I. Media­ti­on — eine Erwei­te­rung der Mög­lich­kei­ten

Die Media­ti­on als Mög­lich­keit der Kon­flikt­lö­sung außer­halb eines Rechts­strei­tes gewinnt zuneh­mend mehr Beach­tung. Dies ist erfreu­lich, da die Media­ti­on — im Unter­schied zu einem Rechts­streit — kei­nen »Gewin­ner und Ver­lie­rer« kennt, die Kon­flikt­par­tei­en viel­mehr selbst ein­ver­nehm­lich eine Lösung ihres Pro­blems erar­bei­ten und durch die­sen eigen­ver­ant­wort­li­chen Umgang mit der Kon­flikt­si­tua­ti­on letzt­lich alle gewin­nen.

Im Rah­men einer Media­ti­on führt ein Media­tor die Kon­flikt­par­tei­en durch ein struk­tu­rier­tes Ver­fah­ren zu einer eigen­stän­dig erar­bei­te­ten Lösung, ohne dass der Media­tor die­se Lösung vor­schlägt oder sonst kom­men­tiert. Die Auf­ga­be des Media­tors besteht ein­zig dar­in, die Par­tei­en durch das struk­tu­rier­te Ver­fah­ren zu einer eigen­ver­ant­wort­li­chen Lösung zu füh­ren.

Es soll nach­fol­gend auf­ge­zeigt wer­den, dass jen­seits der »klas­si­schen juris­ti­schen Metho­dik« mit der Media­ti­on — auch in den ver­schie­de­nen Berei­chen des Medi­zin­rechts — ein über­aus wirk­sa­mes Instru­ment vor­han­den ist, um eine Kon­flikt­lö­sung zu ermög­li­chen, die über eine blo­ße Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung hin­aus­geht.

II. Media­ti­on im Medi­zin­recht

Die Vor­tei­le der Media­ti­on zei­gen sich immer dort am deut­lichs­ten, wo es nicht rat­sam ist, »ver­brann­te Erde« zu hin­ter­las­sen, wo also ein Inter­es­se der Kon­flikt­par­tei­en an einer wei­te­ren Zusam­men­ar­beit besteht oder aber zumin­dest ein Inter­es­se besteht, eine been­de­te geschäft­li­che Bezie­hung nicht durch wei­te­re Strei­tig­kei­ten zu belas­ten.

Geeig­net für die Media­ti­on sind zudem emo­ti­ons­ge­la­de­ne Kon­flik­te, in denen Par­tei­en Posi­tio­nen aus emo­tio­na­len Grün­den (z.B. ver­letz­ter Stolz oder Zukunfts­angst) auf­recht­erhal­ten. In der Media­ti­on wer­den die­se emo­tio­na­len Gesichts­punk­te eines Kon­flik­tes gleich­falls berück­sich­tigt, kana­li­siert und damit der Weg für eine sach­ori­en­tier­te Lösung berei­tet.

Eben­falls eig­nen sich kom­ple­xe Strei­tig­kei­ten mit mehr als zwei Par­tei­en oder mit viel­schich­ti­ger Inter­es­sen­la­ge beson­ders für ein Media­ti­ons­ver­fah­ren. Anders als der Rich­ter hat der Media­tor die nöti­ge Zeit, um im Gespräch mit jeder Par­tei die kom­ple­xen Struk­tu­ren des Kon­flik­tes zu erfas­sen und gemein­sa­me Inter­es­sen und Zie­le der Par­tei­en her­aus­zu­ar­bei­ten.

Damit ist die Media­ti­on gera­de­zu prä­de­sti­niert, um Kon­flik­te inner­halb ärzt­li­cher Pra­xis­net­ze, Pra­xis­ge­mein­schaf­ten, (über­ört­li­chen) Berufs­aus­übungs­ge­mein­schaf­ten, Medi­zi­ni­schen Ver­sor­gungs­zen­tren und Kran­ken­häu­sern, aber auch zwi­schen Medi­zi­nern und Pati­en­ten zu lösen.

Die fol­gen­den exem­pla­ri­schen Über­le­gun­gen las­sen sich auf die jewei­li­gen Par­al­lel­fäl­le in den ver­schie­de­nen For­men ärzt­li­cher Zusam­men­schlüs­se über­tra­gen.

