Wir möchten Sie im Rahmen der Abgas-Manipulation bei VW über betroffene Fahrzeuge, Auskunftsansprüche, eine mögliche Rückrufaktion, Gewährleistung, Betriebserlaubnis und Ermittlungen wegen Verdacht des Betruges informieren.

Betroffene Fahrzeuge

Um welche Fahrzeuge es sich genau handeln soll, ist bislang immer noch nicht vollständig geklärt. Dies dürfte vor allem daran liegen, dass VW noch keine entsprechende eigene Liste veröffentlicht hat. Einen ersten Überblick darüber, welche Fahrzeuge insgesamt betroffen sein sollen, gibt daher eine von der FAZ erstellte Übersicht:1

Audi

Insgesamt sind rund 2,1 Millionen Audis betroffen. Und zwar die Dieselmodelle der Baujahre 2009 bis 2014 von A1, A3, A4, A5, A6, Q3, Q5 und TT. Audi spricht von 577.000 Fahrzeugen, die in Deutschland betroffen sind. 2

Porsche

Der Sportwagenhersteller ist nach eigener Aussage nicht vom Abgas-Skandal betroffen. Zwar bietet auch Porsche inzwischen Dieselmotoren an, aber der manipulierte Vierzylinder-Motor sei bei Porsche nicht verwendet worden.

Skoda

Insgesamt sind 1,2 Millionen Sokdas betroffen. Fabia (Baujahre 2009 bis 2013), Roomster (Baujahre 2009 bis 2013), Octavia (Baujahre 2009 bis 2013) und Superb (Baujahre 2009 bis 2013).

Seat

Es gibt betroffene Modelle auch bei Seat. Welche das sind, ist noch nicht öffentlich. Seat spricht von 700.000 Autos.

Volkswagen

Insgesamt sind rund 5 Millionen Volkswagen betroffen. In Deutschland sind laut bisherigen VW-Angaben folgende Dieselmodelle der Baujahre 209 bis 2014 mit dem betroffenen Motor ausgestattet:

  • Golf VI,
  • Passat VII und
  • Tiguan I.

Ein VW-Sprecher hat dem ZDF zudem folgende Modelle bestätigt:

  • Polo,
  • Jetta und
  • Scirocco.

Auch Nutzfahrzeuge sind betroffen, zum Beispiel:

  • Caddy und
  • Transporter.

Da EA 189 laut VW eine Motorengruppe die 3-Zylinder-Motoren mit 1,2 Liter und 4-Zylinder-Motoren 1,6 Liter und 2,0 Liter Hubraum umfasst, beschreiben soll, ist nicht ausgeschlossen, dass auch kleinere Fahrzeuge betroffen sein könnten2, zudem auch Nutzfahrzeuge3.

Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs?

Der öffentlichen Diskussion ist zu entnehmen, dass der Verbraucher selbst wohl keine Möglichkeit haben dürfte, herauszufinden, ob sein Fahrzeug betroffen ist oder nicht. Daher besteht wohl nur die Möglichkeit, mit seinem Fahrzeug zum Händler zu fahren und den Fahrzeugschein vorzulegen.1 Zudem ist VW nach eigenen Aussagen bemüht, schnellstmöglich eine entsprechende Liste der von der Abgas-Affäre betroffenen Dieselfahrzeugen vorlegen zu können. Laut eines VW-Sprechers sollen die Händler ab der kommenden Woche aussagefähig sein, welche Fahrzeuge betroffen sind, zudem sollen alle betroffenen Halter angeschrieben werden.2

Ob und wann aber eine Liste vorgelegt wird und wann die Halter tatsächlich angeschrieben werden, bleibt einstweilen abzuwarten. Unter zeitlichen Gesichtspunkten gibt es keine Aussagen, auch der von VW am 29.09.2015 verkündete offizielle Aktionsplan hilft nicht weiter, in dem es heißt4:

„Die betroffenen Kunden werden in einem ersten Schritt informiert, dass das Abgasverhalten ihres Fahrzeugs in Kürze nachgebessert werden kann. Alle Fahrzeuge sind technisch sicher und fahrbereit.

Der Aktionsplan sieht vor, dass Volkswagen und die weiteren betroffenen Marken des Konzerns im Oktober den zuständigen Behörden die technischen Lösungen und Maßnahmen vorstellen. Die Kunden dieser Fahrzeuge werden in den nächsten Wochen und Monaten darüber informiert. Alle betroffenen Konzernmarken werden nationale Internetseiten schalten, wo sich Kunden über den aktuellen Stand der Dinge fortlaufend in Kenntnis setzen können.“

Unter rechtlichen Gesichtspunkten könnte es durchaus sinnvoll sein, auf die Veröffentlichung einer Liste o.ä. dann nicht zu warten, wenn mögliche Gewährleistungsansprüche zu verjähren drohen. Hier dürfte es angezeigt sein, entsprechende Auskünfte mit entsprechender Fristsetzung vom Händler zu verlangen und bei ausbleibender Reaktion weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. Die Frage, ob das eigene Fahrzeug betroffen ist, sollte möglichst schnell geklärt werden, um sich eventuelle Gewährleistungsansprüche – ungeachtet einer angekündigten Rückrufaktion – zu erhalten.

