Ver­mehrt wer­den wir in letz­ter Zeit mit Fäl­len befasst, in denen unse­re Man­dan­ten in Bel­gi­en ein Fahr­zeug erwor­ben haben, das spä­ter von Poli­zei­dienst­stel­len in Deutsch­land oder Bel­gi­en auf­grund einer Ein­tra­gung als ent­wen­det im inter­na­tio­na­len SIS-Regis­ter beschlag­nahmt wird.

Es erscheint sinn­voll, die Fra­ge zu erör­tern, inwie­weit ein Erwerb von PKW zu Eigen­tum in Deutsch­land und Bel­gi­en mög­lich ist, wenn der Ver­käu­fer nicht Eigen­tü­mer und ver­fü­gungs­be­rech­tigt ist.

 

1. Die Rechts­la­ge in Deutsch­land

Die Grund­re­gel in Deutsch­land ist gemäß § 935 BGB, dass es kei­nen gut­gläu­bi­gen Erwerb von abhan­den gekom­me­nen Sachen gibt.

Abhan­den­kom­men heißt, dass die Sache dem Eigen­tü­mer gestoh­len wur­de, ver­lo­ren gegan­gen oder sonst abhan­den gekom­men ist. Dieb­stahl bedeu­tet den Bruch frem­den Gewahr­sams durch Weg­nah­me, um die Sache sich oder einem Drit­ten rechts­wid­rig zuzu­eig­nen (§ 242 StGB). Ver­lie­ren ist selbst erklä­rend. Abhan­den­kom­men im Übri­gen bedeu­tet, dass der unmit­tel­ba­re Besit­zer sei­nen Besitz ohne (nicht unbe­dingt gegen sei­nen Wil­len) ver­liert.

Die Unter­schla­gung, defi­niert in § 246 StGB, ist die Zueig­nung einer frem­den beweg­li­chen Sache für sich oder einen Drit­ten ohne Gewahr­sams­bruch. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Ver­fü­gungs­be­rech­tig­te das Fahr­zeug dem­je­ni­gen, der es sich dann rechts­wid­rig aneig­net, selbst über­ge­ben hat. Bei­spiels­fäl­le sind Unter­schla­gung eines geleas­ten Fahr­zeugs oder Aneig­nung bei Gele­gen­heit einer Pro­be­fahrt. In die­sen Kon­stel­la­tio­nen greift die Sper­re des § 935 BGB nicht. Anders gesagt: Der gut­gläu­bi­ge Erwerb des Eigen­tums an unter­schla­ge­nen Fahr­zeu­gen ist grund­sätz­lich mög­lich. Des­halb ist davor zu war­nen, drit­ten Per­so­nen, die nicht näher bekannt sind, ein Fahr­zeug z.B. zur Pro­be­fahrt bei dem pri­va­ten Gebraucht­wa­gen­ver­kauf zu über­ge­ben. Zu beach­ten ist dabei, dass man­gels Dieb­stahls auch die Kas­ko­ver­si­che­rung nicht greift!

Grund­sätz­lich hat der Eigen­tü­mer das Recht, die Her­aus­ga­be der Sache zu for­dern (§ 985 BGB). Der Anspruch ver­jährt erst nach 30 Jah­ren.

Dabei gilt aber gemäß § 1006 BGB, dass der Besitz, also die tat­säch­li­che Sach­herr­schaft über eine Sache, die Ver­mu­tung begrün­det, der neue Besit­zer sei Eigen­tü­mer. Der Her­aus­ga­be­be­rech­tig­te muss daher die Vor­aus­set­zung des Her­aus­ga­be­an­spruchs bewei­sen und die gesetz­li­che Ver­mu­tung wider­le­gen.

Die­sen Nach­weis kann der Eigen­tü­mer durch Vor­la­ge z. B. eines auf ihn lau­ten­den Kfz-Briefs nebst Vor­la­ge eines eben­falls auf ihn lau­ten­den Kauf­ver­tra­ges bzgl. des Fahr­zeugs füh­ren.