1. Media­ti­on in der Arzt­pra­xis

Bei Kon­flik­ten inner­halb einer Arzt­pra­xis besteht regel­mä­ßig ein gro­ßes Inter­es­se dar­an, schnell und mög­lichst geräusch­los zu einer Lösung eines Kon­flik­tes zu kom­men. Die Pra­xis ist gera­de auf­ge­baut oder gut im Markt ein­ge­führt. Die Pati­en­ten sind zufrie­den. Das Arzt-Pati­ent-Ver­hält­nis soll durch einen öffent­lich gemach­ten Kon­flikt nicht belas­tet wer­den, etc.

a) Pra­xis­part­ner vs. Pra­xis­part­ner

Der wesent­li­che Vor­teil eines Media­ti­ons­ver­fah­rens zeigt sich beim Streit zwei­er (oder auch meh­re­rer) Pra­xis­part­ner, die als Gesell­schaf­ter gemein­sam eine ärzt­li­che Pra­xis füh­ren.

Die Pra­xis­part­ner haben sich zunächst gut ver­stan­den, es bestand eine gemein­sa­me Ziel­rich­tung, in wel­che die Pra­xis ent­wi­ckelt wer­den soll­te (das Bei­spiel stellt eine Abwand­lung des Bei­spiels von Ponschab/Schweizer, Koope­ra­ti­on statt Kon­fron­ta­ti­on, 2. Auf­la­ge 2010, Sei­te 1 f., dar). Nach eini­gen Jah­ren der gemein­sa­men Arbeit lei­det die lang­jäh­ri­ge Freund­schaft der Pra­xis­part­ner und schlägt in erbit­ter­te Feind­schaft um.

Wie wird die­ser Fall „klas­sisch“ gelöst?

Einer der Gesell­schaf­ter sucht Hil­fe bei einem Rechts­an­walt. Die­sem schil­dert er die aus sei­ner Sicht uner­träg­li­che Situa­ti­on in der gemein­sa­men Pra­xis und Gesell­schaft, die sofort been­det wer­den soll, mög­lichst ohne dass er selbst nen­nens­wer­ten wirt­schaft­li­chen Scha­den erlei­det.

Der in Anspruch genom­me­ne Anwalt geht im Geis­te die mög­li­chen Anspruchs­grund­la­gen durch, ana­ly­siert den hier­für rele­van­ten Sach­ver­halt und sucht schließ­lich Anhalts­punk­te, um den oder die ande­ren Gesell­schaf­ter aus der Gesell­schaft zu drän­gen und die Gesell­schafts­an­tei­le der Pra­xis-GbR ein­zu­zie­hen.

Im Zuge der begin­nen­den Kor­re­spon­denz bedient sich »die Gegen­sei­te« als­bald gleich­falls anwalt­li­cher Hil­fe. Die­ser bemüht sich, mit grö­ße­rem Geschütz zurück zu schie­ßen. Irgend­wann fal­len in dem Bestre­ben, die Gegen­sei­te nie­der­zu­rin­gen, sämt­li­che Hem­mun­gen. Es fin­det sich das Schein­ar­beits­ver­hält­nis mit der Ehe­frau eines Pra­xis­ge­sell­schaf­ters, der auf Pra­xis­kos­ten ange­schaff­te, tat­säch­lich aber zuhau­se ste­hen­de PC, bis hin zur ver­meint­lich mani­pu­lier­ten Abrech­nung ärzt­li­cher Leis­tun­gen, so dass die Situa­ti­on schließ­lich durch die Ein­lei­tung ver­schie­dens­ter gericht­li­cher Ver­fah­ren, Selbst­an­zei­gen bei Finanz­amt, Kas­sen­ärzt­li­cher Ver­ei­ni­gung, Ärz­te­kam­mer, Staats­an­walt­schaft, etc. eska­liert.

Schluss­end­lich ste­hen die Part­ner einer vor­mals flo­rie­ren­den ärzt­li­chen Pra­xis vor dem Scher­ben­hau­fen ihrer beruf­li­chen Exis­tenz. Die ste­ti­gen Strei­tig­kei­ten haben sie zer­mürbt. Die Pra­xis wur­de ver­nach­läs­sigt und her­un­ter­ge­fah­ren. Die Strei­tig­kei­ten sind den Pati­en­ten nicht ver­bor­gen, die Pati­en­ten indes fern­ge­blie­ben. Und für die­sen Weg »gemein­sam in den Abgrund« wur­de auch noch ein nicht uner­heb­li­cher Geld­be­trag auf­ge­wen­det.

»Falsch« im eigent­li­chen Sin­ne waren die juris­ti­schen Bemü­hun­gen sicher­lich nicht. Im Inter­es­se der wei­te­ren beruf­li­chen Exis­tenz waren all die­se Bemü­hun­gen jedoch sicher­lich kon­tra­pro­duk­tiv. Wie sieht nun aber eine Lösung des Kon­flik­tes auf Gesell­schaf­ter­ebe­ne durch eine Media­ti­on aus?

