I. Mediation – eine Erweiterung der Möglichkeiten

Die Mediation als Möglichkeit der Konfliktlösung außerhalb eines Rechtsstreites gewinnt zunehmend mehr Beachtung. Dies ist erfreulich, da die Mediation – im Unterschied zu einem Rechtsstreit – keinen »Gewinner und Verlierer« kennt, die Konfliktparteien vielmehr selbst einvernehmlich eine Lösung ihres Problems erarbeiten und durch diesen eigenverantwortlichen Umgang mit der Konfliktsituation letztlich alle gewinnen.

Im Rahmen einer Mediation führt ein Mediator die Konfliktparteien durch ein strukturiertes Verfahren zu einer eigenständig erarbeiteten Lösung, ohne dass der Mediator diese Lösung vorschlägt oder sonst kommentiert. Die Aufgabe des Mediators besteht einzig darin, die Parteien durch das strukturierte Verfahren zu einer eigenverantwortlichen Lösung zu führen.

Es soll nachfolgend aufgezeigt werden, dass jenseits der »klassischen juristischen Methodik« mit der Mediation – auch in den verschiedenen Bereichen des Medizinrechts – ein überaus wirksames Instrument vorhanden ist, um eine Konfliktlösung zu ermöglichen, die über eine bloße Vergangenheitsbewältigung hinausgeht.

II. Mediation im Medizinrecht

Die Vorteile der Mediation zeigen sich immer dort am deutlichsten, wo es nicht ratsam ist, »verbrannte Erde« zu hinterlassen, wo also ein Interesse der Konfliktparteien an einer weiteren Zusammenarbeit besteht oder aber zumindest ein Interesse besteht, eine beendete geschäftliche Beziehung nicht durch weitere Streitigkeiten zu belasten.

Geeignet für die Mediation sind zudem emotionsgeladene Konflikte, in denen Parteien Positionen aus emotionalen Gründen (z.B. verletzter Stolz oder Zukunftsangst) aufrechterhalten. In der Mediation werden diese emotionalen Gesichtspunkte eines Konfliktes gleichfalls berücksichtigt, kanalisiert und damit der Weg für eine sachorientierte Lösung bereitet.

Ebenfalls eignen sich komplexe Streitigkeiten mit mehr als zwei Parteien oder mit vielschichtiger Interessenlage besonders für ein Mediationsverfahren. Anders als der Richter hat der Mediator die nötige Zeit, um im Gespräch mit jeder Partei die komplexen Strukturen des Konfliktes zu erfassen und gemeinsame Interessen und Ziele der Parteien herauszuarbeiten.

Damit ist die Mediation geradezu prädestiniert, um Konflikte innerhalb ärztlicher Praxisnetze, Praxisgemeinschaften, (überörtlichen) Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren und Krankenhäusern, aber auch zwischen Medizinern und Patienten zu lösen.

Die folgenden exemplarischen Überlegungen lassen sich auf die jeweiligen Parallelfälle in den verschiedenen Formen ärztlicher Zusammenschlüsse übertragen.

1. Mediation in der Arztpraxis

Bei Konflikten innerhalb einer Arztpraxis besteht regelmäßig ein großes Interesse daran, schnell und möglichst geräuschlos zu einer Lösung eines Konfliktes zu kommen. Die Praxis ist gerade aufgebaut oder gut im Markt eingeführt. Die Patienten sind zufrieden. Das Arzt-Patient-Verhältnis soll durch einen öffentlich gemachten Konflikt nicht belastet werden, etc.

a) Praxispartner vs. Praxispartner

Der wesentliche Vorteil eines Mediationsverfahrens zeigt sich beim Streit zweier (oder auch mehrerer) Praxispartner, die als Gesellschafter gemeinsam eine ärztliche Praxis führen.

Die Praxispartner haben sich zunächst gut verstanden, es bestand eine gemeinsame Zielrichtung, in welche die Praxis entwickelt werden sollte (das Beispiel stellt eine Abwandlung des Beispiels von Ponschab/Schweizer, Kooperation statt Konfrontation, 2. Auflage 2010, Seite 1 f., dar). Nach einigen Jahren der gemeinsamen Arbeit leidet die langjährige Freundschaft der Praxispartner und schlägt in erbitterte Feindschaft um.

Wie wird dieser Fall „klassisch“ gelöst?

Einer der Gesellschafter sucht Hilfe bei einem Rechtsanwalt. Diesem schildert er die aus seiner Sicht unerträgliche Situation in der gemeinsamen Praxis und Gesellschaft, die sofort beendet werden soll, möglichst ohne dass er selbst nennenswerten wirtschaftlichen Schaden erleidet.

