Wir stel­len 2 gericht­li­che Ent­schei­dun­gen zur pri­va­ten Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung vor, bei denen die Ein­stel­lung von Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen wegen neu­er beruf­li­cher Tätig­keit des Versicherungsnehmers/der Ver­si­che­rungs­neh­me­rin zum Streit führ­te.

1. Leis­tungs­ein­stel­lung in der pri­va­ten Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung wegen kon­kre­ter Ver­wei­sung

In einem aktu­el­len Urteil des Ober­lan­des­ge­richts Karls­ru­he wur­de klar­ge­stellt, dass das Aner­kennt­nis der Leis­tungs­pflicht in der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung bin­dend ist und nicht nach­träg­lich geän­dert wer­den kann. Der Ver­si­che­rer darf bei einer spä­te­ren Leis­tungs­ein­stel­lung nicht einen ande­ren Bezugs­be­ruf zur Ver­gleichs­be­trach­tung her­an­zie­hen.

Hin­ter­grund des Falls

Der Klä­ger, Jahr­gang 1985, hat­te eine Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung im Jahr 2008 abge­schlos­sen. Nach einer Aus­bil­dung und anschlie­ßen­der Tätig­keit als Groß- und Außen­han­dels­kauf­mann war er zuletzt als Pro­duk­ti­ons­hel­fer tätig. Auf­grund einer psy­chi­schen Erkran­kung bean­trag­te er im Okto­ber 2014 Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen. Der Ver­si­che­rer erkann­te die Leis­tungs­pflicht ab dem 1. Janu­ar 2016 an, da der Klä­ger aus gesund­heit­li­chen Grün­den nicht mehr als Groß- und Außen­han­dels­kauf­mann arbei­ten konn­te.

Im Jahr 2020 stell­te der Ver­si­che­rer die Zah­lun­gen ein, da der Klä­ger zwi­schen­zeit­lich eine Teil­zeit-Tätig­keit bei einem Sicher­heits­dienst auf­ge­nom­men hat­te. Der Ver­si­che­rer ver­glich die­se Tätig­keit mit der frü­he­ren Tätig­keit als Pro­duk­ti­ons­hel­fer und stell­te die Leis­tun­gen ein. Das Land­ge­richt und spä­ter das Ober­lan­des­ge­richt Karls­ru­he gaben der Kla­ge des Ver­si­cher­ten auf Fort­set­zung der Leis­tun­gen statt.

Recht­li­che Beur­tei­lung

Das Ober­lan­des­ge­richt Karls­ru­he beton­te, dass das Aner­kennt­nis des Ver­si­che­rers bin­dend sei. Der Ver­si­che­rer kön­ne sich nicht von sei­ner ursprüng­li­chen Ent­schei­dung lösen, solan­ge sich die maß­geb­li­chen Umstän­de nicht geän­dert haben. Eine Ver­wei­sung auf eine ande­re Tätig­keit, wie die Tätig­keit bei einem Sicher­heits­dienst, sei nicht zuläs­sig, da die­se nicht der bis­he­ri­gen Lebens­stel­lung des Klä­gers als Groß- und Außen­han­dels­kauf­mann ent­spre­che.

Wich­ti­ge Aspek­te des Urteils

  • Bin­dung an Aner­kennt­nis: Der Ver­si­che­rer ist an sein ursprüng­li­ches Aner­kennt­nis der Berufs­un­fä­hig­keit gebun­den und kann die­ses nicht ein­sei­tig ändern.
  • Ver­gleichs­be­trach­tung: Bei einer Leis­tungs­ein­stel­lung muss der Ver­si­che­rer eine umfas­sen­de Ver­gleichs­be­trach­tung der frü­he­ren und neu­en Tätig­keit durch­füh­ren. Die­se muss die Anfor­de­run­gen und erfor­der­li­chen Fähig­kei­ten sowie die finan­zi­el­le und sozia­le Wert­schät­zung der Beru­fe berück­sich­ti­gen.
  • For­mel­le Anfor­de­run­gen: Eine Ände­rungs­mit­tei­lung des Ver­si­che­rers muss nach­voll­zieh­bar und detail­liert begrün­det sein. Es muss klar auf­ge­zeigt wer­den, was sich seit dem ursprüng­li­chen Aner­kennt­nis geän­dert hat.

Pra­xis­hin­weis

Das Urteil des Ober­lan­des­ge­richts Karls­ru­he bie­tet eine kla­re Ori­en­tie­rung für ähn­li­che Fäl­le in der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung. Es bestä­tigt, dass Ver­si­che­rer an ihre Aner­kennt­nis­se gebun­den sind und stellt hohe Anfor­de­run­gen an die for­mel­le Aus­ge­stal­tung von Ände­rungs­mit­tei­lun­gen. Ver­si­che­rungs­neh­mer soll­ten dar­auf ach­ten, dass alle Ände­run­gen sei­tens des Ver­si­che­rers gut begrün­det und nach­voll­zieh­bar sind.

Die Ent­schei­dung stärkt die Posi­ti­on der Ver­si­cher­ten und bie­tet ihnen Sicher­heit im Umgang mit ihren Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­run­gen. Ver­si­che­rungs­neh­mer, die sich in einer ähn­li­chen Situa­ti­on befin­den, soll­ten recht­li­chen Rat ein­ho­len, um ihre Ansprü­che durch­zu­set­zen.

2. Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung: Ver­wei­sung einer Kran­ken­schwes­ter auf Kauf­frau im Gesund­heits­we­sen

Rechts­grund­la­ge und Urteil

Gemäß den §§ 1, 172, 174 des VVG ent­schied das OLG Dres­den am 27.10.2023 (3 U 725/23), dass eine Kran­ken­schwes­ter bei ver­gleich­ba­rer Aus­bil­dungs­dau­er und Ver­gü­tung auf die Tätig­keit als Kauf­frau im Gesund­heits­we­sen ver­wie­sen wer­den kann. Das Gericht stell­te klar, dass eine spür­ba­re Absen­kung des Niveaus der sozia­len Wert­schät­zung nicht allein durch das unter­schied­li­che öffent­li­che Anse­hen der Beru­fe begrün­det ist.

Fall­be­schrei­bung

Die Klä­ge­rin, eine aus­ge­bil­de­te Kran­ken­schwes­ter, mach­te 2018 Leis­tun­gen aus ihrer Berufs­un­fä­hig­keits­zu­satz­ver­si­che­rung gel­tend. Nach einer Umschu­lung zur Kauf­frau im Gesund­heits­we­sen und erfolg­rei­chem Abschluss der Prü­fung im Janu­ar 2021, begann sie in die­sem neu­en Berufs­feld zu arbei­ten. Die Ver­si­che­rung ver­wies die Klä­ge­rin dar­auf­hin auf ihre neue Tätig­keit und stell­te die Zah­lun­gen ab August 2021 ein. Das Land­ge­richt hat­te zunächst zuguns­ten der Klä­ge­rin ent­schie­den.

Recht­li­che Bewer­tung

Das Ober­lan­des­ge­richt hob die Ent­schei­dung des Land­ge­richts auf und wies die Kla­ge ab. Es begrün­de­te, dass die Ver­si­che­rung leis­tungs­frei sei, da kei­ne Berufs­un­fä­hig­keit mehr vor­lie­ge. Die neue Tätig­keit der Klä­ge­rin ent­spre­che der Aus­bil­dung, Erfah­rung und bis­he­ri­gen Lebens­stel­lung gemäß § 1 Abs. 2 BBUZ. Eine ver­gleich­ba­re Aus­bil­dung und Erfah­rung sei­en gege­ben, und die Ver­gü­tungs­dif­fe­renz von etwa 13% sei bei einem mitt­le­ren Ein­kom­men zumut­bar. Auch eine spür­ba­re Absen­kung der sozia­len Wert­schät­zung lie­ge nicht vor.

Sozia­le Wert­schät­zung und öffent­li­che Wahr­neh­mung

Das Gericht stell­te fest, dass die sozia­le Wert­schät­zung der neu­en Tätig­keit nicht deut­lich unter der einer Kran­ken­schwes­ter liegt. Der Beruf der Kauf­frau im Gesund­heits­we­sen genießt in der Öffent­lich­keit zwar nicht das glei­che hohe Anse­hen, wird jedoch auch nicht nega­tiv bewer­tet. Ent­schei­dend ist, dass die Klä­ge­rin wei­ter­hin ver­ant­wor­tungs­vol­le Auf­ga­ben und unmit­tel­ba­ren Kon­takt zu Pati­en­ten hat, was kei­ne Absen­kung der sozia­len Stel­lung bedeu­tet.

Pra­xis­re­le­van­te Hin­wei­se

Die Recht­spre­chung zeigt, dass eine Absen­kung der sozia­len Wert­schät­zung im Ein­zel­fall ange­nom­men wer­den kann, bei­spiels­wei­se bei der Ver­wei­sung eines Ret­tungs­as­sis­ten­ten auf die Tätig­keit eines Sach­be­ar­bei­ters im Ret­tungs­dienst oder eines Haupt­brand­meis­ters auf eine Tätig­keit im Feu­er­wehr­mu­se­um. In die­sen Fäl­len waren die neu­en Tätig­kei­ten deut­lich weni­ger anspruchs­voll oder öffent­lich­keits­wirk­sam.

Pra­xis­hin­weis

Das Urteil ver­deut­licht, dass eine Ver­wei­sung auf eine ande­re Tätig­keit im Rah­men der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung genau geprüft wer­den muss. Wich­tig sind die Ver­gleich­bar­keit der Aus­bil­dung, die Zumut­bar­keit der Ver­gü­tungs­dif­fe­renz und die sozia­le Wert­schät­zung der neu­en Tätig­keit. In die­sem Fall wur­de die Ver­wei­sung der Kran­ken­schwes­ter auf die Tätig­keit als Kauf­frau im Gesund­heits­we­sen als zumut­bar und ange­mes­sen ange­se­hen.

Für wei­te­re Fra­gen oder recht­li­che Bera­tung ste­hen wir Ihnen ger­ne zur Ver­fü­gung. Unse­re Kanz­lei ist spe­zia­li­siert auf Fäl­le der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung und hilft Ihnen, Ihre Rech­te durch­zu­set­zen.

Fazit aus die­sen Ent­schei­dun­gen

Ob eine neue beruf­li­che Tätig­keit den Anspruch auf BU-Leis­tun­gen gegen­über dem Ver­si­che­rer hin­dert, ist eine stets im Ein­zel­fall neu zu bewer­ten­de Fra­ge. Kommt der Ver­si­che­rer zu dem Ergeb­nis, dass eine neue Tätig­keit dem Bezug von BU-Leis­tun­gen ent­ge­gen­steht, muss die ent­spre­chen­de Mit­tei­lung des Ver­si­che­rers zur Leis­tungs­ein­stel­lung eine nach­voll­zieh­ba­re Begrün­dung ent­hal­ten.

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