Bei der Aus­ar­bei­tung von Arbeits­ver­trä­gen oder Dienst­ver­trä­gen für Geschäfts­füh­rer einer GmbH wird häu­fig der sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Sta­tus des Geschäfts­füh­rers außer Acht gelas­sen. Das böse Erwa­chen erfolgt dann, wenn nach einer Betriebs­prü­fung der Bescheid der Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger über die Bei­trags­for­de­run­gen der ver­gan­ge­nen 4 Kalen­der­jah­re ins Haus kommt.

I. Fall­grup­pen in der Rechts­spre­chung des BSG

Zu der Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht des Geschäfts­füh­rers einer GmbH liegt eine aus­dif­fe­ren­zier­te Rechts­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­rich­tes vor.

Neben den spe­zi­el­len Rege­lun­gen der ein­zel­nen Zwei­ge der Sozi­al­ver­si­che­rung regelt die »Gene­ral­klau­sel« des § 7 Abs. 1 SGB IV, wann eine sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäf­ti­gung vor­liegt. Anhalts­punk­te für eine Beschäf­ti­gung ist Tätig­kei­ten nach Wei­sung, eine Ein­glie­de­rung in den Arbeits­be­trieb eines Arbeit­ge­bers und das Feh­len eines »Unter­neh­mer­ri­si­kos«.

Wer in einem frem­den Betrieb beschäf­tigt ist, ist in die­sem Betrieb ein­ge­glie­dert und dabei hin­sicht­lich Zeit, Dau­er, Ort und Art sei­ner Arbeits­aus­füh­rung einem Wei­sungs­recht des Arbeit­ge­bers unter­lä­gen. Abzu­gren­zen ist dies fer­ner selb­stän­di­gen Tätig­keit, die im Wesent­li­chen durch ein eige­nes Unter­neh­mer­ri­si­ko beschrie­ben wird, eine eige­ne Betriebs­stät­te erfor­dert und die Frei­heit von einer Ein­glie­de­rung in einen frem­den Geschäfts­be­trieb vor­aus­setzt. Der Selb­stän­di­ge ist also gera­de nicht hin­sicht­lich Zeit, Dau­er, Ort und Art der Aus­füh­rung sei Tätig­kei­ten einem Wei­sungs­recht unter­le­gen.

Der geschäfts­füh­ren­de Gesell­schaf­ter einer GmbH ent­nimmt sei­nen sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Sta­tus im Wesent­li­chen dem bestehen­den Gesell­schafts­ver­trag einer­seits und dem schuld­recht­li­chen Geschäfts­füh­rer-Arbeits­ver­trag (Dienst­ver­trag) ande­rer­seits. Maß­geb­lich ist nach der Bespre­chung des BSG, ob der Geschäfts­füh­rer einem Wei­sungs­recht unter­liegt oder ob die­ser auf der Basis des Gesell­schafts­ver­tra­ges und sei­nem Geschäfts­füh­rer­ver­trag über die Rechts­macht ver­fügt, ihm unan­ge­neh­me Wei­sun­gen jeder­zeit zu ver­hin­dern.

Aus der Recht­spre­chung des BSG las­sen sich ver­schie­de­ne Fall­grup­pen bil­den:

  • 1. Der Fremd­ge­schäfts­füh­rer unter­liegt in jeder Hin­sicht den Wei­sun­gen der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung. Da er selbst nicht Gesell­schaf­ter ist, besteht auch kei­ne Mög­lich­keit, Wei­sun­gen zu ver­hin­dern. Der Fremd­ge­schäfts­füh­rer ist in jeder Hin­sicht sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig beschäf­tigt.
  • 2. Der Geschäfts­füh­rer mit zugleich einem Gesell­schafts­an­teil von 50 % wie­der­um ist auf­grund sei­ner gesell­schafts­recht­li­chen Rechts­macht jeder­zeit in der Lage, Beschlüs­se der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung zu bestim­men. Gegen das Stimm­recht die­ses Gesell­schaf­ters sind Ent­schei­dun­gen in der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung nicht mög­lich. Hier­aus folgt letzt­lich, dass ein Geschäfts­füh­rer, der zugleich als Gesell­schaf­ter min­des­tens 50 Pro­zent der Gesell­schafts­an­tei­le hält, stets selb­stän­dig tätig ist und nicht der Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht in den gesetz­li­chen Sozi­al­ver­si­che­rungs­zwei­gen unter­liegt.
  • 3. Der Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer, des­sen Gesell­schafts­an­teil weni­ger als 50 % beträgt, kann in der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung kei­nen bestim­men­den Ein­fluss aus­üben. Er kann über­stimmt wer­den. Damit besteht auch kei­ne Mög­lich­keit die­ses Min­der­heit-Gesell­schaf­ters, unan­ge­neh­me Wei­sun­gen, die er als Geschäfts­füh­rer erhält, zu beein­flus­sen. Der min­dert Gesell­schaf­ter, der zugleich Geschäfts­füh­rer ist, unter­liegt im Rah­men sei­ner Geschäfts­füh­rer­tä­tig­keit der Sozi­al­ver­si­che­rungs­pflicht.
  • 4. Wenn jedoch der Min­der­heits­ge­sell­schaf­ter, der zugleich Geschäfts­füh­rer ist, aus dem Gesell­schafts­ver­trag her­aus über eine Sperr­mi­no­ri­tät ver­fügt, so ist der sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Sta­tus neu zu bewer­ten.
    Erst recht gilt dies, wenn der Gesell­schafts­ver­trag bei unter­schied­li­cher Ver­tei­lung der Gesell­schafts­an­tei­le gleich­wohl Ein­stim­mig­keit bei der Ent­schei­dungs­fin­dung vorsieht.Das BSG for­dert, dass die­se Sperr­mi­no­ri­tät für den Min­der­heits­ge­sell­schaf­ter gesi­chert ist und ihm nicht etwa im Ein­zel­fall auch durch Mehr­heits­be­schluss der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung wie­der ent­zo­gen wer­den kann. Es muss also gesell­schafts­ver­trag­lich gere­gelt wer­den, dass auch der Ent­zug der Sperr­mi­no­ri­tät eben die­ser Sperr­mi­no­ri­tät unter­liegt, mit­hin durch den Min­der­heits­ge­sell­schaf­ter ver­hin­dert wer­den kann.