Wenn er des Wei­te­ren beweist, dass ihm das Fahr­zeug gestoh­len wur­de oder abhan­den gekom­men ist, ist der Her­aus­ga­be­an­spruch nach § 985 BGB durch­setz­bar. Der auf­ge­wand­te Kauf­preis kann die­sem Her­aus­ga­be­ver­lan­gen in die­sem Fall nicht ent­ge­gen gehal­ten wer­den. Der Erwer­ber der gestoh­le­nen oder abhan­den gekom­me­nen Sache ist dann auf einen Regress­an­spruch gegen­über dem Ver­äu­ße­rer aus Rechts­män­gel­haf­tung, ggf. aus Delikt (Betrug) ange­wie­sen, der in der Pra­xis bzw. unter wirt­schaft­li­chen Gesichts­punk­ten regel­mä­ßig ins Lee­re geht.

Ist die Sache jedoch unter­schla­gen wor­den, kann der Besit­zer des Fahr­zeugs dem ursprüng­li­chen Eigen­tü­mer gegen­über den soge­nann­ten gut­gläu­bi­gen Erwerb gemäß § 932 ff. BGB ein­wen­den.

Er muss dann nach­wei­sen, dass er bei dem Erwerb die im Ver­kehr erfor­der­li­che Sorg­falt hat wal­ten las­sen, d.h. dass ihm nicht bekannt oder infol­ge gro­ber Fahr­läs­sig­keit unbe­kannt war, dass die Sache nicht dem Ver­äu­ße­rer gehört. Dies bedeu­tet, dass man sich z.B. bei dem Kauf eines Pkw dar­über ver­ge­wis­sert, dass der Ver­käu­fer iden­tisch mit der­je­ni­gen Per­son ist, die in den Zulas­sungs­be­schei­ni­gun­gen I und II ein­ge­tra­gen ist und dass die Papie­re des Fahr­zeugs eine iden­ti­sche Fahr­zeug­iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer wie die­je­ni­ge des Fahr­zeugs auf­wei­sen.

Fer­ner dür­fen die Umstän­de des Kaufs nicht unge­wöhn­lich sein. Vor­sicht des­halb bei impro­vi­sier­ten Kies­platz­händ­lern und in Fäl­len, in denen der Kauf­preis unge­wöhn­lich nied­rig ist oder ande­re Umstän­de den Kauf als zwei­fel­haft erschei­nen las­sen.

War der Erwerb nicht gut­gläu­big, haf­tet er dem Eigen­tü­mer auf Her­aus­ga­be und zudem auf Ersatz für die Nut­zung des Gegen­stan­des sowie Scha­dens­er­satz nach den Grund­sät­zen des Eigen­tü­mer-Besit­zer-Ver­hält­nis­ses.

Hat der Käu­fer jedoch die Sorg­falts­pflich­ten beach­tet, kann er bei unter­schla­ge­nen Sachen auf gut­gläu­bi­gen Erwerb des Eigen­tums ver­wei­sen und den Her­aus­ga­be­an­spruch des ursprüng­li­chen Eigen­tü­mers abweh­ren.

 

2. Die Rechts­la­ge in Bel­gi­en

In Bel­gi­en ist die Rechts­la­ge anders. Sie ist über­haupt in den meis­ten Län­dern Euro­pas anders als in Deutsch­land. Dabei muss man wis­sen, dass der Eigen­tums­über­gang sachen­recht­lich qua­li­fi­ziert wird. Es gibt im inter­na­tio­na­len Pri­vat­recht den Grund­satz der lex rei sitae. Dies bedeu­tet, dass der Ort, an dem sich eine Sache befin­det, die soge­nann­te Bele­gen­heit, dar­über ent­schei­det, wie sie eigen­tums­recht­lich zu qua­li­fi­zie­ren ist.