Soweit sich die Pra­xis­part­ner für die Durch­füh­rung eines Media­ti­ons­ver­fah­rens ent­schie­den haben, wird es die ers­te Auf­ga­be des Media­tors sein, die tat­säch­li­chen Kon­flikt­the­men her­aus­zu­ar­bei­ten. Die­se mögen eine als unge­recht emp­fun­de­ne Ver­tei­lung der Arbeits­be­las­tung und damit ein­her­ge­hend eine als unge­recht emp­fun­de­ne Gewinn­ver­tei­lung sein, mög­li­cher­wei­se bestehen unter­schied­li­che Vor­stel­lun­gen über die wei­te­re Ent­wick­lung der Pra­xis, ein älte­rer Part­ner wür­de ger­ne etwas kür­zer tre­ten, ein jün­ge­rer Part­ner beklagt die schlech­te »Work-Life-Balan­ce«. Kurz: Es wer­den kei­ne Anspruchs­grund­la­gen gesucht, son­dern ers­te Grün­de für den auf­ge­tre­te­nen Kon­flikt und dar­aus resul­tie­rend die The­men der künf­ti­gen Gesprä­che for­mu­liert.

Im wei­te­ren Ver­lauf des struk­tu­rier­ten Media­ti­ons­ver­fah­rens ist es die Auf­ga­be des Media­tors, die Kon­flikt­par­tei­en dar­in zu unter­stüt­zen, die hin­ter die­sen erst­mals for­mu­lier­ten Posi­tio­nen ste­hen­den tat­säch­li­chen Bedürf­nis­se und Inter­es­sen der Kon­flikt­par­tei­en offen­zu­le­gen. Dabei mag sich bei­spiels­wei­se erge­ben, dass der eine hohe Arbeits­be­las­tung bekla­gen­de Part­ner A zuhau­se gegen­über dem Ehe­part­ner Schwie­rig­kei­ten hat, sei­ne lan­gen Arbeits­zei­ten zu recht­fer­ti­gen, wo doch Part­ner B »immer viel frü­her zuhau­se ist« und zudem die finan­zi­el­len Belas­tun­gen durch den pri­va­ten Haus­kauf drü­cken, der älte­re Part­ner mög­li­cher­wei­se gesund­heit­li­che Pro­ble­me hat, die eine Redu­zie­rung der Arbeits­be­las­tung erfor­der­lich machen, der jün­ge­re Part­ner sich ger­ne mehr um die Erzie­hung sei­ner Kin­der küm­mern möch­te, etc.

In jedem Fall wer­den im Ver­lauf der Media­ti­on Inter­es­sen der Kon­flikt­par­tei­en zur Spra­che kom­men, die zwar nicht von jedem der Betei­lig­ten geteilt wer­den müs­sen, über die sich aller­dings wesent­lich sinn­vol­ler und ziel­ge­rich­te­ter dis­ku­tie­ren lässt, als über das mög­li­che Schein­ar­beits­ver­hält­nis der Ehe­frau in der Pra­xis. Zugleich wird durch die Kon­zen­tra­ti­on auf die tat­säch­li­chen Inter­es­sen die ansons­ten zur Eska­la­ti­on von Kon­flik­ten füh­ren­de Ver­mi­schung von Sach­ebe­ne und Bezie­hungs­ebe­ne auf­ge­ho­ben und es dadurch den Par­tei­en ermög­licht, neben den eige­nen Inter­es­sen auch die Inter­es­sen »der Gegen­sei­te« anzu­er­ken­nen.

Wenn die eigent­li­chen Inter­es­sen der Kon­flikt­par­tei­en ein­mal offen zur Spra­che gebracht sind, ist man immer wie­der erstaunt, auf wel­che Lösungs­an­sät­ze die Kon­flikt­par­tei­en dann durch die beson­de­re Struk­tur des Media­ti­ons­ver­fah­rens kom­men. In unse­rem Bei­spiel wäre etwa die Ver­ein­ba­rung einer zusätz­li­chen Ver­gü­tung für die Über­nah­me von Manage­ment­auf­ga­ben, Teil­zeit­mo­del­le, Arbei­ten im »Home-Office«, Grün­dung von neu­en Koope­ra­tio­nen bis hin zu einer geord­ne­ten Auf­lö­sung einer mög­li­cher­wei­se doch nicht mehr funk­tio­nie­ren­den gemein­sa­men Pra­xis mög­lich.

