Anfra­ge benutzt.

Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Gui­do Imfeld ist zuge­las­se­ner Anwalt seit 1996 und Fach­an­walt für Inter­na­tio­na­les Wirt­schafts­recht, für Han­dels- und Gesell­schafts­recht. Seit dem Jah­re 2000 ist er auch in Bel­gi­en als Anwalt zuge­las­sen. Zum Anwalts­pro­fil