Wenn daher eine in Deutsch­land abhan­den gekom­me­ne oder unter­schla­ge­ne Sache nach Bel­gi­en oder Ita­li­en ver­bracht wird, gilt für die Fra­ge, ob der dort ansäs­si­ge Erwer­ber Eigen­tum erwor­ben hat oder nicht, das Recht des Ortes, an dem der Besitz auf ihn über­ge­gan­gen ist.

Bei einem Kauf eines Fahr­zeugs in Bel­gi­en gilt hin­sicht­lich der Fra­ge, ob der Käu­fer wirk­sam Eigen­tum erwor­ben hat, bel­gi­sches Recht, wenn die Über­ga­be in Bel­gi­en statt­fin­det. Fin­det die Über­ga­be aber z.B. in Deutsch­land oder den Nie­der­lan­den statt, gilt das jewei­li­ge Recht des Über­ga­be­or­tes. Wird die Sache sodann in ein ande­res Land ver­bracht, wirkt der sachen­recht­li­che Sta­tus fort. In Bel­gi­en an einer gestoh­le­nen Sache erwor­be­nes Eigen­tum geht daher nicht dadurch wie­der ver­lo­ren, weil die Sache wie­der nach Deutsch­land ver­bracht wird.

Zum Über­ga­be­ort ist zu beach­ten, dass eine Über­ga­be an der Gren­ze zwar oft ver­ein­bart, jedoch fak­tisch nicht mög­lich ist. Denn die Gren­ze ist eine gedach­te Linie und meis­tens „so dünn“, dass es kaum mög­lich ist, ein Fahr­zeug auf die­ser gedach­ten Linie zu über­ge­ben. Wir haben bereits meh­re­re Beweis­auf­nah­men auf der Gren­ze zu Deutsch­land durch­ge­führt, um in Erfah­rung zu brin­gen, in wel­chem Land das Fahr­zeug kon­kret über­ge­ben wur­de.

Im bel­gi­schen Recht gibt es die abso­lu­te Sper­re des § 935 BGB nicht, wonach an gestoh­le­nen Sachen kein Eigen­tums­er­werb mög­lich ist. Gemäß Arti­kel 2279 Code Civil, Satz 1, gilt zunächst die­sel­be Ver­mu­tung wie in § 1006 BGB: Bei beweg­li­chen Gütern gilt der Besitz als Rechts­ti­tel. Dies begrün­det die Ver­mu­tung dafür, dass der Besit­zer einer Sache auch deren Eigen­tü­mer ist. Auf­grund der Ver­mu­tung muss der Eigen­tü­mer in vol­lem Umfang Beweis für sein Eigen­tum antre­ten.

Gemäß Arti­kel 2279 Code Civil kann der­je­ni­ge, der eine Sache ver­lo­ren hat oder dem sie gestoh­len wor­den ist, die Her­aus­ga­be der Sache wäh­rend drei Jah­ren vom Tag des Ver­lus­tes oder des Dieb­stahls an von dem­je­ni­gen ver­lan­gen, in des­sen Hän­den er sie fin­det. Bereits nach drei Jah­ren tritt daher die Ver­jäh­rung des Her­aus­ga­be­an­spru­ches ein, falls es sich bei dem Besit­zer der Sache nicht um z. B. den Dieb han­delt.

Aber, und dies ist ein ganz ein­schnei­den­der Unter­schied zum deut­schen Recht, es gibt die Rege­lung des Arti­kel 2280 Code Civil: Hat der gegen­wär­ti­ge Besit­zer der gestoh­le­nen oder ver­lo­ren gegan­ge­nen Sache die­se auf einem Jahr­markt, einem andern Markt oder bei einem öffent­li­chen Ver­kauf oder von einem Kauf­mann, der der­ar­ti­ge Sachen ver­kauft, gekauft, kann der ursprüng­li­che Eigen­tü­mer die Sache nur gegen Erstat­tung des Prei­ses, den sie den neu­en Besit­zer gekos­tet hat, zurück­for­dern.