Der in Anspruch genommene Anwalt geht im Geiste die möglichen Anspruchsgrundlagen durch, analysiert den hierfür relevanten Sachverhalt und sucht schließlich Anhaltspunkte, um den oder die anderen Gesellschafter aus der Gesellschaft zu drängen und die Gesellschaftsanteile der Praxis-GbR einzuziehen.

Im Zuge der beginnenden Korrespondenz bedient sich »die Gegenseite« alsbald gleichfalls anwaltlicher Hilfe. Dieser bemüht sich, mit größerem Geschütz zurück zu schießen. Irgendwann fallen in dem Bestreben, die Gegenseite niederzuringen, sämtliche Hemmungen. Es findet sich das Scheinarbeitsverhältnis mit der Ehefrau eines Praxisgesellschafters, der auf Praxiskosten angeschaffte, tatsächlich aber zuhause stehende PC, bis hin zur vermeintlich manipulierten Abrechnung ärztlicher Leistungen, so dass die Situation schließlich durch die Einleitung verschiedenster gerichtlicher Verfahren, Selbstanzeigen bei Finanzamt, Kassenärztlicher Vereinigung, Ärztekammer, Staatsanwaltschaft, etc. eskaliert.

Schlussendlich stehen die Partner einer vormals florierenden ärztlichen Praxis vor dem Scherbenhaufen ihrer beruflichen Existenz. Die stetigen Streitigkeiten haben sie zermürbt. Die Praxis wurde vernachlässigt und heruntergefahren. Die Streitigkeiten sind den Patienten nicht verborgen, die Patienten indes ferngeblieben. Und für diesen Weg »gemeinsam in den Abgrund« wurde auch noch ein nicht unerheblicher Geldbetrag aufgewendet.

»Falsch« im eigentlichen Sinne waren die juristischen Bemühungen sicherlich nicht. Im Interesse der weiteren beruflichen Existenz waren all diese Bemühungen jedoch sicherlich kontraproduktiv. Wie sieht nun aber eine Lösung des Konfliktes auf Gesellschafterebene durch eine Mediation aus?

Soweit sich die Praxispartner für die Durchführung eines Mediationsverfahrens entschieden haben, wird es die erste Aufgabe des Mediators sein, die tatsächlichen Konfliktthemen herauszuarbeiten. Diese mögen eine als ungerecht empfundene Verteilung der Arbeitsbelastung und damit einhergehend eine als ungerecht empfundene Gewinnverteilung sein, möglicherweise bestehen unterschiedliche Vorstellungen über die weitere Entwicklung der Praxis, ein älterer Partner würde gerne etwas kürzer treten, ein jüngerer Partner beklagt die schlechte »Work-Life-Balance«. Kurz: Es werden keine Anspruchsgrundlagen gesucht, sondern erste Gründe für den aufgetretenen Konflikt und daraus resultierend die Themen der künftigen Gespräche formuliert.

Im weiteren Verlauf des strukturierten Mediationsverfahrens ist es die Aufgabe des Mediators, die Konfliktparteien darin zu unterstützen, die hinter diesen erstmals formulierten Positionen stehenden tatsächlichen Bedürfnisse und Interessen der Konfliktparteien offenzulegen. Dabei mag sich beispielsweise ergeben, dass der eine hohe Arbeitsbelastung beklagende Partner A zuhause gegenüber dem Ehepartner Schwierigkeiten hat, seine langen Arbeitszeiten zu rechtfertigen, wo doch Partner B »immer viel früher zuhause ist« und zudem die finanziellen Belastungen durch den privaten Hauskauf drücken, der ältere Partner möglicherweise gesundheitliche Probleme hat, die eine Reduzierung der Arbeitsbelastung erforderlich machen, der jüngere Partner sich gerne mehr um die Erziehung seiner Kinder kümmern möchte, etc.

In jedem Fall werden im Verlauf der Mediation Interessen der Konfliktparteien zur Sprache kommen, die zwar nicht von jedem der Beteiligten geteilt werden müssen, über die sich allerdings wesentlich sinnvoller und zielgerichteter diskutieren lässt, als über das mögliche Scheinarbeitsverhältnis der Ehefrau in der Praxis. Zugleich wird durch die Konzentration auf die tatsächlichen Interessen die ansonsten zur Eskalation von Konflikten führende Vermischung von Sachebene und Beziehungsebene aufgehoben und es dadurch den Parteien ermöglicht, neben den eigenen Interessen auch die Interessen »der Gegenseite« anzuerkennen.

