Erfolg­rei­ches Ver­trags­ma­nage­ment von Unter­neh­men setzt häu­fig Stan­dar­di­sie­rung vor­aus. Es bie­tet sich an, bei sich wie­der­ho­len­den Geschäfts­vor­gän­gen auf Ver­trags­mus­ter zurück­zu­grei­fen.

Die deut­sche Wirt­schaft, ins­be­son­de­re die Export­wirt­schaft, steht sich dabei aber teil­wei­se auf­grund des Rechts „made in Ger­ma­ny“ selbst im Wege. Das deut­sche Recht hat sei­ne Meri­ten, ganz zwei­fel­los. Es ist struk­tu­riert und die zum deut­schen Recht ergan­ge­ne Recht­spre­chung ist von aus­ge­zeich­ne­ter Qua­li­tät. Aber das deut­sche Recht hat einen gro­ßen Hemm­schuh: Das AGB-Recht.

 

Hemm­schuh im deut­schen Recht: AGB-Recht

Mit Aus­nah­me ins­be­son­de­re von Öster­reich und Deutsch­land gibt es kaum Län­der auf die­ser Welt, die im Bereich B2B eine im Ver­gleich zum deut­schen AGB-Recht erst­zu­neh­men­de Prü­fung der Wirk­sam­keit von Ver­trags­klau­seln im kauf­män­ni­schen Ver­kehr vor­se­hen. Die meis­ten natio­na­len Rechts­ord­nun­gen gehen davon aus, dass die Kauf­leu­te mit ihrer Dis­po­si­ti­ons­frei­heit bei dem Aus­han­deln von Ver­trä­gen umge­hen kön­nen. Dies ist vor allem der Fall in Län­dern des com­mon law.

Erfah­rungs­ge­mäß ver­sucht jede Ver­trags­par­tie, ihr eige­nes natio­na­les Recht durch­zu­set­zen. Dabei erfolgt die­se Durch­set­zung nicht reflek­tiert vor dem Hin­ter­grund einer Ana­ly­se und des Ver­gleichs zwi­schen dem mög­li­cher­wei­se anwend­ba­ren inter­na­tio­na­len Recht (UN-Kauf­recht) und/oder den in Fra­ge kom­men­den jewei­li­gen natio­na­len Bestim­mun­gen, son­dern als Reflex: Das, was näher und bekannt ist, erscheint bes­ser und siche­rer.

Dies ist aller­dings nicht immer rich­tig.

Deut­sches Recht ist grund­sätz­lich anwend­bar, wenn der Ver­trags­part­ner, der die ver­trags­cha­rak­te­ris­ti­sche Leis­tung erbringt (der Ver­käu­fer, der Unter­neh­mer, der Ver­trags­händ­ler, der Han­dels­ver­tre­ter etc.) sei­nen Sitz in Deutsch­land hat oder die Par­tei­en durch Rechts­wahl die Anwend­bar­keit des deut­schen Rechts bestim­men (Arti­kel 3 und 4 Rom I‑Verordnung).

Die meis­ten aus­län­di­schen Rechts­ord­nun­gen respek­tie­ren die Ver­trags­au­to­no­mie bis zur Gren­ze der Sit­ten­wid­rig­keit und der zwin­gen­den Ein­griffs­nor­men der Par­tei­en nach Maß­ga­be des im deut­schen Recht in § 307 Abs. 1 BGB ent­hal­te­nen Grund­sat­zes: All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen sind (erst) dann unwirk­sam, wenn sie den Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders ent­ge­gen den Gebo­ten von Treu und Glau­ben unan­ge­mes­sen benach­tei­li­gen, ins­be­son­de­re, wenn sie mit wesent­li­chen Grund­ge­dan­ken der gesetz­li­chen Rege­lung, von der abge­wi­chen wird, nicht zu ver­ein­ba­ren sind oder wesent­li­che Rech­te oder Pflich­ten, die sich aus der Natur des Ver­tra­ges erge­ben, so ein­schrän­ken, dass die Errei­chung des Ver­trags­zwecks gefähr­det wird.

