Mit Urteil vom 29.07.2015, Aktenzeichen B 12 KR 23/13 R, hat das Bundessozialgericht (BSG) klargestellt, dass die für das Arbeitsförderungsrecht entwickelte »Kopf und Seele«-Rechtsprechung bei der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung von mitarbeitenden Gesellschaftern nicht (mehr) heranzuziehen ist.

In den Entscheidungsgründen teilt des BSG dazu mit, dass man in der Vergangenheit zwar vereinzelt auf diese Rechtsprechung zurückgegriffen habe, hieran künftig jedoch nicht mehr festhalte. Die Zuordnung zu einem sozialversicherungsrechtlichen Status sei allein anhand rechtlicher Maßstäbe zu bewerten. Rein faktische und damit jederzeit änderbare Verhaltensweisen seien nicht geeignet, mit der notwendigen Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Tatbestände zu regeln. Hieraus würde eine »Schönwetter-Selbständigkeit« resultieren, die im Falle eines Zerwürfnisses der beteiligten Personen eine beliebige Beendigung finden würde.

In der überwiegenden Beratungspraxis tritt die veränderte Rechtsprechung bei Familien-GmbH auf. Nachfolgend soll erläutert werden, welche Auswirkungen diese Rechtsprechung auf die GmbH & Co. KG hat. Bei der GmbH & Co. KG herrscht vielfach der Irrglaube, dass alle Zahlungen an mitarbeitende Gesellschafter sozialversicherungsfrei wären, da es sich bei der GmbH & Co. KG letztlich um eine Personengesellschaft handelt. Diese Annahme ist falsch!

Die Konstruktion dieser Gesellschaftsform zielt darauf ab, die flexible Struktur der Personengesellschaft (Kommanditgesellschaft) mit dem Vorteil der Haftungsbeschränkung für alle Beteiligten (GmbH) zu verbinden. Die Besonderheit liegt insoweit darin, dass die Stellung des haftenden Gesellschafters, des Komplementärs, nicht von einer natürlichen Person bekleidet wird. Komplementär ist bei der GmbH & Co. KG die GmbH als juristische Person. Alsdann entspricht es den gesetzlichen Vorschriften, wenn die Geschäftsführung der KG der Komplementär-GmbH obliegt.

Wenn wir nun die Entscheidungsgründe des Urteils des BSG vom 29.07.2015 auf die Situation einer GmbH & Co. KG übertragen, so müssen wir differenzieren:

Denkbar ist

  • ein Fremdgeschäftsführer ohne Beteiligung an der KG oder der GmbH,
  • eine alleinige Beteiligung als Kommanditist an der KG,
  • eine alleinige Beteiligung an der Komplementär-GmbH sowie
  • eine gemeinsame Beteiligung an der KG und der Komplementär-GmbH.

 

1. Fremdgeschäftsführer ohne Beteiligung an der KG oder der GmbH

Einfach ist die Frage des sozialversicherungsrechtlichen Status bei dem Fremdgeschäftsführer ohne Beteiligung an der KG oder der GmbH zu beantworten. Diesem Fremdgeschäftsführer fehlt jedwede an einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzen würde, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm etwaig unangenehme Weisungen von Seiten der Gesellschafter zu verhindern. Der Fremdgeschäftsführer ohne Gesellschaftsbeteiligung ist in jeder Hinsicht von Weisungen der Gesellschafterversammlung abhängig ohne dass er selbst in der Gesellschafterversammlung Einfluss auf diese Weisungen nehmen könnte.

Der Fremdgeschäftsführer ohne Beteiligung an der KG oder der GmbH ist damit jedenfalls sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

 

2. Alleinige Beteiligung als Kommanditist an der KG

Beim Geschäftsführer, der ausschließlich als Kommanditist an der KG beteiligt ist, kann zunächst festgehalten werden, dass Vorwegentnahmen eines Kommanditisten, die im Rahmen der Aufteilung des Gewinns und des Verlustes aus dem Gesellschaftsverhältnis resultieren, kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt darstellen. Dies gilt auch dann, wenn auf den zu erwartenden Gewinn monatliche Vorwegentnahmen ausgezahlt werden. Allerdings wird man vereinbaren müssen, dass der Kommanditist diesen Gewinnvorab zurückzahlen muss, wenn nach Erstellung des Jahresabschlusses eine Überzahlung festgestellt wird. Hierin liegt auch der gewichtige Unterschied bei der Zahlung eines Gewinnvorab im Vergleich zur Zahlung eines Gehaltes. Ein überzahlter Gewinnvorab muss zurückgezahlt werden, gezahltes Gehalt nicht.

