Bahn­bre­chen­des Urteil des EuGH zum Gerichts­stand

Markt­prä­senz im Aus­land wird sehr häu­fig durch Han­dels­ver­tre­ter oder Ver­trags­händ­ler her­ge­stellt.

Der Han­dels­ver­tre­ter ver­mit­telt dabei Ver­trä­ge, die zwi­schen dem Auf­trag­ge­ber des Han­dels­ver­tre­ters, dem Prin­zi­pal und dem Kun­den direkt zu Stan­de kom­men. Für die Ver­mitt­lung erhält der Han­dels­ver­tre­ter Pro­vi­si­on.

Der Ver­trags­händ­ler hin­ge­gen ver­kauft in eige­nem Namen und wird Ver­trags­part­ner des Kun­den, wäh­rend der Her­stel­ler ihm zuvor im Rah­men eines eigen­stän­di­gen Kauf­ver­tra­ges die ent­spre­chen­de Ware gelie­fert hat.

Dabei fun­giert der Ver­trags­händ­ler­ver­trag als Rah­men­ver­trag, inner­halb des­sen Ein­zel­kauf­ver­trä­ge abge­schlos­sen wer­den.

Bei Kün­di­gung des Han­dels­ver­tre­ter­ver­tra­ges erhält der Han­dels­ver­tre­ter den soge­nann­ten Han­dels­ver­tre­ter­aus­gleich, der auf­grund einer EG-Richt­li­nie in allen Län­dern der EU ver­pflich­tend ist.

Eine sol­che Richt­li­nie für Ver­trags­händ­ler gibt es nicht. Der Ver­trags­händ­ler erhält daher in aller Regel kei­ne Ent­schä­di­gung im Fal­le der ord­nungs­ge­mä­ßen Kün­di­gung des Ver­trags­händ­ler­ver­tra­ges, wobei hier zwei Aus­nah­men zu nen­nen sind.

1. Deutsch­land

Der Han­dels­ver­tre­ter­aus­gleich ist im deut­schen Recht in § 89 b HGB gere­gelt. Gemäß stän­di­ger Recht­spre­chung des BGH erhält der Ver­trags­händ­ler in dem Fall, dass er in glei­cher Wei­se in das Ver­triebs­sys­tem eines Her­stel­lers ein­ge­bun­den ist wie ein Han­dels­ver­tre­ter (weit­ge­hen­de Berichts­pflich­ten, Wett­be­werbs­ver­bot, Ver­pflich­tung, Kun­den­da­ten zu über­las­sen etc.) im Ein­zel­fall und in Anse­hung der beson­de­ren Umstän­de ana­log dem Han­dels­ver­tre­ter­aus­gleich eine Ent­schä­di­gung bei Been­di­gung des Ver­trags­händ­ler­ver­tra­ges.

2. Bel­gi­en

In Bel­gi­en ist bei einem exklu­si­ven Ver­trags­händ­ler­ver­trag gemäß dem Gesetz vom 27.07.1961 über die ein­sei­ti­ge Kün­di­gung unbe­fris­te­ter Allein­ver­triebs­ver­trä­ge und des Geset­zes vom 13.04.1971 über die ein­sei­ti­ge Kün­di­gung der Ver­triebs­ver­trä­ge immer und ver­pflich­tend ein Aus­gleich bei Been­di­gung des Ver­trags­händ­ler­ver­tra­ges zu zah­len.

Das recht kurz gehal­te­ne Gesetz befasst sich ledig­lich mit den Fol­gen der Kün­di­gung und regelt in kei­ner Wei­se den Ver­trags­händ­ler­ver­trag als sol­chen.

Es sieht dabei die aus­schließ­li­che Zustän­dig­keit bel­gi­scher Gerich­te vor und ver­pflich­tet die­se zur Anwen­dung des inso­weit zwin­gen­den bel­gi­schen Rechts, wenn und soweit der Ver­trags­händ­ler sei­ne Tätig­keit in Bel­gi­en aus­übt.

Auf­grund des­sen ist zu Guns­ten des bel­gi­schen Ver­trags­händ­lers die Anwend­bar­keit des Geset­zes gewähr­leis­tet, selbst wenn die Par­tei­en ein aus­län­di­sches Recht gewählt und einen aus­län­di­schen Gerichts­stand ver­ein­bart haben.

Der EuGH hat nun­mehr jedoch, dog­ma­tisch völ­lig rich­tig und in gewünsch­ter Deut­lich­keit mit Urteil vom 19.12.2013 (Rechts­sa­che C‑9/12 — Cor­man-Coll­ins SA ./. La Mai­son du Whis­ky SA) klar­ge­stellt, dass eine sol­che natio­na­le Zustän­dig­keits­vor­schrift die zwin­gen­de Anwend­bar­keit der Brüs­sel-I-Ver­ord­nung (Ver­ord­nung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezem­ber 2000 über die gericht­li­che Zustän­dig­keit und die Aner­ken­nung und Voll­stre­ckung von Ent­schei­dun­gen in Zivil- und Han­dels­sa­chen) nicht ver­drän­gen kann. Das euro­päi­sche Sekun­där­recht habe Vor­rang vor dem natio­na­len Recht bei Fäl­len mit Aus­lands­be­zug, soweit die Fra­ge der Zustän­dig­keit der Gericht betrof­fen ist.

Damit ist zwar in aller Regel noch nicht per se die Zustän­dig­keit bel­gi­scher Gerich­te abbe­dun­gen. Die­se Zustän­dig­keit kann in Fäl­len mit Aus­lands­be­zug aber nicht mehr aus dem Gesetz vom 1961 abge­lei­tet, son­dern muss anhand der Brüs­sel-I-Ver­ord­nung ermit­telt wer­den. Die vor­ge­nann­te Ver­ord­nung sieht hier­bei zwei Zustän­dig­keits­an­knüp­fun­gen vor, ein­mal gemäß Arti­kel 2 am Sitz des jewei­li­gen Beklag­ten, alter­na­tiv jedoch gemäß Arti­kel 5 am Gerichts­stand des Erfül­lungs­or­tes, d.h. dem Ort, an dem die Leis­tun­gen ver­trags­ge­mäß erbracht wer­den. Dies führt dann in der Regel zur Zustän­dig­keit der bel­gi­schen Gerich­te am Sitz des Ver­trags­händ­lers.

Aber in wei­te­rer Kon­se­quenz der vor­ge­nann­ten Ent­schei­dung dürf­ten Gerichts­stands­ver­ein­ba­run­gen gemäß Arti­kel 23 EuGV­VO Gel­tung und damit Vor­rang haben vor der Kom­pe­tenz­zu­wei­sung aus dem Gesetz vom 27. Juli 1961. Hier­über hat der EuGH jedoch noch nicht ent­schie­den.

Im Ver­hält­nis zu Dritt­staa­ten, d.h. Staa­ten außer­halb der EU, ins­be­son­de­re der Ver­ei­nig­ten Staa­ten, dürf­te es aller­dings bei der inter­na­tio­nal zwin­gen­den Anwend­bar­keit des bel­gi­schen Geset­zes über die Been­di­gung von Ver­trags­händ­ler­ver­trä­gen ver­blei­ben.


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