I.

Ein Arzt­haf­tungs­pro­zess kann teu­er wer­den. Neben den Anwalts­kos­ten sind Gerichts­kos­ten und Kos­ten eines medi­zi­ni­schen Sach­ver­stän­di­gen zu zah­len. Gut, wenn dem Pati­en­ten dann eine Rechts­schutz­ver­si­che­rung zur Sei­te steht und die Kos­ten des Ver­fah­rens durch eine Deckungs­schutz­zu­sa­ge absi­chert.

Es geschieht jedoch bis­wei­len, dass der Recht­schutz­ver­si­che­rer den Deckungs­schutz ablehnt. Geschieht dies wegen feh­len­der oder nicht hinreichen­der Erfolgs­aus­sich­ten, so ist dies zumin­dest in Ver­fah­ren des Arzt­haf­tungs­rechts in den weit über­wie­gen­den Fäl­len nicht halt­bar.

 

II.

1.

Wer­den die hin­rei­chen­den Erfolgs­aus­sich­ten ver­neint, so muss zunächst geklärt wer­den, wann die Erfolgs­aus­sich­ten bestehen.

Zunächst muss der Stand­punkt des Ver­si­che­rungs­neh­mers objek­tiv ver­tret­bar sein muss. Er darf mit­hin nicht etwa unschlüs­sig sein. Schlüs­sig ist der Sach­vor­trag wie­der­um dann, wenn die kla­ge­be­grün­den­den Tat­sa­chen so genau vor­ge­tra­gen wer­den, dass sich aus der Gesamt­heit der Vor­trags das Kla­ge­be­geh­ren ohne Wei­te­res ergibt.

Im Arzt­haf­tungs­recht wird dies dem Pati­en­ten indes ganz erheb­lich dadurch erleich­tert, dass nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs die Sub­stan­ti­ie­rungs- und Kon­kre­ti­sie­rungs­pflich­ten eines Pati­en­ten im Rah­men eines Arzt­haf­tungs­rechts­strei­tes auf­grund des natur­ge­mäß gro­ßen Wis­sens­ge­fäl­les zwi­schen Arzt und Pati­en­ten stark redu­ziert sind. Der BGH spricht selbst von einer wei­test­ge­hen­den Annä­he­rung an die Amts­er­mitt­lungs­ver­pflich­tung eines Gerich­tes.

Die unmit­tel­bar aus der Ver­fas­sung her­ge­lei­te­ten Grund­sät­ze der Waf­fen­gleich­heit im Pro­zess bzw. des Anspruchs auf ein fai­res Gerichts­ver­fah­ren füh­ren im Arzt­haf­tungs­rechts­streit zu einer Redu­zie­rung der Sub­stan­ti­ie­rungs­pflicht und zu Erleich­te­run­gen im Rah­men der Beweis­last­ver­tei­lung. Im Arzt­haf­tungs­pro­zess sind an die Sub­stan­ti­ie­rungs­pflicht des kla­gen­den Pati­en­ten nur »maß­vol­le und ver­stän­di­ge Anfor­de­run­gen« zu stel­len, weil von ihm und dem Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten regel­mä­ßig kei­ne genau­en Kennt­nis­se der medi­zi­ni­schen Vor­gän­ge erwar­tet und gefor­dert wer­den kön­nen (stän­di­ge Recht­spre­chung des BGH, ver­glei­che NJW 2008, 2846; NJW 2004, 2825 und wei­te­re Nach­wei­se in Martis/Winkhart, Rand­zif­fer S 601).

Infol­ge­des­sen genügt es, wenn der Pati­ent den Ablauf der Behand­lung in gro­ben Zügen dar­stellt und angibt, dass sie miss­lun­gen ist, wor­in das Miss­lin­gen besteht und die Ver­dachts­grün­de mit­teilt, die eine vor­werf­ba­re Fehl­be­hand­lung wenigs­tens plau­si­bel erschei­nen las­sen (BGH, NJW 1981, 630).