Gewährleistungsansprüche: Mangelbeseitigung durch Rückrufaktion?

Wie bereits im vorhergehenden Standpunkt vom 25.09.2015 dargelegt, dürften die betroffenen Fahrzeuge mit einem Sachmangel behaftet sein. Entsprechend der vorstehenden Ankündigung von VW vom 29.09.20154 soll in einem ersten Schritt informiert werden, dassdas Abgasverhalten ihres Fahrzeugs in Kürze nachgebessert werden kann“.

Was aber bedeutet das konkret?

Wird die installierte Software abgeschaltet oder so umprogrammiert, dass die einzuhaltenden Abgaswerte tatsächlich eingehalten werden? Sind zusätzliche technische Eingriffe erforderlich? Müssen weitere Komponenten verbaut werden? Klar jedenfalls dürfte sein, dass es sich erst einmal um den Versuch handeln dürfte, den Sachmangel zu beseitigen. Es stellt sich aber nach wie vor nicht nur die Frage, ob dies tatsächlich gelingen wird, sondern es erscheint fraglich, ob durch diese Maßnahmen nicht sogar weitere, neue Sachmängel entstehen werden.

So könnte nach der Beseitigung der abgassenkenden Manipulation an den Motoren und Katalysatoren der Kraftstoffverbrauch steigen. Denkbar sind ebenso Schäden durch einen geringeren Wiederverkaufswert der manipulierten Fahrzeuge, vor allem dann, wenn der Wagen infolge der Nachrüstung mehr Kraftstoff verbraucht. Nicht zuletzt könnte die Leistungsfähigkeit der Motoren durch die Nachrüstung betroffen sein.5 Zudem stellt sich die schon behandelte Frage eines steigenden „Adblue“-Verbrauchs einhergehend mit vermehrten Werkstattaufenthalten und Zusatzkosten.

Ob VW also durch Nacherfüllung im Rahmen einer möglichen Rückrufaktion neue Sachmängel schafft oder ob das Problem abschließend beseitigt werden kann, bleibt daher abzuwarten.

Daran, dass Gewährleistungsansprüche bestehen dürften, ändert eine angekündigte Rückrufaktion nichts. Im Gegenteil: Da nach wie vor gar nicht klar ist, wann und wie eine solche Aktion stattfinden kann und soll, stellt sich trotz des angekündigten Rückrufs auch die Frage der Verjährung möglicher Gewährleistungsansprüche. In Anbetracht des Umstands, dass Millionen Fahrzeuge in Deutschland betroffen sind, dürfte der Rückruf in mehreren Etappen und damit für jeden Kunden zeitlich unterschiedlich stattfinden, da die Kapazitäten der Händler nicht ausreichen dürften, um Arbeiten an allen Fahrzeugen „auf einen Schlag“ durchzuführen.

Gefährdung der Betriebserlaubnis und Zulassung betroffener Fahrzeuge?

Weitere Fragen bestehen im Zusammenhang mit der Betriebserlaubnis und der Zulassung der betroffenen Fahrzeuge.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) soll VW bis zum 07.10.2015 zur Erklärung aufgefordert haben, ob man sich in der Lage sieht, die Probleme an den Fahrzeugen zu beheben und bis wann die Dieselmotoren umgerüstet werden könnten, und zwar unter Vorlage eines verbindlichen Maßnahmen- und Zeitplans. Sollte Volkswagen diesen Plan nicht liefern und auch keine akzeptable Lösung präsentieren, würde die „letzte Konsequenz“, die das KBA angekündigt hat, so aussehen, dass die Zulassung entzogen wird und die Fahrzeuge dann weder bewegt noch verkauft werden dürften.6

Sollte dieser Fall eintreten, würde sich die Frage, ob ein Sachmangel vorliegt und dieser erheblich ist, sicherlich nicht mehr stellen und Gewährleistungsansprüche bestünden, soweit diese nicht verjährt sind.

Wichtig für den Verbraucher auch: Es müssen alle Autos ausnahmslos nachgerüstet werden. Ohne Änderungen am System erlischt nach Mitteilung des KBA die Betriebserlaubnis. Reagiere man also auf die zweimalige Aufforderungen des Herstellers oder Volkswagen nicht, das Auto in einer Werkstatt vorzuführen, würde sich die jeweilige Zulassungsbehörde einschalten. Sollte der Autohalter auch dann nicht reagieren, wird das Fahrzeug aus dem Verkehr gezogen.6

Ermittlungen wegen Verdacht des Betruges

Laut Presseveröffentlichungen wird nunmehr seitens der Staatsanwaltschaft Braunschweig auch wegen des Verdachts des Betruges ermittelt. Der Schwerpunkt der Ermittlungen liege auf dem Vorwurf, dass Fahrzeuge mit manipulierten Abgaswerten verkauft worden seien.7

Die strafrechtlichen Ermittlungen dürften für die Frage, ob ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung besteht, interessant und relevant sein.