Die Media­ti­on ist kei­ne blü­hen­de Wie­se, auf der sich alle Kon­flik­te in Wohl­ge­fal­len auf­lö­sen. Auch im Rah­men einer Media­ti­on mag sich her­aus­stel­len, dass die ein­zig sinn­vol­le Lösung eines Kon­flik­tes in der Tren­nung der Pra­xis­part­ner besteht. Der Vor­teil im Ver­gleich zu der zu Beginn geschil­der­ten »klas­si­schen Metho­de« besteht aller­dings dar­in, dass die­se Tren­nung ein­ver­nehm­lich und geord­net in einer selbst­be­stimm­ten Wei­se nach einem Fahr­plan erfolgt, den sich die Pra­xis­part­ner selbst gege­ben haben. Es wird kei­ne »ver­brann­te Erde« hin­ter­las­sen.

b) Pra­xis­in­ha­ber vs. Mit­ar­bei­te­rIn­nen

Gra­vie­ren­de Strei­tig­kei­ten und Kon­flik­te kön­nen auch zwi­schen den Pra­xis­in­ha­bern und den zumeist weib­li­chen Mit­ar­bei­te­rin­nen einer Arzt­pra­xis ent­ste­hen.

Der Strauß mög­li­cher Kon­flikt­fäl­le ist breit gefä­chert von A wie Arbeits­zeit bis Z wie Zeug­nis.

Die Aus­wir­kun­gen der­ar­ti­ger Kon­flik­te dür­fen nicht unter­schätzt wer­den. Der Erst­kon­takt des Pati­en­ten inner­halb einer Arzt­pra­xis erfolgt regel­mä­ßig über das Pra­xis­per­so­nal. Dies beginnt beim tele­fo­ni­schen Kon­takt zur Ver­ein­ba­rung eines Ter­mins und der Begrü­ßung des Pati­en­ten in der Pra­xis, geht über in die Beglei­tung des Pati­en­ten wäh­rend der ärzt­li­chen Behand­lung bis hin zur Aus­ga­be von Rezep­ten, Ver­ein­ba­rung von Nach­be­hand­lungs­ter­mi­nen nach Abschluss der jewei­li­gen ärzt­li­chen Behand­lung. Die damit ver­bun­de­ne Außen­wir­kung der Pra­xis darf kei­nes­falls unter­schätzt wer­den.

Der klas­si­sche Ablauf zur Behand­lung von der­ar­ti­gen Kon­flik­ten ist geprägt durch ein erheb­li­ches Über- und Unter­ord­nungs­ver­hält­nis. Häu­fig fehlt auf Sei­ten des Pra­xis­in­ha­bers und Arbeit­ge­bers die Bereit­schaft, dem eigent­li­chen Hin­ter­grund des Kon­flik­tes nach­zu­ge­hen. Die Pra­xis und damit auch das Per­so­nal hat »zu funk­tio­nie­ren«. Hin­zu kommt häu­fig genug ein gro­ßer Alters­un­ter­schied der Par­tei­en, so dass der beruf­li­che Streit durch die Ele­men­te eines Gene­ra­tio­nen­kon­flik­tes beein­flusst wird.

Ist indes die Kom­mu­ni­ka­ti­on ein­mal gestört, so wird viel­fach der Weg der Been­di­gung des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­ses gewählt. Vor­der­grün­dig unpro­ble­ma­tisch mag dies gelin­gen, wo das Kün­di­gungs­schutz­ge­setz kei­ne Anwen­dung fin­det. Wo indes das Kün­di­gungs­schutz­ge­setz Platz greift, wird der Pra­xis­in­ha­ber spä­tes­tens nach der ers­ten fehl­ge­schla­ge­nen Kün­di­gung vor einer zwei­ten Kün­di­gung anwalt­li­che Hil­fe in Anspruch neh­men.

Was tut nun der arbeits­recht­lich täti­ge Rechts­an­walt? Es wird in der bis­he­ri­gen Zusam­men­ar­beit nach tat­säch­li­chen oder ver­meint­li­chen Ereig­nis­sen gesucht, die als Kün­di­gungs­grund her­hal­ten kön­nen. Las­sen sich der­ar­ti­ge Grün­de nicht fin­den, so wer­den sie häu­fig genug erfun­den. Die Mit­ar­bei­te­rin wird mit Vor­wür­fen, Abmah­nun­gen und Kün­di­gungs­an­dro­hun­gen ein­ge­schüch­tert und schließ­lich zur Eigen­kün­di­gung oder zur Unter­zeich­nung einer Auf­he­bungs­ver­ein­ba­rung gedrängt.

In der Fol­ge­zeit jedoch wird der Pra­xis­in­ha­ber fest­stel­len, dass die­se Form der Aus­ein­an­der­set­zung an den wei­te­ren Mit­ar­bei­te­rin­nen der Pra­xis nicht spur­los vor­über­ge­gan­gen ist. Mög­li­cher­wei­se haben auch eini­ge Pati­en­ten das »schlech­te Betriebs­kli­ma« regis­triert und blei­ben der Pra­xis künf­tig fern.