Liegt ein ent­spre­chen­der Vor­trag vor, so hat das Gericht den fach­ärzt­li­chen Sorg­falts­maß­stab der betref­fen­den Fach­rich­tung mit­hil­fe eines medi­zi­ni­schen Sach­ver­stän­di­gen zu ermit­teln. Das Gericht kann die­sen Maß­stab regel­mä­ßig nicht allein auf­grund eige­ner Kennt­nis oder aus eige­ner recht­li­cher Beur­tei­lung her­aus fest­stel­len (stän­di­ge Recht­spre­chung, ver­glei­che nur OLG Saar­brü­cken, NJW-RR 2001, 671). Das Gericht kann sich dabei nicht dar­auf beschrän­ken, statt eines Sach­ver­stän­di­gen einen »sach­ver­stän­di­gen Zeu­gen« zu hören (OLG Koblenz, GesR 2005, 329). Erst recht kann das Gericht nicht etwa aus dem eige­nen Stu­di­um medi­zi­ni­scher Fach­li­te­ra­tur oder einer Inter­net­re­cher­che die erfor­der­li­chen Kennt­nis­se ein­ho­len. Viel­mehr ist im Arzt­haf­tungs­pro­zess der not­wen­di­ge Sach­ver­stän­di­gen­be­weis auch ohne Antrag einer Par­tei von Amts wegen zu erhe­ben (ein­hel­li­ge Mei­nung der Kom­men­tar­li­te­ra­tur, ver­glei­che Martis/Winkhard a.a.O.). Das Gericht ist ver­pflich­tet, durch For­mu­lie­rungs­hil­fen, ins­be­son­de­re durch mög­lichst prä­zi­se Fas­sung der Beweis­fra­gen dar­auf hin­zu­wir­ken, dass die Beweis­auf­nah­me auf die medi­zi­nisch wesent­li­chen Umstän­de aus­ge­rich­tet wird. Die dem Gut­ach­ten zugrun­de zu legen­den Anknüp­fungs­tat­sa­chen hat das Gericht dabei selbst zu ermit­teln (Martis/Winkhard a.a.O.).

Fest­zu­hal­ten ist somit, dass bei redu­zier­ter Sub­stan­ti­ie­rungs­ver­pflich­tung hin­sicht­lich des vor­zu­tra­gen­den Sach­ver­hal­tes letzt­lich die Anga­be des Pati­en­ten erfor­der­lich ist, dass eine ärzt­li­che Behand­lung statt­ge­fun­den hat, die­se nicht zum gewünsch­ten Ergeb­nis geführt hat, wofür wie­der­um ein Feh­ler des Arz­tes kau­sal sein soll, wobei letzt­lich der Feh­ler kon­kret zu benen­nen ist.

Erfüllt der Pati­ent die­se Vor­aus­set­zun­gen, so ist das Gericht letzt­lich ver­pflich­tet, Beweis durch Ein­ho­lung eines Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens zu erhe­ben.

2.

Die Rechts­schutz­ver­si­che­rer haben mit der Über­nah­me der For­mu­lie­rung der „hin­rei­chen­den Erfolgs­aus­sich­ten“ als Vor­aus­set­zung für eine Deckungs­schutz­zu­sa­ge aus den Vor­aus­set­zun­gen zur Gewäh­rung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe für mit­tel­lo­se Par­tei­en letzt­lich auch deren Vor­aus­set­zun­gen für den Deckungs­schutz im Rah­men des Rechts­schutz­ver­si­che­rungs­ver­tra­ges als maß­geb­lich aner­kannt. Durch die wort­ge­treue Über­nah­me der sach­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Bewil­li­gung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe haben die Rechts­schutz­ver­si­che­rer klar­ge­stellt, dass eine hin­rei­chen­de Erfolgs­wahr­schein­lich­keit erst dann zu beja­hen ist, wenn bei dem gege­be­nen Sach­ver­halt einer mit­tel­lo­sen Par­tei grund­sätz­lich auch Pro­zess­kos­ten­hil­fe zu gewäh­ren wäre.

Inso­weit ist dann aber auf die Ent­schei­dung des OLG Mün­chen, Beschluss vom 11.09.2014, Az. 1 W 1715/14 (Beck­RS 2014, 18393) zu ver­wei­sen. Nach dem ers­ten Leit­satz die­ser Ent­schei­dung darf Pro­zess­kos­ten­hil­fe für eine Kla­ge nicht »man­gels hin­rei­chen­der Erfolgs­aus­sich­ten ver­sagt wer­den, wenn eine Beweis­auf­nah­me im Kla­ge­ver­fah­ren ernst­haft in Betracht kommt, ohne dass kon­kre­te Anhalts­punk­te dafür bestehen, dass die­se mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit zum Nach­teil des (künf­ti­gen) Klä­gers aus­geht; eine Beweis­an­ti­zi­pa­ti­on im Pro­zess­kos­ten­hil­fe­ver­fah­ren ist nur in engen Gren­zen zuläs­sig«.