Zusammenfassend lässt sich feststellen:

Zunehmend scheint sich die Einschätzung zu bestätigen, dass Gewährleistungsansprüche in Betracht kommen und auch ein Anfechtungsrecht nicht ausgeschlossen scheint. Zudem besteht im Hinblick auf die drohende Verjährung von Gewährleistungsansprüchen wohl schon jetzt entsprechender Handlungsbedarf, zumal weder geklärt ist, welche Fahrzeuge konkret betroffen sind, noch konkrete Pläne für Rückrufaktionen veröffentlicht wurden und überdies nicht klar ist, ob durch derartige Aktionen die Mangelhaftigkeit der Fahrzeuge abschließend beseitigt werden kann.

Wünschen Sie jetzt oder später eine weitergehende Prüfung möglicher Ansprüche oder möchten Sie über die weiteren Entwicklungen „auf dem Laufenden“ gehalten werden? Haben Sie ein Fahrzeug erworben und befürchten Sie, dass Ansprüche verjähren könnten, weshalb die Prüfung und gegebenenfalls Vornahme verjährungshemmender Maßnahmen gewünscht wird?

Schreiben Sie uns eine E-Mail oder rufen Sie uns an und wir werden uns umgehend mit Ihnen in Verbindung setzen. Gerne übernehmen wir für Sie in diesem Fall auch die rechtliche Vertretung.


Karsten Becker,
Rechtsanwalt

 

Am 03.10.2015 erschien zu diesem Standpunkt eine Forsetzung:
VW-Abgas-Manipulation: Ist Ihr Fahrzeug betroffen?

1 Artikel bei www.faz.net, Titel: „Volkswagen und der EA 189Habe ich einen VW-Schummelmotor?“, abgerufen am 30.09.2015, veröffentlicht am 22.09.2015 und fortlaufend aktualisiert unter der Internetadresse http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/vw-abgasskandal/betroffene-autos-im-vw-abgasskandal-13821503.html

2 Artikel bei www.handelsblatt.com, Titel: „Habe ich einen VW-Schummelmotor?“, abgerufen am 29.09.2015, veröffentlicht am 22.09.2015 und aktualisiert am 28.09.2015 unter der Internetadresse http://www.handelsblatt.com/finanzen/steuern-recht/recht/volkswagen-und-der-ea-189-habe-ich-einen-vw-schummelmotor/12353294.html

3 Artikel bei www.tagesschau.de, Titel: „Auch Nutzfahrzeuge von Manipulation betroffen“, abgerufen am 29.09.2015, veröffentlicht am 25.09.2015 unter der Internetadresse http://www.tagesschau.de/wirtschaft/vw-nutzfahrzeuge-101.html

4 Artikel bei www.volkswagenag.com, Titel: „Volkswagen AG stellt Aktionsplan zur Nachbesserung von Dieselfahrzeugen mit EA 189 EU5-Motoren vor“, abgerufen am 30.09.2015, veröffentlicht am 29.09.2015 unter der Adresse http://www.volkswagenag.com/content/vwcorp/info_center/de/news/2015/09/VW_Aktionsplan.html

5 Artikel bei www.zeit.de, Titel: „Regierung will Sammelklagen ermöglichen“, abgerufen am 29.09.2015, veröffentlicht am 28.09.2015 unter der Internetadresse http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-09/volkswagen-sammelklage-spritverbrauch-schaden

6 Artikel bei www.welt.de, Titel: „Wer seinen VW nicht drosselt, gefährdet Zulassung“, abgerufen am 29.09.2015, veröffentlicht am 28.09.2015 unter der Internetadresse http://www.welt.de/wirtschaft/article146978324/Wer-seinen-VW-nicht-drosselt-gefaehrdet-Zulassung.html

7 Artikel bei www.welt.de, Titel: „Ermittlungsverfahren gegen Winterkorn wegen Betrugs“, abgerufen am 29.09.2015, veröffentlicht am 28.09.2015 unter der Internetadresse http://www.welt.de/wirtschaft/article146948194/Ermittlungsverfahren-gegen-Winterkorn-wegen-Betrugs.html

Über den Autor

  • Karsten Becker

    Karsten Becker ist Rechtsanwalt seit 2009 und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Seine Fachgebiete sind Zivilrecht, Privatrecht, Mietrecht, WEG-Recht, Immobilienrecht, Kaufrecht, Werkvertragsrecht, Deliktsrecht und Reisevertragsrecht. Herr Becker ist seit Sommer 2019 nicht mehr für uns tätig.