Widerrufsrecht – wieder neu!

 

Ab dem Stichtag 13.06.2014 werden wieder einmal grundlegende Änderungen im Bereich des gesetzlichen Widerrufsrechts in Kraft treten. Diese Änderungen beruhen auf der EU-Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU), mit der die Europäische Union anstrebt, die Regeln für Geschäfte zwischen Unternehmern und Verbrauchern europaweit zu vereinheitlichen und zu einem hohen Verbraucherschutzniveau zu gelangen (sog. Vollharmonisierung). Das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Umsetzung dieser Verbraucherrichtlinie tritt am 13.06.2014 ohne Übergangsfrist in Kraft. Dies bedeutet, dass bis zum 12.06.2014 die alte Rechtslage gilt und ab dem 13.06.2014, 0:01 Uhr die neue Rechtslage. Da das Gesetz zu einigen Neuregelungen und Änderungen im deutschen Verbrauchsgüterkaufrecht führt, sind mithin alle Online-Händler gehalten, ihre Online-Angebote in der Nacht vom 12.06. auf den 13.06.2014 zu überarbeiten!

Das Gesetz betrifft auch alle anderen Fernabsatzverträge, Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, sowie Verträge über Finanzdienstleistungen. Der vorliegende Beitrag beleuchtet allerdings nur die Neuerungen im Online-Handel.

Änderungen zum 13.06.2014

 

1. Definition/ Anwendungsbereich

Zunächst ändert sich bereits die Definition des Verbrauchers an sich. Während als Verbraucher bislang jeder galt, der ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschloss, der weder seiner gewerblichen noch seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann, reicht es nunmehr, dass das Rechtsgeschäft, „überwiegend“ weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Tätigt eine Person ein Rechtsgeschäft mithin sowohl zu privaten als auch zu beruflichen Zwecken ist derjenige – anders als bisher – als Verbraucher anzusehen, so dass ihm ein Widerrufsrecht zusteht.

Sodann ändert sich die Definition, wann von einem Fernabsatzvertrag auszugehen ist. Während es bislang nur auf den Vertragsschluss ankam, setzt ein Fernabsatzvertrag nunmehr voraus, dass nicht nur der Vertragsschluss, sondern auch die Vertragsverhandlungen ausschließlich über Fernkommunikationsmittel getätigt werden. Dies wird in der Praxis jedoch voraussichtlich kaum Auswirkungen haben.

2. Informationspflichten

Künftig werden Unternehmern weitergehende Informationspflichten bei Verbraucherverträgen auferlegt. Einige der wichtigsten diesbezüglichen Änderungen sind:

  • Neben der Angabe von Name, Anschrift und Email-Adresse des Unternehmers ist nun auch die Angabe einer Telefonnummer verpflichtend.
  • Die genaue Angabe der akzeptierten Zahlungsmittel ist verpflichtend, wobei für den Verbraucher zumindest eine „gängige und zumutbare“ kostenfreie Zahlungsmöglichkeit zur Verfügung stehen muss.
  • Es ist ein Liefertermin anzugeben.
  • Es sind Informationen zum gesetzlichen Mängelhaftungsrecht zur Verfügung zu stellen sowie ggf. Informationen zu einem bestehenden Kundendienst, zu Kundendienstleistungen sowie zu Garantien.
  • Zudem ist ein Musterwiderrufsformular zur Verfügung zu stellen (siehe hierzu auch Ziffer 3).

3. Widerrufsrecht

Im Rahmen des Widerrufsrechts bringt das neue Gesetz wesentliche Änderungen mit sich. Die wichtigste Änderung ist sicherlich die Neu-Einführung eines europaweit einheitlichen Musters für den Widerruf. Die bisher bestehenden Widerrufsbelehrungen verlieren also mit Ablauf des 12.06.2014 ihre Gültigkeit und sind zwingend durch die neue Widerrufsbelehrung zu ersetzen.

