Haf­tungs­ri­si­ken und (Un-)Sicherheiten beim Ver­si­che­rungs­schutz

Die D&O‑Versicherung (direc­tors and offi­cers insu­rance) gilt als wich­ti­ger Schutz­schild für Geschäfts­lei­tun­gen gegen per­sön­li­che Haf­tungs­ri­si­ken. Beson­ders im Fokus steht dabei die Fra­ge, ob und in wel­chem Umfang Ersatz­an­sprü­che des Insol­venz­ver­wal­ters wegen Insol­venz­ver­schlep­pung (§ 15b InsO) von der D&O‑Versicherung abge­deckt sind. Denn Geschäfts­füh­rer müs­sen bei Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder Über­schul­dung recht­zei­tig einen Insol­venz­an­trag stel­len und dür­fen kei­ne gesell­schafts­schä­di­gen­den Zah­lun­gen mehr leis­ten.

OLG Frankfurt/M. urteilt zuun­guns­ten der Geschäfts­füh­rung

Das Ober­lan­des­ge­richt Frankfurt/M. hat mit Urteil vom 05.03.2025 (Az. 7 U 134/23) fol­gen­des ent­schie­den: Ver­stößt ein Geschäfts­füh­rer wis­sent­lich gegen die soge­nann­te Insol­venz­an­trags­pflicht oder gegen das Zah­lungs­ver­bot nach Insol­venz­rei­fe – also gegen soge­nann­te „Kar­di­nal­pflich­ten“ –, kann die D&O‑Versicherung leis­tungs­frei sein.

Nach Ansicht des Gerichts reicht oft bereits die­se objek­ti­ve Pflicht­ver­let­zung, um auf eine wis­sent­li­che Pflicht­ver­let­zung zu schlie­ßen. Es genügt, wenn der Geschäfts­füh­rer die Insol­venz­rei­fe hät­te erken­nen müs­sen und sich bewusst dar­über hin­weg­ge­setzt hat, was aus Sicht des Gerichts bei die­sen zen­tra­len Pflich­ten regel­mä­ßig der Fall ist. Wei­te­re Indi­zi­en für ein Pflicht­wid­rig­keits­be­wusst­sein sind laut Urteil nicht erfor­der­lich.

Das bedeu­tet: Geschäfts­füh­rer lau­fen Gefahr, im Insol­venz­fall unver­si­chert zu sein, wenn ihnen auf die­sem argu­men­ta­ti­ven Weg über die Ver­let­zung einer Kar­di­nal­pflicht vor­ge­wor­fen wird, in wis­sent­li­cher Pflicht­ver­let­zung gehan­delt zu haben. Die­ses Urteil des OLG Frankfurt/M. ist jedoch noch nicht rechts­kräf­tig; der Bun­des­ge­richts­hof wird über die „end­gül­ti­ge“ Rechts­la­ge ent­schei­den.

Wis­sen­schaft­li­che Kri­tik: Dif­fe­ren­zier­te Betrach­tung gefor­dert

In der juris­ti­schen Fach­li­te­ra­tur wird der pau­scha­len Linie des OLG Frankfurt/M. wider­spro­chen: Danach (Tho­le ZIP 2025, 1363 ff.) kön­ne nicht jede Pflicht­ver­let­zung zugleich als bewuss­tes Han­deln gewer­tet wer­den. Ent­schei­dend sei stets, ob der Geschäfts­füh­rer tat­säch­lich erkannt hat, dass ein Insol­venz­grund vor­liegt und dass er ver­bo­te­ne Zah­lun­gen leis­tet. Tho­le kri­ti­siert, dass das Gericht die Beweis­last zulas­ten der Geschäfts­füh­rer ver­schiebt und auf indi­vi­du­el­le Umstän­de nicht aus­rei­chend ein­geht. Gera­de im Grau­be­reich zwi­schen erlaub­ten und ver­bo­te­nen Zah­lun­gen bestehe oft nur Fahr­läs­sig­keit, nicht aber zwangs­läu­fig Bewusst­sein und Vor­satz.

Prak­ti­sche Bedeu­tung und aktu­el­le Emp­feh­lun­gen

Die­se zuletzt Recht­spre­chung aus dem März 2025 ver­grö­ßert die Unsi­cher­hei­ten für die Geschäfts­füh­rung. Ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund der noch aus­ste­hen­den höchst­rich­ter­li­chen Ent­schei­dung emp­fiehlt sich fol­gen­des Vor­ge­hen:

  • Eine regel­mä­ßi­ge, lücken­lo­se Liqui­di­täts­kon­trol­le und sorg­fäl­ti­ge Doku­men­ta­ti­on sind uner­läss­lich.
  • Die D&O‑Versicherung darf nicht als allei­ni­ger Ret­tungs­an­ker betrach­tet wer­den. Geschäfts­lei­ter soll­ten ihre Kennt­nis­la­ge und Ent­schei­dungs­pro­zes­se im Zwei­fel klar doku­men­tie­ren.
  • Im Kri­sen­fall soll­te früh­zei­tig recht­li­cher Rat ein­ge­holt wer­den, um Haf­tungs­fal­len zu ver­mei­den.
  • Die wei­te­re Ent­wick­lung beim BGH bleibt abzu­war­ten. Indi­vi­du­el­le Deckungs­prü­fun­gen bei der D&O‑Versicherung sind in jedem Fall rat­sam.

Fazit

Geschäfts­füh­rer sehen sich der­zeit mit einer vom BGH nicht abschlie­ßend geklär­ten Rechts­la­ge zur D&O‑Deckung bei Insol­venz­ver­schlep­pung kon­fron­tiert. Bis zu einer end­gül­ti­gen Klä­rung durch den BGH ist Sorg­falt und früh­zei­ti­ge Absi­che­rung gebo­ten – auf den Ver­si­che­rungs­schutz allein soll­te sich nie­mand ver­las­sen.

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Über den Autor

  • Carsten Lange

    Cars­ten Lan­ge ist zuge­las­se­ner Rechts­an­walt seit 1996 und Fach­an­walt für Insol­venz­recht und für Steu­er­recht, zudem ist er aus­ge­bil­de­ter Wirt­schafts­me­dia­tor und Coach. Zum Anwalts­pro­fil