Die Alter­na­ti­ve kann dar­in bestehen, mit der Mit­ar­bei­te­rin im Rah­men eines Media­ti­ons­ver­fah­rens an zwei bis drei Nach­mit­ta­gen die Grün­de für den Kon­flikt auf­zu­ar­bei­ten und gemein­sa­me Lösungs­we­ge zu suchen.

2. Im Kran­ken­haus

a) Ärz­te vs. Ver­wal­tung

Im Kran­ken­haus­be­reich tief ver­wur­zelt ist das Miss­trau­en zwi­schen der Ärz­te­schaft und der Kran­ken­haus­ver­wal­tung. Unge­bremst prallt das ärzt­li­che Selbst­ver­ständ­nis ins­be­son­de­re auf der Ebe­ne der Chef­ärz­te auf Vor­stän­de oder Ver­wal­tungs­di­rek­to­ren, die dem gestie­ge­nen Kos­ten­druck Rech­nung tra­gen müs­sen. Erschwert wird die Situa­ti­on durch die zumeist gänz­lich feh­len­de ein­heit­li­che Wil­lens­bil­dung auf Sei­ten der Chef­ärz­te.

Umstruk­tu­rie­rungs­maß­nah­men in Kran­ken­häu­sern, das Out­sour­cing vom Kli­ni­k­la­bor bis hin zur Wäsche­rei und sons­ti­ge »Chan­ge-Manage­ment-Pro­zes­se« füh­ren bei den unmit­tel­bar und mit­tel­bar betrof­fe­nen Per­so­nen zu einem erheb­li­chen Maß an Ver­un­si­che­rung. Die­ser Ver­un­si­che­rung muss Rech­nung getra­gen wer­den, um die Unru­he im Haus zu been­den. Auch in die­ser Situa­ti­on ist es erfor­der­lich, die Befürch­tun­gen und Ängs­te der Mit­ar­bei­ter zu hin­ter­fra­gen, die dahin­ter ste­hen­den Inter­es­sen­la­gen her­aus­zu­ar­bei­ten und die­se soweit als mög­lich bei den künf­ti­gen Pla­nun­gen zu berück­sich­ti­gen.

3. Arzt vs. Pati­ent

Auch im Bereich der Arzt­haf­tung hat die Media­ti­on ihre unbe­streit­ba­ren Vor­tei­le.

So lei­det bei­spiels­wei­se das Gut­ach­ter­ver­fah­ren bei den Ärz­te­kam­mern an der Anony­mi­tät des Ver­fah­rens. Die antrag­stel­len­den Pati­en­ten ver­keh­ren nur schrift­lich mit der Gut­ach­ter­kom­mis­si­on. Der Sach­ver­stän­di­ge setzt sich nicht per­sön­lich mit dem Pati­en­ten in Ver­bin­dung, geschwei­ge denn, dass es zu einem per­sön­li­chen Gespräch kom­men wür­de. Glei­ches gilt für das Ver­hält­nis der Par­tei­en unter­ein­an­der. Im Rah­men des Gut­ach­ter­ver­fah­rens kom­mu­ni­zie­ren die Par­tei­en des Ver­fah­rens maxi­mal mit der Gut­ach­ter­kom­mis­si­on, nicht jedoch mit­ein­an­der. Es ent­steht der Ein­druck eines büro­kra­ti­schen Ver­fah­rens an des­sen Ende ein Votum steht, des­sen Zu-Stan­de-Kom­men für kei­ne der betei­lig­ten Par­tei­en nach­voll­zieh­bar ist. Sofern der Pati­ent den Behand­lungs­feh­ler­vor­wurf nicht bestä­tigt fin­det, erfolgt zu häu­fig der (aus Sicht des Ver­fas­sers unzu­tref­fen­de) Vor­wurf, wonach »eine Krä­he der ande­ren kein Auge aus­hakt«.