Die Widerrufsfrist beträgt bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung weiterhin 14 Tage. Neu ist, dass das Widerrufsrecht in jedem Fall (also auch bei unterbliebener oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung) spätestens nach 12 Monaten und 14 Tagen erlischt und nicht mehr – wie bisher – „unendlich“ ausübbar ist.

Eine weitere wesentliche Änderung ist, dass die bloße Rücksendung der Ware in Zukunft nicht mehr zur Ausübung des Widerrufsrechts genügt, sondern dass eine ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Unternehmer zu erfolgen hat. In diesem Zusammenhang ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher ein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen, das dem Verbraucher die Möglichkeit geben soll, den Widerruf mit Hilfe dieses Formulars zu erklären. Die Nutzung dieses Formulars ist jedoch nicht zwingend. Vielmehr bleibt es dem Verbraucher überlassen, den Widerruf auch durch jede andere eindeutige Erklärung auszuüben. Nach dem neuen Gesetz kann dies sogar mündlich erfolgen, was aufgrund der dadurch entstehenden Beweisschwierigkeiten aber nicht zu empfehlen ist. Gibt der Online-Händler dem Verbraucher die Möglichkeit, ein Widerrufsformular z.B. auf der Online-Shopseite auszufüllen und elektronisch an den Händler zu übermitteln, ist der Händler nach dem Gesetz verpflichtet, dem Verbraucher den Zugang des Widerrufs unverzüglich (also wohl binnen 24 Stunden) per Email zu bestätigen.

Nach erklärtem Widerruf hat der Verbraucher die Ware dann binnen 14 Tagen zurückzusenden. Diese neue 14-Tages-Frist gilt grundsätzlich auch für den Unternehmer hinsichtlich der Rückzahlung des ggf. schon gezahlten Kaufpreises. Dem Unternehmer steht jedoch ein Zurückbehaltungsrecht zu, bis er die Ware zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Das neue Gesetz statuiert also – abweichend von der bisherigen Rechtslage – hinsichtlich der Rückgewährung der empfangenen Leistungen im Falle des Widerrufs eine Vorleistungspflicht des Verbrauchers. Neu ist auch die Verpflichtung des Unternehmers für die Rückzahlung dasselbe Zahlungsmittel zu verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat.

Auch hinsichtlich des Themas „Hin- und Rücksendekosten“, das in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war, sieht das Gesetz Neuregelungen vor.
Bezüglich der Hinsendekosten verbleibt es grundsätzlich bei der alten Regelung, dass diese im Falle des Widerrufs vom Unternehmer dem Verbraucher zu erstatten sind. Neu ist jedoch, dass diese Kosten für den Händler nunmehr „gedeckelt“ werden. Der Online-Händler muss nämlich nach dem neuen Gesetz nicht mehr zwingend die gezahlten Hinsendekosten erstatten, sondern „nur“ noch diejenigen, die bei dem von ihm angebotenen günstigsten Standardversand angefallen wären. Hinsichtlich vom Verbraucher ggf. gezahlter Express-Zuschläge oder ähnlichem besteht keine Erstattungspflicht des Händlers. Diese Mehrkosten verbleiben beim Verbraucher.

