»Jetzt stel­len Sie sich nicht so an…«

Das Ver­nä­hen einer Wun­de ohne ört­li­che Betäu­bung ist ein gro­ber Behand­lungs­feh­ler.

Das Kam­mer­ge­richt Ber­lin hat mit Urteil vom 13.10.2014 (Az. 20 U 224/12) fest­ge­stellt, dass das Ver­nä­hen einer Wun­de ohne ört­li­che Betäu­bung einen gro­ben Behand­lungs­feh­ler und eine vor­sätz­li­che Kör­per­ver­let­zung dar­stellt.

Nun soll­te man mei­nen, dass es für eine der­ar­ti­ge Fest­stel­lung kein Urteil eines Beru­fungs­ge­rich­tes in zwei­ter Instanz bedarf.

So ist denn auch das Wesent­li­che der Ent­schei­dung des Gerich­tes in Ber­lin nicht die Erkennt­nis, dass das Ver­nä­hen einer Wun­de eine ört­li­chen Betäu­bung erfor­dert. Wesent­lich sind viel­mehr die Aus­füh­run­gen des Gerich­tes zu den Fol­gen einer feh­ler­haf­ten ärzt­li­chen Doku­men­ta­ti­on.

Die Pati­en­tin wur­de am Fuß ope­riert. In der Fol­ge­zeit kam es zu einer Blu­tung der Ope­ra­ti­ons­wun­de. Die bereits anläss­lich der Ope­ra­ti­on ange­leg­te Naht wur­de noch­mals ver­näht. Zwi­schen der Pati­en­tin und dem beklag­ten Arzt war im Rah­men des Kla­ge­ver­fah­rens strei­tig, ob bei die­ser zwei­ten Naht der Fuß der Pati­en­tin lokal betäubt wur­de. Die Pati­en­tin hat im Rah­men des Kla­ge­ver­fah­rens vor­ge­tra­gen, eine Betäu­bung des Fußes sei nicht erfolgt. Der behan­deln­de Arzt hat dies bestrit­ten.

Das Kam­mer­ge­richt in Ber­lin hat hier­zu fest­ge­stellt, dass – ent­spre­chend den übli­chen Rege­lun­gen zur Beweis­last – die Pati­en­tin die Beweis­last für den Behand­lungs­feh­ler in Form der unter­blie­be­nen loka­len Betäu­bung des Fußes hat­te. Zeu­gen oder sons­ti­ge Beweis­mit­tel stan­den der Pati­en­tin nicht zur Ver­fü­gung. Aller­dings ist das Kam­mer­ge­richt Ber­lin gleich­wohl zum Ergeb­nis gelangt, dass die Pati­en­tin bewei­sen konn­te, dass eine loka­le Betäu­bung des Fußes nicht vor­ge­nom­men wur­de. Das Gericht hat sich auf die Doku­men­ta­ti­on des behan­deln­den Arz­tes bezo­gen. Dort war näm­lich die Ver­ab­rei­chung eines Lokal­an­äs­the­ti­kums nir­gend­wo ver­merkt.

Selbst wenn man davon aus­ge­hen wol­le, dass das noch­ma­li­ge Nähen einer Ope­ra­ti­ons­wun­de (Sekun­där­naht) als Rou­ti­ne­ein­griff nicht doku­men­ta­ti­ons­be­dürf­tig wäre, so sei doch erfor­der­lich, dass in der Doku­men­ta­ti­on des Behand­lungs­falls die ver­ab­reich­ten Medi­ka­men­te auf­ge­führt wer­den. Zumin­dest hät­te das ver­ab­reich­te Lokal­an­äs­the­ti­kum doku­men­tiert wer­den müs­sen. Dies war nach Auf­fas­sung des Gerich­tes medi­zi­nisch erfor­der­lich, da ande­ren­falls nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kön­ne, dass es bei der etwa­igen spä­te­ren Ver­ab­rei­chung ande­rer Medi­ka­men­te zu unge­woll­ten Wech­sel­wir­kun­gen kommt.

Da also in der Doku­men­ta­ti­on des Behand­lungs­falls kein Hin­weis auf eine ört­li­che Betäu­bung ent­hal­ten ist, sei davon aus­zu­ge­hen, dass eine sol­che auch tat­säch­lich nicht statt­ge­fun­den habe.

6000 Euro Schmer­zens­geld

Das Ver­nä­hen einer Wun­de ohne ört­li­che Betäu­bung stel­le einen gro­ben Behand­lungs­feh­ler dar. Das Gericht hielt ein Schmer­zens­geld hier­für in Höhe von 6000 Euro für ange­mes­sen.

Dem behan­deln­den Arzt wur­de ein Doku­men­ta­ti­ons­ver­säum­nis zum Ver­häng­nis. Es gilt der Grund­satz, dass das, was nicht in der Behand­lungs­do­ku­men­ta­ti­on doku­men­tiert ist, auch tat­säch­lich nicht statt­ge­fun­den hat.

Die Doku­men­ta­ti­on eines Behand­lungs­fal­les ist kein Wert an sich. Auch kann aus einer blo­ßen unter­blie­be­nen Doku­men­ta­ti­on kein Scha­dens­er­satz­an­spruch begrün­det wer­den. Ist aller­dings strei­tig, ob medi­zi­ni­sche Behand­lungs­maß­nah­men oder Unter­su­chun­gen durch­ge­führt wur­den, so ist die Behand­lungs­do­ku­men­ta­ti­on durch­aus maß­geb­lich. Doku­men­ta­ti­ons­be­dürf­tig ist dabei alles, was im Rah­men der wei­te­ren Behand­lung von medi­zi­ni­scher Rele­vanz ist. So hat das Kam­mer­ge­richt in Ber­lin in dem beschrie­be­nen Fall fest­ge­stellt, dass die Ver­ab­rei­chung eines Lokal­an­äs­the­ti­kum inso­weit von medi­zi­ni­scher Rele­vanz ist, als dass bei der Ver­ab­rei­chung spä­te­rer Medi­ka­men­te Wech­sel­wir­kun­gen auf­tre­ten könn­ten, wenn in Unkennt­nis eines zuvor ver­ab­reich­ten Betäu­bungs­mit­tels durch einen nach­be­han­deln­den Arzt Medi­ka­men­te ver­ab­reicht wer­den, die im Zusam­men­hang mit dem Betäu­bungs­mit­tel uner­wünsch­te Wech­sel­wir­kun­gen zei­gen.

Im Fal­le eines Rechts­strei­tes um einen (ver­meint­li­chen) ärzt­li­chen Behand­lungs­feh­ler ist somit auf Sei­ten des Pati­en­ten zu hin­ter­fra­gen, ob tat­säch­lich alle erfor­der­li­chen Behand­lungs­maß­nah­men doku­men­tiert sind. Glei­ches gilt aller­dings auch auf Sei­ten des behan­deln­den Arz­tes oder Kran­ken­hau­ses. Auch dort ist im Rah­men der Doku­men­ta­ti­on dar­auf zu ach­ten, dass alle medi­zi­nisch rele­van­ten Maß­nah­men, Unter­su­chun­gen, Befun­de und Medi­ka­men­te doku­men­tiert sind.

 


Tho­mas Oede­ko­ven,
Rechts­an­walt
Wirt­schafts­me­dia­tor
Fach­an­walt für Medi­zin­recht

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