Wir erin­nern uns: Eine Beweis­auf­nah­me durch Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten muss im Arzt­haf­tungs­pro­zess schon auf­grund nur rudi­men­tä­ren Sach­vor­trags des Pati­en­ten durch geführt wer­den.

Im zwei­ten Leit­satz der Ent­schei­dung heißt es wei­ter: »Ange­sichts des hohen Maßes an Fach­kun­de, das zur sach­ge­mä­ßen Klä­rung der in Arzt­haf­tungs­pro­zes­sen auf­tre­ten­den medi­zi­ni­schen Fra­gen not­wen­dig ist, stellt eine im Pro­zess­kos­ten­hil­fe­ver­fah­ren ohne Bei­zie­hung sach­ver­stän­di­ger Hil­fe erfol­gen­de Beur­tei­lung sol­cher Fra­gen eine nicht mehr zuläs­si­ge Beweis­an­ti­zi­pa­ti­on dar«.

Mit­hin kann im Rah­men des Pro­zess­kos­ten­hil­fe­ver­fah­rens die hin­rei­chen­de Erfolgs­aus­sicht eines Arzt­haf­tungs­pro­zes­ses nicht ver­neint wer­den. Nach der Recht­spre­chung ist bei vor­ste­hend dar­ge­leg­tem redu­zier­tem Sach­vor­trag die Ein­ho­lung eines Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens selbst dann erfor­der­lich, wenn dies durch den Klä­ger nicht aus­drück­lich bean­tragt wur­de. Mut­ma­ßun­gen dafür, dass die­se Beweis­auf­nah­me als­dann mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit zum Nach­teil des Klä­gers aus­geht, kön­nen ange­sichts des hohen Maßes an Fach­kun­de, wel­ches zur Beant­wor­tung der dem Fall zugrun­de lie­gen­den medi­zi­ni­schen Fra­gen erfor­der­lich ist, im Vor­feld nicht getrof­fen wer­den.

In letz­ter Kon­se­quenz besteht dann, unter der Vor­aus­set­zung hin­rei­chend kon­kre­ten Sach­vor­trags, letzt­lich für Arzt­haf­tungs­pro­zes­se stets eine hin­rei­chen­de Erfolgs­aus­sicht im Sin­ne der Rege­lun­gen zur Pro­zess­kos­ten­hil­fe.

Dies wie­der­um führt aller­dings auch dazu, dass als­dann auch hin­rei­chen­de Erfolgs­aus­sicht im Rah­men eines bestehen­den Rechts­schutz­ver­si­che­rungs­ver­trags zu beja­hen ist.

Hin­rei­chend kon­kre­ter Sach­vor­trag des Pati­en­ten, der im Arzt­haf­tungs­pro­zess erheb­lich redu­ziert ist, führt somit zwin­gend zur Beweis­auf­nah­me des Gerich­tes durch Ein­ho­lung eines Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens. Die Anfor­de­run­gen an die­sen Sach­vor­trag des Pati­en­ten sind jedoch im Ver­gleich zu sons­ti­gen Fäl­len des Zivil­rechts erheb­lich redu­ziert. Eine Beweis­an­ti­zi­pa­ti­on vor einer Vor­la­ge des Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens dahin­ge­hend, dass die­ses Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit für den Pati­en­ten nach­tei­lig aus­geht, ist unzu­läs­sig. Somit besteht sowohl für ein Pro­zess­kos­ten­hil­fe­ver­fah­ren wie auch für einen bestehen­den Recht­schutz­ver­si­che­rungs­ver­trag hin­rei­chen­de Erfolgs­aus­sicht.

Eine Ver­sa­gung von Deckungs­schutz in der Rechts­schutz­ver­si­che­rung für eine Kla­ge eines Pati­en­ten dürf­te damit in den meis­ten Fäl­len nicht halt­bar sein.

 

Tho­mas Oede­ko­ven,
Rechts­an­walt
Fach­an­walt für Medi­zin­recht
Fach­an­walt für Sozi­al­recht
Wirt­schafts­me­dia­tor

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