Das deut­sche Recht geht aber ins­be­son­de­re in den Klau­seln der §§ 308 und 309 BGB sehr viel wei­ter. So ist es im deut­schen Recht z.B. so gut wie unmög­lich, die Haf­tung effek­tiv ein­zu­schrän­ken, was häu­fig ins­be­son­de­re im Hin­blick auf Fol­ge­schä­den und dar­aus resul­tie­ren­de Risi­ken kauf­män­nisch jedoch unab­ding­bar ist.

Deut­sche Unter­neh­men, die in Ver­hand­lun­gen das deut­sche Recht durch­set­zen, ver­sper­ren sich daher den Weg, ggf. sach­ge­rech­te Ergeb­nis­se zu erzie­len.

AGB lie­gen immer dann vor, wenn ein Ver­wen­der sol­cher All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen die­se in mehr als drei Fäl­len zu ver­wen­den beab­sich­tigt, wobei die Klau­sel­kon­trol­le bereits bei der ers­ten Ver­wen­dung greift.

Da die Ver­wen­dungs­ab­sicht jedoch im sub­jek­ti­ven Bereich liegt und der Ver­trags­part­ner kei­nen Über­blick dar­über hat, bei wie vie­len ande­ren Ver­trags­ver­hält­nis­sen ggf. die AGB noch Ver­wen­dung fin­den, stellt das Gesetz eine Ver­mu­tung auf, wonach AGB dann vor­lie­gen (kön­nen), wenn sich dies aus äuße­ren Gege­ben­hei­ten, z.B. der Vor­for­mu­lie­rung oder der Auf­ma­chung der Ver­trags­do­ku­men­te ergibt. Die­se Ver­mu­tung muss dann der Ver­wen­der wider­le­gen. Hier­bei kann er sich nicht auf das Bestrei­ten sei­ner Absicht, die AGB mehr­fach zu ver­wen­den, zurück­zie­hen; er kann auch nicht wider bes­se­ren Wis­sens vor­tra­gen, er habe die AGB nur ein­mal ver­wen­det, weil er sich für den Fall, dass dies nicht zutrifft, dem Vor­wurf des Pro­zess­be­tru­ges aus­set­zen könn­te.

 

Von AGB zu Indi­vi­du­al­ver­ein­ba­run­gen?

Ein Aus­weg hier­aus wird häu­fig in der Ver­mei­dung der Anwen­dung des AGB-Rechts durch Indi­vi­du­al­ver­ein­ba­run­gen gese­hen.

Es ist jedoch ein stei­ni­ger Weg des AGB-Ver­wen­ders zur Indi­vi­du­al­ver­ein­ba­rung (sie­he hier­zu Kap­pus, NJW 1–2/2016, Sei­te 33). Denn ein­fa­che Umge­hungs­tat­be­stän­de, wie z.B. dekla­ra­to­ri­sche Hin­weis in AGB, bei den Ver­trags­be­din­gun­gen han­de­le es sich um Indi­vi­du­al­ver­ein­ba­run­gen, was der Ver­trags­part­ner mit der Unter­schrift bestä­ti­ge, schei­tern am AGB-Recht selbst. Eine geson­der­te Bestä­ti­gung, dass es sich um eine Indi­vi­du­al­ver­ein­ba­rung han­de­le oder den Hin­weis, man habe die Ver­trags­do­ku­men­te dem Ver­hand­lungs­part­ner mit der Bit­te um Prü­fung vor­ge­legt, rei­chen nach deut­scher Recht­spre­chung eben­falls nicht aus, um aus AGB Indi­vi­du­al­ver­ein­ba­run­gen zu machen.

Es reicht auch nicht aus, zu doku­men­tie­ren, man habe den Ver­trag gemein­sam durch­ge­se­hen, sei die ein­zel­nen Bestim­mun­gen durch­ge­gan­gen und der Ver­trags­part­ner habe dabei Gele­gen­heit gehabt, die Ver­trags­be­stim­mun­gen in Fra­ge zu stel­len oder zu dis­ku­tie­ren.

Dies alles ist noch kein Aus­han­deln im Sin­ne eines Zur-Dis­po­si­ti­on-Stel­lens, wie es die Recht­spre­chung for­dert.