Wenn die eigentlichen Interessen der Konfliktparteien einmal offen zur Sprache gebracht sind, ist man immer wieder erstaunt, auf welche Lösungsansätze die Konfliktparteien dann durch die besondere Struktur des Mediationsverfahrens kommen. In unserem Beispiel wäre etwa die Vereinbarung einer zusätzlichen Vergütung für die Übernahme von Managementaufgaben, Teilzeitmodelle, Arbeiten im »Home-Office«, Gründung von neuen Kooperationen bis hin zu einer geordneten Auflösung einer möglicherweise doch nicht mehr funktionierenden gemeinsamen Praxis möglich.

Die Mediation ist keine blühende Wiese, auf der sich alle Konflikte in Wohlgefallen auflösen. Auch im Rahmen einer Mediation mag sich herausstellen, dass die einzig sinnvolle Lösung eines Konfliktes in der Trennung der Praxispartner besteht. Der Vorteil im Vergleich zu der zu Beginn geschilderten »klassischen Methode« besteht allerdings darin, dass diese Trennung einvernehmlich und geordnet in einer selbstbestimmten Weise nach einem Fahrplan erfolgt, den sich die Praxispartner selbst gegeben haben. Es wird keine »verbrannte Erde« hinterlassen.

b) Praxisinhaber vs. MitarbeiterInnen

Gravierende Streitigkeiten und Konflikte können auch zwischen den Praxisinhabern und den zumeist weiblichen Mitarbeiterinnen einer Arztpraxis entstehen.

Der Strauß möglicher Konfliktfälle ist breit gefächert von A wie Arbeitszeit bis Z wie Zeugnis.

Die Auswirkungen derartiger Konflikte dürfen nicht unterschätzt werden. Der Erstkontakt des Patienten innerhalb einer Arztpraxis erfolgt regelmäßig über das Praxispersonal. Dies beginnt beim telefonischen Kontakt zur Vereinbarung eines Termins und der Begrüßung des Patienten in der Praxis, geht über in die Begleitung des Patienten während der ärztlichen Behandlung bis hin zur Ausgabe von Rezepten, Vereinbarung von Nachbehandlungsterminen nach Abschluss der jeweiligen ärztlichen Behandlung. Die damit verbundene Außenwirkung der Praxis darf keinesfalls unterschätzt werden.

Der klassische Ablauf zur Behandlung von derartigen Konflikten ist geprägt durch ein erhebliches Über- und Unterordnungsverhältnis. Häufig fehlt auf Seiten des Praxisinhabers und Arbeitgebers die Bereitschaft, dem eigentlichen Hintergrund des Konfliktes nachzugehen. Die Praxis und damit auch das Personal hat »zu funktionieren«. Hinzu kommt häufig genug ein großer Altersunterschied der Parteien, so dass der berufliche Streit durch die Elemente eines Generationenkonfliktes beeinflusst wird.

Ist indes die Kommunikation einmal gestört, so wird vielfach der Weg der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewählt. Vordergründig unproblematisch mag dies gelingen, wo das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Wo indes das Kündigungsschutzgesetz Platz greift, wird der Praxisinhaber spätestens nach der ersten fehlgeschlagenen Kündigung vor einer zweiten Kündigung anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Was tut nun der arbeitsrechtlich tätige Rechtsanwalt? Es wird in der bisherigen Zusammenarbeit nach tatsächlichen oder vermeintlichen Ereignissen gesucht, die als Kündigungsgrund herhalten können. Lassen sich derartige Gründe nicht finden, so werden sie häufig genug erfunden. Die Mitarbeiterin wird mit Vorwürfen, Abmahnungen und Kündigungsandrohungen eingeschüchtert und schließlich zur Eigenkündigung oder zur Unterzeichnung einer Aufhebungsvereinbarung gedrängt.

In der Folgezeit jedoch wird der Praxisinhaber feststellen, dass diese Form der Auseinandersetzung an den weiteren Mitarbeiterinnen der Praxis nicht spurlos vorübergegangen ist. Möglicherweise haben auch einige Patienten das »schlechte Betriebsklima« registriert und bleiben der Praxis künftig fern.

Die Alternative kann darin bestehen, mit der Mitarbeiterin im Rahmen eines Mediationsverfahrens an zwei bis drei Nachmittagen die Gründe für den Konflikt aufzuarbeiten und gemeinsame Lösungswege zu suchen.

2. Im Krankenhaus

a) Ärzte vs. Verwaltung

Im Krankenhausbereich tief verwurzelt ist das Misstrauen zwischen der Ärzteschaft und der Krankenhausverwaltung. Ungebremst prallt das ärztliche Selbstverständnis insbesondere auf der Ebene der Chefärzte auf Vorstände oder Verwaltungsdirektoren, die dem gestiegenen Kostendruck Rechnung tragen müssen. Erschwert wird die Situation durch die zumeist gänzlich fehlende einheitliche Willensbildung auf Seiten der Chefärzte.

