Das Ober­lan­des­ge­richt (OLG) Hamm hat in einem Hin­weis­be­schluss vom 15. Janu­ar 2024 (Az.: 20 U 223/23) eine Ent­schei­dung zur vor­ver­trag­li­chen Anzei­ge­pflicht im Zusam­men­hang mit einer Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung getrof­fen. Der Beschluss beleuch­tet ins­be­son­de­re die Anfor­de­run­gen an die Text­form bei Bespre­chung der Gesund­heits­fra­gen am Bild­schirm eines Lap­tops oder Tabletts (»elek­tro­nisch unter­stütz­te Antrag­stel­lung«) sowie die Kon­se­quen­zen einer Ver­let­zung der Anzei­ge­pflicht.

Sach­ver­halt

Im vor­lie­gen­den Fall begehr­te der Klä­ger die Fest­stel­lung, dass der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rungs­ver­trag mit dem Beklag­ten fort­be­steht und dem­zu­fol­ge Leis­tun­gen der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung zu erbrin­gen sind. Bei Antrag­stel­lung im Janu­ar 2015 hat­te der Klä­ger die Fra­ge nach Unter­su­chun­gen oder Behand­lun­gen im Bereich des Ner­ven­sys­tems inner­halb der letz­ten fünf Jah­re ver­neint. Tat­säch­lich war er jedoch nur weni­ge Mona­te vor Abschluss des Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rungs­ver­trags neu­ro­lo­gisch und radio­lo­gisch unter­sucht wor­den. Der Ver­si­che­rer erklär­te nach Prü­fung des Behand­lungs­ver­laufs des Ver­si­che­rungs­neh­mers dar­auf­hin im Novem­ber 2018 den Rück­tritt vom Ver­trag wegen vor­sätz­lich fal­scher Anga­ben und lehn­te Berufs­un­fä­hig­keits­leis­tun­gen ab.

Recht­li­che Bewer­tung

Ver­let­zung der vor­ver­trag­li­chen Anzei­ge­pflicht

Das Gericht stell­te fest, dass der Klä­ger die gefah­rer­heb­li­che Fra­ge objek­tiv unrich­tig beant­wor­tet hat­te. Die­se fal­sche Anga­be war für die Ent­schei­dung des Ver­si­che­rers, den Ver­trag abzu­schlie­ßen, erheb­lich. Der Rück­tritt des Ver­si­che­rers gemäß § 19 Abs. 2 VVG wur­de daher als wirk­sam ange­se­hen. Bemer­kens­wert ist, dass das OLG Hamm beton­te, dass die Anzei­ge­pflicht auch Anga­ben zu blo­ßen Beschwer­den und Unter­su­chun­gen umfasst – unab­hän­gig davon, ob eine kon­kre­te Dia­gno­se gestellt wur­de.

Anfor­de­run­gen an die Text­form

Gesund­heits­fra­gen des Ver­si­che­rers müs­sen »in Text­form« gestellt wer­den. Das OLG Hamm stell­te klar, dass die Anfor­de­run­gen an die Text­form (§ 126b BGB) bei elek­tro­nisch unter­stütz­ter Antrag­stel­lung erfüllt sind, wenn:

  1. Die Fra­gen wört­lich vor­ge­le­sen wer­den.
  2. Der Ver­si­che­rungs­neh­mer Gele­gen­heit hat, die Fra­gen und Ant­wor­ten am Bild­schirm durch­zu­le­sen.
  3. Die Ver­trags­un­ter­la­gen, ein­schließ­lich der Gesund­heits­fra­gen und der Beleh­rung, auf einem Daten­trä­ger über­las­sen wer­den.

Ent­schei­dend sei, dass der Antrag­stel­ler aus­rei­chend Zeit hat­te, die Fra­gen sorg­fäl­tig zu prü­fen und gege­be­nen­falls Rück­fra­gen zu stel­len. Laut Gericht spielt das Medi­um der Dar­stel­lung – ob Papier oder Bild­schirm – kei­ne Rol­le, solan­ge die­se Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind.

Beleh­rungs­pflicht

Das Gericht hob her­vor, dass der Klä­ger in Text­form über die Fol­gen unrich­ti­ger Anga­ben belehrt wur­de (§ 19 Abs. 5 VVG). Die Beleh­rung war druck­tech­nisch her­vor­ge­ho­ben und dem Klä­ger durch die elek­tro­ni­sche Antrag­stel­lung erkenn­bar zugäng­lich. Die geson­der­te Mit­tei­lung der Beleh­rung in Text­form wur­de als aus­rei­chend ange­se­hen, um den Anfor­de­run­gen des Geset­zes zu genü­gen.

Pra­xis­hin­wei­se

Die­ses Urteil hat weit­rei­chen­de Impli­ka­tio­nen für die Pra­xis der Ver­si­che­rungs­bran­che, ins­be­son­de­re bei den zuneh­mend ver­brei­te­ten digi­tal unter­stütz­ten Antrags­ver­fah­ren über Lap­top oder Tablett. Ver­si­che­rer soll­ten sicher­stel­len, dass:

  • Gesund­heits­fra­gen klar und deut­lich for­mu­liert sind und dem Antrag­stel­ler anschlie­ßend in einer dau­er­haf­ten, les­ba­ren Form zur Ver­fü­gung gestellt wer­den.
  • Der gesam­te Pro­zess der Antrag­stel­lung genü­gend Raum für eine sorg­fäl­ti­ge Prü­fung und even­tu­el­le Rück­fra­gen bie­tet.
  • Die Beleh­rung über die Fol­gen unrich­ti­ger Anga­ben druck­tech­nisch her­vor­ge­ho­ben und unüber­seh­bar gestal­tet ist.

Für Ver­si­che­rungs­neh­mer unter­streicht das Urteil die Not­wen­dig­keit, Gesund­heits­fra­gen gewis­sen­haft und wahr­heits­ge­mäß zu beant­wor­ten. Auch schein­bar unbe­deu­ten­de Beschwer­den oder Unter­su­chun­gen müs­sen ange­ge­ben wer­den, um spä­te­re recht­li­che Nach­tei­le zu ver­mei­den.

Die­se Urteils­be­spre­chung infor­miert über recht­li­che Aspek­te der vor­ver­trag­li­chen Anzei­ge­pflicht in der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung. Unse­re Kanz­lei steht Ihnen bei Fra­gen rund um das Ver­si­che­rungs­recht ger­ne bera­tend zur Sei­te. Kon­tak­tie­ren Sie uns noch heu­te für eine indi­vi­du­el­le Bera­tung!

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