Das Media­ti­ons­ver­fah­ren ist geeig­net, die­se Schwach­punk­te des Gut­ach­ter­ver­fah­rens aus­zu­räu­men. Der Pati­ent erhält die Gele­gen­heit, die aus sei­ner Sicht berech­tig­ten Beschwer­den gegen­über dem betei­lig­ten Arzt zu äußern. Der betei­lig­te Arzt wie­der­um erhält die Gele­gen­heit, dem Pati­en­ten unmit­tel­bar sein ärzt­li­ches Han­deln zu erläu­tern. Dem Media­tor obliegt dabei die Auf­ga­be, das gegen­sei­ti­ge Ver­ständ­nis der jeweils ande­ren Par­tei zu ermög­li­chen. »Klei­ne­re« Kon­flik­te über bei­spiels­wei­se ein als unäs­the­tisch emp­fun­de­nes Nar­ben­bild, über eine zu spät begon­ne­ne Behand­lung oder ver­meint­lich schlech­te Nach­sor­ge etc. las­sen sich auf die­sem Wege klä­ren, ohne dass sei­tens des Kran­ken­hau­ses zwin­gend nen­nens­wer­te Zah­lun­gen zu erbrin­gen sind aber auch ohne die sub­jek­tiv berech­tig­ten Beschwer­den des Pati­en­ten nur zurück­zu­wei­sen — ein für die Außen­dar­stel­lung eines Kran­ken­hau­ses nicht zu unter­schät­zen­der Fak­tor.

»Grö­ße­re« Vor­wür­fe, mit­hin ver­meint­li­che Behand­lungs­feh­ler mit schwer­wie­gen­den Fol­gen, las­sen sich im Rah­men der Media­ti­on ein­ver­nehm­lich einer gut­ach­ter­li­chen Bewer­tung zufüh­ren, bei der — je nach ver­ein­bar­tem Ver­fah­rens­ab­lauf — die Par­tei­en die Gele­gen­heit haben, den beur­tei­len­den Sach­ver­stän­di­gen per­sön­lich zu befra­gen. Eine Zustim­mung des Haft­pflicht­ver­si­che­rers zu die­sem Ver­fah­ren ist hier­bei indes zwin­gend erfor­der­lich, wobei idea­ler­wei­se ein Ver­tre­ter des Haft­pflicht­ver­si­che­rers gleich­falls an der Media­ti­ons­ver­hand­lung teil­nimmt.

III. Was unter­schei­det die Media­ti­on von dem »klas­si­schen« Ver­fah­ren der Kon­flikt­be­wäl­ti­gung?

1. Die „klas­si­sche“ juris­ti­sche Metho­de

Um etwa­ige Miss­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen: Die »klas­si­sche« juristische/anwaltschaftliche Metho­dik soll durch die vor­ste­hen­den Aus­füh­run­gen kei­nes­wegs kri­ti­siert wer­den. Es gibt eine Viel­zahl von Fäl­len, in denen das übli­che anwalt­li­che Vor­ge­hen mehr als berech­tigt ist und den gewünsch­ten Erfolg mit wirt­schaft­lich ver­nünf­ti­gem Auf­wand her­bei­führt. So ist es bei­spiels­wei­se unsin­nig, bei den Kon­flik­ten über nicht ver­gleichs­fä­hi­ge Streit­ge­gen­stän­de, ein Media­ti­ons­ver­fah­ren durch­zu­füh­ren. Dies betrifft bei­spiels­wei­se Sta­tus­ent­schei­dun­gen. Eine Media­ti­on ist auch dann über­flüs­sig, wenn eine Kon­flikt­par­tei­en ihre Ansprü­che ohne Mit­wir­kung der ande­ren Par­tei durch­set­zen kann und kein Inter­es­se dar­an besteht, die Grund­la­ge für künf­ti­ge Geschäfts­be­zie­hun­gen zu erhal­ten. Hängt die Klä­rung einer Streit­fra­ge und mög­li­cher »Neben­kriegs­schau­plät­ze« von einer grund­sätz­li­chen recht­li­chen Klä­rung ab, ist es durch­aus sinn­voll, die­se Grund­satz­fra­ge durch ein Gericht klä­ren zu las­sen, um somit einen Prä­ze­denz­fall zu schaf­fen. Lässt ein Streit kei­nen Auf­schub zu, weil sonst nicht wie­der­gut­zu­ma­chen­de Nach­tei­le für eine Kon­flikt­par­tei ent­stün­den, muss sei­tens des beauf­trag­ten Anwal­tes bei Gericht um einst­wei­li­gen Rechts­schutz ver­sucht wer­den.

Es gibt aller­dings auch eine Viel­zahl von Fall­ge­stal­tun­gen, in denen die »klas­si­sche juris­ti­sche Metho­dik« zu einer Eska­la­ti­on des Strei­tes führt.

Zur Erklä­rung die­ses Phä­no­mens ist es nötig, die juris­ti­sche Metho­de zu beleuch­ten.