Dies bedeu­tet regel­mä­ßig, dass bei einem Fahr­zeug, das bei einem ordent­li­chen Händ­ler gekauft wur­de, der Her­aus­ga­be­an­spruch nur durch­setz­bar ist, wenn der Eigen­tü­mer dem Besit­zer den Kauf­preis erstat­tet. Das ist jedoch häu­fig wirt­schaft­lich nicht inter­es­sant, wenn das Fahr­zeug zwi­schen­zeit­lich an Wert ver­lo­ren hat.

Aber auch in Bel­gi­en gilt, dass guter Glau­be not­wen­dig ist. Ist das Fahr­zeug bei einem ordent­li­chen Fahr­zeug­händ­ler mit fes­ter Geschäfts­ein­rich­tung, die einen seriö­sen Ein­druck macht, gekauft wor­den, wird es für den Berech­tig­ten schwie­rig, den feh­len­den guten Glau­ben des Käu­fers zu bewei­sen, falls nicht ande­re Umstän­de (feh­len­de Papie­re, unge­wöhn­lich nied­ri­ger Preis etc.) den guten Glau­ben zer­stö­ren.

Aber mit Händ­ler ist nicht jeder Händ­ler gemeint. Der Kies­platz­händ­ler oder der Kauf bei einem flie­gen­den Händ­ler auf einem nur tem­po­rär statt­fin­den­den Auto­markt (ger­ne unter Brü­cken in Ant­wer­pen), begrün­det kei­nen aus­rei­chen­den Ver­trau­en­s­tat­be­stand.

In Bel­gi­en gibt es kei­nen Kfz-Brief im deut­schen Sin­ne, so dass anhand des­sen kei­ne Über­prü­fung durch den Käu­fer erfol­gen kann, ob der Ver­käu­fer iden­tisch mit der in dem Kfz-Brief ein­ge­tra­ge­nen Per­son ist. Aber es gibt Zulas­sungs­pa­pie­re und den sog. Car­pass, der die gesam­te Repa­ra­tur- und Unter­halts­his­to­rie des Fahr­zeugs belegt. Wenn bereits die­ser fehlt, ist höchs­te Vor­sicht gebo­ten.

 

3. SIS-Ein­tra­gung

Ganz ohne Pro­ble­me ist der gut­gläu­bi­ge Erwerb aber auch dann nicht, falls das Fahr­zeug in dem bereits erwähn­ten SIS-Regis­ter euro­pa­weit zur Fahn­dung aus­ge­schrie­ben ist. Denn die ört­li­chen Poli­zei­dienst­stel­len oder Staats­an­walt­schaf­ten sind, wenn sie ein sol­ches Fahr­zeug in einer Kon­trol­le auf­fin­den, gehal­ten, die­ses zu beschlag­nah­men. Es liegt dann an dem Betrof­fe­nen, gegen den in aller Regel zudem ein Ver­fah­ren wegen Heh­le­rei ein­ge­lei­tet wird, die Beschlag­nah­me auf­zu­he­ben und den gut­gläu­bi­gen Erwerb zu bewei­sen. In die­sem Fall hilft es dann, wenn man ein ent­spre­chen­des Her­aus­ga­be­ver­lan­gen an die zustän­di­gen Stel­len rich­tet und unter Dar­le­gung der ggf. aus­län­di­schen Rechts­la­ge den Erwerb des Eigen­tums an dem Fahr­zeug dar­legt.

 

Gui­do Imfeld
Rechts­an­walt
Fach­an­walt für Han­dels- und Gesell­schaft­recht
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Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Gui­do Imfeld ist zuge­las­se­ner Anwalt seit 1996 und Fach­an­walt für Inter­na­tio­na­les Wirt­schafts­recht, für Han­dels- und Gesell­schafts­recht. Seit dem Jah­re 2000 ist er auch in Bel­gi­en als Anwalt zuge­las­sen. Zum Anwalts­pro­fil