Dies ist eine unglück­li­che Situa­ti­on für GmbH-Geschäfts­füh­rer und in die­sem Zusam­men­hang ist so mehr oder weni­ger alles strit­tig, abge­se­hen von der Bil­dung von Rück­stel­lun­gen und den Vor­aus­set­zun­gen hier­für.

Sach­ver­hal­te, in denen die­se The­ma­tik auf­tre­ten kann, sind viel­fäl­tig vor­stell­bar: Eine GmbH erhält von einem Ver­trags­part­ner eine Rech­nung über eine For­de­rung für eine Leis­tung und hält die­se For­de­rung und deren Begrün­dung für unge­recht­fer­tigt. Oder es wer­den gegen­über der GmbH, die z.B. Bau­leis­tun­gen erbracht hat, Scha­dens­er­satz­an­sprü­che wegen man­gel­haf­ter Leis­tung gel­tend gemacht. Die­se Man­gel­haf­tig­keit und damit der damit begrün­de­te Scha­dens­er­satz­an­spruch ste­hen zwi­schen den Betei­lig­ten im Streit:

Der­je­ni­ge, der den Anspruch stellt, meint, dass sei­ne For­de­rung berech­tigt sei. Die mög­li­cher­wei­se zah­lungs­pflich­ti­ge GmbH ist der Ansicht, dass sie nicht zah­len müs­se. Es liegt dem­nach eine strei­ti­ge Ver­bind­lich­keit vor.

Hier­zu steht unstrit­tig fest: Wenn die über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit und damit eine Wahr­schein­lich­keit von mehr als 51 % für eine Inan­spruch­nah­me spricht, ist eine Rück­stel­lung zu bil­den. Hier­mit erhö­hen sich die Ver­bind­lich­kei­ten auf der Pas­siv­sei­te der Bilanz.

Die nächs­te Kon­se­quenz ist: Wenn sich die Ver­bind­lich­kei­ten auf der Pas­siv­sei­te der Bilanz erhö­hen, stellt sich die Fra­ge der rech­ne­ri­schen Über­schul­dung und im Zuge der rech­ne­ri­schen Über­schul­dung wie­der­um die Fra­ge, ob eine insol­venz­recht­li­che Über­schul­dung nach § 19 Abs. 2 InsO vor­liegt.

Die insol­venz­recht­li­che Über­schul­dung ist zu ver­nei­nen, wenn die Fort­füh­rung des Unter­neh­mens in den nächs­ten 12 Mona­ten nach den Umstän­den über­wie­gend wahr­schein­lich ist. Und an die­ser Stel­le auf die Quint­essenz hier­für her­un­ter­ge­bro­chen: Die rech­ne­ri­sche Über­schul­dung liegt dann nicht vor, wenn aus einem aus­sa­ge­kräf­ti­gen und plau­si­blen Unter­neh­mens­kon­zept eine Finanz­pla­nung für die nächs­ten 12 Mona­te resul­tiert, die eine Zah­lungs­fä­hig­keit der GmbH aus­weist.

Und damit kom­men wir zur Kern­fra­ge, die sich sowohl für den Insol­venz­grund der Zah­lungs­un­fä­hig­keit als auch den der insol­venz­recht­li­chen Über­schul­dung stellt: Zu wel­chem Zeit­punkt ist die­se strit­ti­ge For­de­rung in die Liqui­di­täts­pla­nung ein­zu­stel­len?

Hier­zu gibt es unter­schied­li­che Mei­nun­gen von sofort in vol­ler Höhe über antei­lig nach dem Grad der Wahr­schein­lich­keit bis zu nicht zu berück­sich­ti­gen.

Der BGH hat in einem Urteil vom 23.01.2025 (IX ZR 229/22) fol­gen­de Bewer­tung für einen Sach­ver­halt vor­ge­nom­men, in dem ein vor­läu­fig voll­streck­ba­rer Titel über eine strei­ti­ge For­de­rung vor­lag:

„Zu berück­sich­ti­gen ist aller­dings, dass auch der Titel­gläu­bi­ger (Anm.: Klä­ger) die titu­lier­te For­de­rung für zwei­fel­haft hal­ten und aus die­sem Grund von einer Voll­stre­ckung aus dem noch nicht rechts­kräf­ti­gen Voll­stre­ckungs­ti­tel abse­hen kann. Des­halb ist der Schuld­ner erst dann gehal­ten, die For­de­rung in Höhe ihres Nenn­wer­tes bei der Beur­tei­lung der Zah­lungs­un­fä­hig­keit zu berück­sich­ti­gen, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für eine Voll­stre­ckung aus dem Titel vor­lie­gen und der Titel­gläu­bi­ger (Anm.: Klä­ger) die Voll­stre­ckung ein­ge­lei­tet hat.“

Der Bun­des­ge­richts­hof liegt dem­zu­fol­ge ein wesent­li­ches Augen­merk dar­auf, dass der Gläu­bi­ger auch nach Vor­lie­gen eines vor­läu­fig voll­streck­ba­ren Urteils zu sei­nen Guns­ten noch han­deln muss und die Erfül­lung ver­lan­gen muss. Danach ist der Schuld­ner erst dann gehal­ten, die For­de­rung in vol­ler Höhe ihres Nenn­wer­tes in die Liqui­di­täts­pla­nung ein­zu­stel­len, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für eine Voll­stre­ckung aus dem vor­läu­fig voll­streck­ba­ren Urteil vor­lie­gen und der Titel­gläu­bi­ger hier­aus die Voll­stre­ckung ein­ge­lei­tet hat.

Dies bedeu­tet im Umkehr­schluss: Erst wenn die­se Vor­aus­set­zung erfüllt sind, muss der Schuld­ner die For­de­rung bei der Beur­tei­lung der Zah­lungs­un­fä­hig­keit und damit im Rah­men sei­ner Liqui­di­täts­pla­nung berück­sich­ti­gen.
Dabei soll­te für Dau­er des Pro­zes­ses ein „Sicher­heits­netz“ der­ge­stalt gezo­gen wer­den, dass die For­de­rung, die gegen­über der GmbH gel­tend gemacht wird, mit Argu­men­ten bestrit­ten wird, die Aus­sicht auf Erfolg in Form einer Kla­ge­ab­wei­sung haben.

Der BGH trägt an die­ser Stel­le somit zur Erhel­lung der insol­venz­recht­li­chen Beur­tei­lung bei. Soweit dies­be­züg­lich auf Ihrer Sei­te Anmer­kun­gen und Rück­fra­gen bestehen, mel­den sich ger­ne bei mir unter lange@dhk-law.com oder tele­fo­nisch über mei­ne Mit­ar­bei­te­rin, Frau Pra­de­la (Tel.nr. 0241/94621–138).

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Über den Autor

  • Carsten Lange

    Cars­ten Lan­ge ist zuge­las­se­ner Rechts­an­walt seit 1996 und Fach­an­walt für Insol­venz­recht und für Steu­er­recht, zudem ist er aus­ge­bil­de­ter Wirt­schafts­me­dia­tor und Coach. Zum Anwalts­pro­fil