    Glei­ches gilt, wenn der Gesell­schaft Ver­trag die Ein­stim­mig­keit der Ent­schei­dung vor­sieht. Wenn die Ein­stim­mig­keit der Ent­schei­dungs­fin­dung ver­ein­bart ist, wäre auch ein Ent­zug der Ein­stim­mig­keit der Ent­schei­dungs­fin­dung gleich­falls nur ein­stim­mig mög­lich. Die Rech­te des Min­der­heits­ge­sell­schaf­ters sind also bei ver­ein­bar­ter Ein­stim­mig­keit der Ent­schei­dun­gen gesi­chert.

    Ob eine Ein­stim­mig­keit der Ent­schei­dungs­fin­dung oder eine Sperr­mi­no­ri­tät ver­ein­bart wird, soll­te Sie von der Fra­ge abhän­gig gemacht wer­den, ob gege­be­nen­falls noch wei­te­re Min­der­heits­ge­sell­schaf­ter auf­ge­nom­men wer­den sol­len. Ist im Gesell­schafts­ver­trag eine Ein­stim­mig­keit vor­ge­se­hen, kann auch ein Gesell­schaf­ter mit ganz gerin­ger Betei­li­gung Ent­schei­dun­gen der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung blo­ckie­ren. Wird eine Sperr­mi­no­ri­tät ab einer gewis­sen Betei­li­gungs­grö­ße ver­ein­bart, greift die­se Sperr­mi­no­ri­tät nur für den Gesellschafter/die Gesell­schaf­ter, die die­se Sperr­mi­no­ri­tät auch tat­säch­lich errei­chen.

    Nach­tei­lig ist in einer Kon­stel­la­ti­on mit Sperr­mi­no­ri­tät oder dem Erfor­der­nis der Ein­stim­mig­keit, dass dies auch zu einer Läh­mung bis hin zu einer voll­stän­di­gen Hand­lungs­un­fä­hig­keit der Gesell­schaft füh­ren kann. Dies gilt dann, wenn der Min­der­heits­ge­sell­schaf­ter eine ihm nicht geneh­me Ent­schei­dung der Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung zwar ver­hin­dern kann, zugleich aber eine alter­na­ti­ve Ent­schei­dung auf­grund sei­ner gerin­ge­ren Stim­men­an­tei­le gleich­falls nicht durch­set­zen kann.

 

II. Selb­stän­dig im Sin­ne der Sozi­al­ver­si­che­rung

Nach der Recht­spre­chung des BSG müs­sen die Rech­te des Min­der­heits­ge­sell­schaf­ters, die zu einer feh­len­den Wei­sungs­ab­hän­gig­keit als Geschäfts­füh­rer füh­ren, auf der Ebe­ne des Gesell­schafts­ver­tra­ges gere­gelt wer­den. Blo­ße schuld­recht­li­che Ver­ein­ba­run­gen bei­spiels­wei­se allein im Geschäfts­füh­rer­ver­trag oder ein schuld­recht­li­cher Ver­trag zur Stimm­bin­dung genü­ge nicht, um sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­lich einen selb­stän­di­gen Sta­tus zu begrün­den.

Für »Fami­li­en­ge­sell­schaf­ten« gel­ten inso­weit kei­ne Beson­der­hei­ten. Aus­drück­lich hat das Bun­des­so­zi­al­ge­richt sei­ne »Kopf-und-See­le«-Recht­spre­chung auf­ge­ge­ben, wonach der »Fir­men­se­ni­or« unab­hän­gig von sei­ner gesell­schafts­ver­trag­li­chen Rechts­macht die Geschi­cke der Gesell­schaft bestimmt und daher selbst­stän­dig ist.

 

III. Ver­jäh­rung von Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­gen

Es lohnt sich, bei der Gestal­tung von Arbeits- bzw. Dienst­ver­trä­gen von Geschäfts­füh­rern einer GmbH, die zugleich Gesell­schaf­ter der GmbH sind, auch die sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Pro­ble­me zu berück­sich­ti­gen. Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge ver­jäh­ren regel­mä­ßig nach 4 Kalen­der­jah­ren. Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge, die bei­spiels­wei­se im Dezem­ber 2017 noch gel­tend gemacht wer­den, kön­nen vom zustän­di­gen Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger noch rück­wir­kend bis ein­schließ­lich Janu­ar 2013 berech­net wer­den. Die finan­zi­el­le Belas­tung kann also erheb­lich sein.

 

Tho­mas Oede­ko­ven,
Rechts­an­walt
Fach­an­walt für Medi­zin­recht
Fach­an­walt für Sozi­al­recht
Wirt­schafts­me­dia­tor

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