Für ein Geschäftsführergehalt des Kommanditisten und dessen sozialversicherungsrechtliche Beurteilung kommt es entscheidend auf den Gesellschaftsvertrag der KG an. Bei einer Beteiligung und Stimmrechtsverteilung, die einen bestimmenden Einfluss des Kommanditisten in der Gesellschafterversammlung sicherstellt, liegt eine selbständige Tätigkeit vor. Verfügt jedoch der Kommanditist über einen Gesellschaftsanteil unter 50 % oder ist keine Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag der KG vorgesehen, so liegt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor.

 

3. Alleinige Beteiligung an der Komplementär-GmbH

Der mitarbeitende Gesellschafter, der allein an der Komplementär-GmbH beteiligt ist, unterliegt der Statusprüfung, wie sie bereits aus der GmbH seit dem zitierten Urteil des BSG bekannt ist. Verfügt der Gesellschafter der Komplementär-GmbH über zumindest 50 % der GmbH-Anteile oder ist in dem dortigen Gesellschaftsvertrag eine Sperrminorität vereinbart, so liegt eine selbständige Tätigkeit vor. Verfügt der Gesellschafter über einen geringeren Gesellschaftsanteil, ohne dass eine Sperrminorität vereinbart ist, so sind die aus der Geschäftsführertätigkeit resultierenden Bezüge als sozialversicherungspflichtiges Entgelt zu werten.

Die aus der Geschäftsführertätigkeit resultierenden Bezüge sind ferner dann als sozialversicherungspflichtiges Entgelt zu werten, wenn im Rahmen des Gesellschaftsvertrages der KG eine (Mit-) Entscheidungsbefugnis der Kommanditisten vorgesehen ist, so dass der Gesellschafter der Komplementär-GmbH innerhalb der Gesellschafterversammlung der KG überstimmt werden kann.

Auch hier gilt indes, dass ein verrechenbarer Gewinnvorab, der seinen Ursprung nicht in der Geschäftsführertätigkeit, sondern in der Gesellschaftsbeteiligung hat, selbstverständlich sozialversicherungsfrei ausgezahlt werden kann.

 

4. Gemeinsame Beteiligung an der KG und der Komplementär-GmbH

Der mitarbeitende Gesellschafter/Geschäftsführer, der sowohl an der KG, wie auch an der GmbH beteiligt ist, unterliegt letztlich der gleichen sozialversicherungsrechtlichen Bewertung. Auch bei diesem Gesellschafter ist zu prüfen, ob dessen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und die damit verbundenen Stimmrechte ausreichend sind, um einen bestimmenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft auszuüben. Insoweit kann auf vorstehende Ausführungen verwiesen werden. Ein hinreichend bestimmender Einfluss liegt bei einer Beteiligung von 50 % oder einer gesellschaftsvertraglich vereinbarten Sperrminorität vor. Gewinnausschüttungen sind hiervon unabhängig sozialversicherungsfrei möglich.

 

Fazit

Letztlich muss die Sozialversicherungspflicht des mitarbeitenden Gesellschafters stets im Einzelfall geprüft werden. Seit der Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 29.07.2015 ist allerdings der Argumentationsspielraum für Zweifelsfälle kaum noch gegeben. Es kommt nach der Entscheidung des BSG nur noch auf die vertraglichen, rechtlichen Gegebenheiten an.

Eine fehlerhafte sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist teuer! Die Verjährungsfrist für Sozialversicherungsbeiträge beläuft sich auf vier volle Kalenderjahre. Gerade Gesellschaften mit älteren Gesellschaftsverträgen ist eine Überprüfung der Verträge dringend anzuraten.

 

 

Thomas Oedekoven,
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Wirtschaftsmediator

Über den Autor

  • Thomas Oedekoven

    Thomas Oedekoven ist zugelassen als Rechtsanwalt seit 2000 und Fachanwalt für Medizinrecht, Sozialrecht und für Versicherungsrecht. Zum Anwaltsprofil