Kern­auf­ga­be bei die­ser Metho­de ist es, aus dem dar­ge­bo­te­nen Lebens­sach­ver­halt die Infor­ma­tio­nen her­aus­zu­fil­tern, die nötig sind, um eine zuvor iden­ti­fi­zier­te Anspruchs­grund­la­ge für das Ver­lan­gen des Man­dan­ten mit Leben zu fül­len. Abs­trakt wer­den die Vor­aus­set­zun­gen gedank­lich auf­ge­zählt, unter die dann der im Man­dan­ten­ge­spräch dar­ge­bo­te­ne Sach­ver­halt sub­su­miert wird. Die Tei­le der Erzäh­lung des Man­dan­ten, die für die­se Sub­sum­ti­on nicht erfor­der­lich sind, wer­den aus­ge­blen­det, sofern der Man­dant über­haupt Gele­gen­heit erhält, der­ar­ti­ge Din­ge aus­führ­lich zu berich­ten. Der vor­ge­tra­ge­ne Lebens­aus­schnitt wird auf die juris­tisch rele­van­ten Sach­ver­hal­te redu­ziert, unter die in Betracht kom­men­den Rechts­nor­men sub­su­miert und die sich dann erge­ben­den Ansprü­che des Man­dan­ten im Rah­men einer Kla­ge­schrift dem Rich­ter vor­ge­legt.

Unglück­li­cher­wei­se ver­fährt die Gegen­sei­te eben­so. Auch dort wird der vor­ge­tra­ge­ne Lebens­sach­ver­halt auf die — zur Ver­nei­nung des Anspru­ches — rele­van­ten Sach­ver­hal­te redu­ziert, unter die in Betracht kom­men­den Rechts­nor­men sub­su­miert und im Rah­men einer Kla­ge­er­wi­de­rung dem Rich­ter vor­ge­legt. Bei­de Sei­ten ver­fah­ren vor­bild­lich nach der juris­ti­schen Metho­dik, wodurch jedoch der Kon­flikt nicht etwa gelöst wird. Er eska­liert viel­mehr.

2. Ver­hand­lungs- und lösungs­ori­en­tier­te Media­ti­on *

Dem­ge­gen­über ver­folgt die Media­ti­on einen ver­hand­lungs- und lösungs­ori­en­tier­ten Ansatz. Im Vor­der­grund des Media­ti­ons­ver­fah­rens steht ein sach­ori­en­tier­tes Ver­han­deln, wel­ches die eigent­li­chen Inter­es­sen der Kon­tra­hen­ten in den Mit­tel­punkt stellt und wel­chem eine Tren­nung von Sache und Per­son, eine Abkehr von Posi­tio­nen, eine Kon­zen­tra­ti­on auf Inter­es­sen, eine Ent­wick­lung von Optio­nen zu dem bei­der­sei­ti­gen Vor­teil und eine Bewer­tung die­ser Optio­nen nach objek­ti­ven Kri­te­ri­en zu Grun­de liegt.

a) Tren­nung von Sache und Per­son

Im Rah­men von Ver­hand­lun­gen wer­den regel­mä­ßig per­sön­li­che Bezie­hun­gen zwi­schen den Par­tei­en mit sach­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen ver­mengt. Wir nei­gen dazu, Men­schen und Pro­ble­me in einen Topf zu wer­fen. Ger­ne pro­ji­zie­ren wir den Ärger über eine bestimm­te Situa­ti­on zugleich auch auf die Per­son, die nach unse­rer Auf­fas­sung für die­se Situa­ti­on ver­ant­wort­lich ist.

Die Tren­nung von Sache und Per­son bedeu­tet nun nicht, dass die per­sön­li­chen Bezie­hun­gen gänz­lich außer acht gelas­sen wer­den. Im Rah­men der Media­ti­on erhal­ten die Par­tei­en durch die Gesprächs­füh­rung des Media­tors die Gele­gen­heit, sich in die Lage des gegen­über zu ver­set­zen. Dabei bedeu­tet das Ver­ständ­nis für den Stand­punkt der Gegen­sei­te nicht, dass man die­sen Stand­punkt zwin­gend teilt. Aller­dings hilft das Ver­ständ­nis für den Stand­punkt der Gegen­sei­te, den Ver­hand­lungs­spiel­raum zu erwei­tern.

b) Abkehr von Posi­tio­nen, Kon­zen­tra­ti­on auf Inter­es­sen

Im Rah­men eines Gerichts­ver­fah­rens erfolgt regel­mä­ßig ledig­lich eine Aus­ein­an­der­set­zung um Posi­tio­nen. Die eine Par­tei macht einen Zah­lungs­an­spruch in Höhe von 20.000,00 € gel­tend, die Gegen­par­tei lehnt einen sol­chen Anspruch ab. Gestrit­ten wird dann fol­ge­rich­tig nur um die Posi­ti­on »ich will 20.000,00 €« bzw. »ich zah­le nichts«.