Die Rücksendekosten können nach erfolgtem Widerruf nunmehr dem Verbraucher auferlegt werden. Die bisherige „40 €-Regelung“ fällt ersatzlos weg. Alleinige Voraussetzung hierfür ist, dass der Unternehmer den Verbraucher von dieser Pflicht vor Vertragsschluss ordnungsgemäß unterrichtet hat. Dies kann im Rahmen der Widerrufsbelehrung erfolgen. Problematisch ist dies jedoch dann, wenn auch Waren vertrieben werden, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht auf dem normalen Postwege zurückgesandt werden können. In diesem Fall schreibt das Gesetz nämlich vor, dass die Kosten der Rücksendung angegeben werden müssen oder zumindest eine Obergrenze. Eine derartige für alle Waren gültige Angabe in der Widerrufsbelehrung dürfte in der Praxis bereits schwierig sein. Hinzu kommt, dass die neue Muster-Widerrufsbelehrung nach ihrem Wortlaut keine Kombination dieser Gestaltungsmöglichkeiten zulässt (also etwa eine Unterteilung in paketversandfähige und nicht-paketversandfähige Waren). Dies führt bei strenger Auslegung des neuen Gesetzes dazu, dass Online-Händlern, die sowohl paketversandfähige als auch nicht-paketversandfähige Waren vertreiben, eine gesetzeskonforme Belehrung und damit eine wirksame Abwälzung der Rücksendekosten auf den Verbraucher nicht möglich ist. In der Praxis wird vielen Online-Händlern daher nichts andere übrig bleiben, als von den Gestaltungshinweisen der Muster-Widerrufsbelehrung teilweise abzuweichen. Ob sich das damit verbundene Risiko realisiert, werden erst die Gerichtsentscheidungen der nächsten Jahre zeigen.

Erwähnt werden sollen noch drei weitere Änderungen:

  • Einen Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz für durch den Verbraucher bis zur Rücksendung der Ware gezogene Nutzungen der Ware schließt das Gesetz nun explizit aus. Der Verbraucher hat nur Wertersatz für evtl. Wertverlust der Ware zu erstatten, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war, und wenn der Verbraucher hierüber vor Vertragsschluss ordnungsgemäß belehrt wurde.
  • Online-Händler, die Hygiene-Artikel anbieten werden in Zukunft besser gestellt, da den Verbrauchern künftig kein Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren zusteht, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde.
  • Ein Erlöschen des Widerrufsrechts bei Downloads wird erstmals explizit geregelt. Zu diesem speziellen Thema lesen Sie bitte den Standpunkt zum Widerrufsrecht bei Download-Artikeln.

4. Bewertung und Ausblick

Gerade im Hinblick auf die stetige Zunahme der Bedeutung des Online-Handels stellt die europaweite Harmonisierung der Regelungen zum Verbraucherschutz ein wünschenswertes Ziel dar. Die EU-Verbraucherrechterichtlinie steckt jedoch noch in „Kinderschuhen“. Das deutsche Recht hat in diesem Bereich seit Inkrafttreten des Fernabsatzgesetzes im Juni 2000 eine Vielzahl von Änderungen durch Gesetzgebung und Rechtsprechung erfahren, mit denen immer wieder Probleme aus der Praxis behoben wurden. Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie stellt insofern sicherlich einen Rückschritt dar. Während die neuen Informationspflichten weitestgehend erfüllbar sind, sind die neuen Mustervorgaben für die Widerrufsbelehrung in der Praxis kaum umsetzbar. Nicht zuletzt aufgrund der Gefahr möglicher wettbewerbsrechtlicher Abmahnung durch Mitbewerber empfiehlt es sich daher, anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die Widerrufsbelehrung in möglichst gesetzesnaher Art und Weise an die Bedürfnisse in der Praxis anzupassen.

Aufgrund der offenkundigen Probleme im Zusammenhang mit der Umsetzung des neuen Rechts, ist davon auszugehen, dass auch dieses Gesetz in naher Zukunft durch Gesetzgebung und Rechtsprechung immer wieder geändert bzw. ausgeformt werden wird, so dass erneut mit einer sich rasch ändernden Rechtslage zu rechnen ist.

 

Dr. Vera I. Gronen, Rechtsanwältin

Fachgebiete:
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
Kauf- und Handelsrecht
EDV-Recht
Vertriebs- und Transportrecht

Über den Autor

  • Dr. Vera I. Gronen

    Dr. Vera I. Gronen ist zugelassene Rechtsanwältin seit 2002, Promotion an der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes. Ihre Fachgebiete sind Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht, Kauf- und Handelsrecht, EDV-Recht sowie Vertriebs- und Transportrecht. Zum Anwaltsprofil