Indi­vi­du­al­ver­ein­ba­run­gen lie­gen erst dann vor, wenn die Par­tei­en auf Augen­hö­he ver­han­delt haben, der Ver­wen­der also mit der ernst­haf­ten Absicht, die Klau­seln zur Prü­fung und Geneh­mi­gung durch sei­nen Ver­trags­part­ner vor­zu­le­gen, die­se Rege­lun­gen tat­säch­lich zur Dis­po­si­ti­on gestellt und im Ein­zel­nen ver­han­delt hat. Die­ser Nach­weis ist sehr schwer zu füh­ren, umso schwe­rer, als ein sol­ches tat­säch­li­ches, auf Augen­hö­he-Ver­han­deln und zur Dis­po­si­ti­on­s­tel­len ja im Zwei­fel gar nicht gewünscht wird und dem Zweck von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen, Geschäfts­ab­läu­fe zu stan­dar­di­sie­ren, letzt­lich zuwi­der­läuft.

Aber erst, wenn eine sol­che Ver­hand­lungs­si­tua­ti­on im Ein­zel­nen beweis­si­cher doku­men­tiert ist, kann man von Indi­vi­du­al­ver­ein­ba­run­gen aus­ge­hen und die Anwen­dung des AGB-Rechts ver­mei­den.

Des­halb soll­te tat­säch­lich in Betracht gezo­gen wer­den, gera­de in Fäl­len mit hohem Haf­tungs­ri­si­ko aus Fol­ge­schä­den, von der in vie­len in aus­län­di­schen Rechts­ord­nun­gen zuläs­si­gen Beschrän­kung der Haf­tung zu pro­fi­tie­ren.

Unter Sorg­falts­ge­sichts­punk­ten setzt dies selbst­ver­ständ­lich einen Ver­gleich zwi­schen den Rege­lun­gen der hei­mi­schen Rechts­ord­nung und den­je­ni­gen der ins Auge gefass­ten aus­län­di­schen Rechts­ord­nung vor­aus.

 

Aus­wei­chen auf aus­län­di­sches Recht

Unbe­se­hen darf dabei nicht auf eine aus­län­di­sche Rechts­ord­nung aus­ge­wi­chen wer­den. Ein Bei­spiel hier­zu: Ver­ein­bart man z.B. in einem Kauf­ver­trag die Anwend­bar­keit des unver­ein­heit­lich­ten fran­zö­si­schen Rechts des Code Civil, ent­geht man zwar der AGB-Pro­ble­ma­tik. Aber im Hin­blick auf Arti­kel 1645 Code Civil und die im fran­zö­si­schen Recht unwi­der­leg­ba­re Ver­mu­tung, dass ein pro­fes­sio­nel­ler Ver­käu­fer Kennt­nis von Män­geln zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses und der Lie­fe­rung hat, kann man auch indi­vi­du­ell Scha­dens­er­satz­an­sprü­che, ins­be­son­de­re für Fol­ge­schä­den, nicht wirk­sam aus­schlie­ßen.

Im bel­gi­schen Recht ver­hält es sich ähn­lich, wobei in bei­den Fäl­len z.B. die Ein­be­zie­hung des UN-Kauf­rechts Abhil­fe bie­ten kann.

Das Aus­wei­chen auf das in deut­scher Spra­che ver­füg­ba­re und sehr libe­ra­le Schwei­zer Recht, was häu­fig als Aus­weg emp­foh­len wird, hat hin­ge­gen auch Gefah­ren­po­ten­ti­al. Denn hier setzt Arti­kel 3 Rom I‑Verordnung der Rechts­wahl durch­aus Gren­zen: Die Rechts­wahl setzt Bezugs­punk­te des Ver­tra­ges zu dem gewähl­ten Recht vor­aus, was z.B. bei einem Ver­trag nach Schwei­zer Recht zwi­schen einem deut­schen und einem fran­zö­si­schen Unter­neh­men nicht unbe­dingt der Fall ist. Daher kön­nen zwin­gen­de Bestim­mun­gen des ohne Rechts­wahl anwend­ba­ren Rechts, unter Umstän­den dann das deut­sche AGB-Recht, über Arti­kel 3 Rom I‑Verordnung wie­der Anwen­dung fin­den.

 

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