Die Fra­ge, war­um eine Par­tei meint, einen finan­zi­el­len Anspruch zu haben bzw. war­um die Gegen­sei­te einen der­ar­ti­gen finan­zi­el­len Anspruch ver­neint, wird regel­mä­ßig nicht gestellt. Die Fra­ge nach dem »war­um« führt zu den eigent­li­chen Inter­es­sen der Kon­flikt­par­tei­en. Dabei spie­len die Grund­in­ter­es­sen eines jeden Men­schen sicher­lich eine gro­ße Rol­le. Die­se mensch­li­chen Grund­be­dürf­nis­se sind vor allem das Bedürf­nis nach Sicher­heit, wirt­schaft­li­chem Aus­kom­men, Aner­ken­nung, Grup­pen­zu­ge­hö­rig­keit und Selbst­be­stim­mung.

So wer­den sie bei­spiels­wei­se im Rah­men einer Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Gesell­schaf­tern einer Gemein­schafts­pra­xis um eine Ver­än­de­rung der Gewinn­aus­schüt­tung ver­stär­ken, dass ein Part­ner eine aus sei­ner Sicht feh­len­de Aner­ken­nung sei­ner Leis­tun­gen kom­pen­sie­ren möch­te oder dass ein höhe­res Maß an wirt­schaft­li­cher Sicher­heit für einen Part­ner erfor­der­lich ist.

c) Ent­wick­lung von Optio­nen und Bewer­tung die­ser Optio­nen nach objek­ti­ven Kri­te­ri­en

In den meis­ten Ver­hand­lungs­si­tua­ti­on ste­hen vier Hin­der­nis­se einer ver­nünf­ti­gen Lösung ent­ge­gen: Es wird ein vor­schnel­les Urteil getrof­fen, die Par­tei­en suchen nach der ein­zig rich­ti­gen Lösung, die Par­tei­en neh­men an, dass der Lösungs­stö­rung begrenzt ist und haben schließ­lich die Vor­stel­lung, dass die jewei­li­ge Gegen­sei­te ihre Pro­ble­me gefäl­ligst selbst lösen soll.

Das struk­tu­rier­te Ver­fah­ren einer Media­ti­on führt die Par­tei­en zu einer gemein­sa­men Ent­wick­lung von Lösungs­mög­lich­kei­ten des Kon­flikts. Eine wich­ti­ge Grund­re­gel dabei ist, dass zunächst nur Ideen ent­wi­ckelt wer­den, die­se Ideen jedoch nicht bereits bewer­tet wer­den die Bewer­tung von Ideen führt dazu, dass ein Gedan­ke vor­schnell fal­len gelas­sen wird, obwohl die­ser Gedan­ke mög­li­cher­wei­se Anknüp­fungs­punkt für neue Ideen hät­te sein kön­nen.

Erst zum Abschluss der Ideen­samm­lung bewer­ten die Par­tei­en gemein­sam die Lösungs­mög­lich­kei­ten und ent­wi­ckeln die aus­sichts­rei­chen Optio­nen wei­ter bis hin zur Lösung.

Die­se Grund­sät­ze sind es, die im Ver­bund mit der Struk­tur eines Media­ti­ons­ver­fah­rens einen Pro­zess der Kon­flikt­lö­sung in Gang set­zen, in wel­chem die Par­tei­en frei­wil­lig eine eigen­ver­ant­wort­li­che fall- und pro­blem­spe­zi­fi­sche Lösung ihres Pro­blems erar­bei­ten und — im Ver­lauf der Media­ti­on — neue gemein­sa­me Zie­le iden­ti­fi­zie­ren, die als Basis für eine gemein­sa­me Zusam­men­ar­beit die­nen.

* Aus­füh­run­gen basie­ren auf „Das Har­vard-Kon­zept“ von Fisher, Ury, Pat­ton


Tho­mas Oede­ko­ven, Rechts­an­walt

Fach­ge­bie­te
Wirt­schafts­me­dia­ti­on
Medi­zin­recht
Arzt­haf­tungs­recht
Sozi­al­recht
Ver­si­che­rungs- und Ver­kehrs­recht

News­let­ter-Anmel­dung

Ja, ich habe die Daten­schutz­er­klä­rung zur Kennt­nis genom­men und bin mit Absen­den des Kon­takt­for­mu­la­res mit der elek­tro­ni­schen Ver­ar­bei­tung und Spei­che­rung mei­ner Daten ein­ver­stan­den. Mei­ne Daten wer­den dabei nur streng zweck­ge­bun­den zur Bear­bei­tung und Beant­wor­tung mei­ner Anfra­ge benutzt.

Über den Autor