Umstrukturierungsmaßnahmen in Krankenhäusern, das Outsourcing vom Kliniklabor bis hin zur Wäscherei und sonstige »Change-Management-Prozesse« führen bei den unmittelbar und mittelbar betroffenen Personen zu einem erheblichen Maß an Verunsicherung. Dieser Verunsicherung muss Rechnung getragen werden, um die Unruhe im Haus zu beenden. Auch in dieser Situation ist es erforderlich, die Befürchtungen und Ängste der Mitarbeiter zu hinterfragen, die dahinter stehenden Interessenlagen herauszuarbeiten und diese soweit als möglich bei den künftigen Planungen zu berücksichtigen.

3. Arzt vs. Patient

Auch im Bereich der Arzthaftung hat die Mediation ihre unbestreitbaren Vorteile.

So leidet beispielsweise das Gutachterverfahren bei den Ärztekammern an der Anonymität des Verfahrens. Die antragstellenden Patienten verkehren nur schriftlich mit der Gutachterkommission. Der Sachverständige setzt sich nicht persönlich mit dem Patienten in Verbindung, geschweige denn, dass es zu einem persönlichen Gespräch kommen würde. Gleiches gilt für das Verhältnis der Parteien untereinander. Im Rahmen des Gutachterverfahrens kommunizieren die Parteien des Verfahrens maximal mit der Gutachterkommission, nicht jedoch miteinander. Es entsteht der Eindruck eines bürokratischen Verfahrens an dessen Ende ein Votum steht, dessen Zu-Stande-Kommen für keine der beteiligten Parteien nachvollziehbar ist. Sofern der Patient den Behandlungsfehlervorwurf nicht bestätigt findet, erfolgt zu häufig der (aus Sicht des Verfassers unzutreffende) Vorwurf, wonach »eine Krähe der anderen kein Auge aushakt«.

Das Mediationsverfahren ist geeignet, diese Schwachpunkte des Gutachterverfahrens auszuräumen. Der Patient erhält die Gelegenheit, die aus seiner Sicht berechtigten Beschwerden gegenüber dem beteiligten Arzt zu äußern. Der beteiligte Arzt wiederum erhält die Gelegenheit, dem Patienten unmittelbar sein ärztliches Handeln zu erläutern. Dem Mediator obliegt dabei die Aufgabe, das gegenseitige Verständnis der jeweils anderen Partei zu ermöglichen. »Kleinere« Konflikte über beispielsweise ein als unästhetisch empfundenes Narbenbild, über eine zu spät begonnene Behandlung oder vermeintlich schlechte Nachsorge etc. lassen sich auf diesem Wege klären, ohne dass seitens des Krankenhauses zwingend nennenswerte Zahlungen zu erbringen sind aber auch ohne die subjektiv berechtigten Beschwerden des Patienten nur zurückzuweisen – ein für die Außendarstellung eines Krankenhauses nicht zu unterschätzender Faktor.

»Größere« Vorwürfe, mithin vermeintliche Behandlungsfehler mit schwerwiegenden Folgen, lassen sich im Rahmen der Mediation einvernehmlich einer gutachterlichen Bewertung zuführen, bei der – je nach vereinbartem Verfahrensablauf – die Parteien die Gelegenheit haben, den beurteilenden Sachverständigen persönlich zu befragen. Eine Zustimmung des Haftpflichtversicherers zu diesem Verfahren ist hierbei indes zwingend erforderlich, wobei idealerweise ein Vertreter des Haftpflichtversicherers gleichfalls an der Mediationsverhandlung teilnimmt.

III. Was unterscheidet die Mediation von dem »klassischen« Verfahren der Konfliktbewältigung?

1. Die „klassische“ juristische Methode

Um etwaige Missverständnissen vorzubeugen: Die »klassische« juristische/anwaltschaftliche Methodik soll durch die vorstehenden Ausführungen keineswegs kritisiert werden. Es gibt eine Vielzahl von Fällen, in denen das übliche anwaltliche Vorgehen mehr als berechtigt ist und den gewünschten Erfolg mit wirtschaftlich vernünftigem Aufwand herbeiführt. So ist es beispielsweise unsinnig, bei den Konflikten über nicht vergleichsfähige Streitgegenstände, ein Mediationsverfahren durchzuführen. Dies betrifft beispielsweise Statusentscheidungen. Eine Mediation ist auch dann überflüssig, wenn eine Konfliktparteien ihre Ansprüche ohne Mitwirkung der anderen Partei durchsetzen kann und kein Interesse daran besteht, die Grundlage für künftige Geschäftsbeziehungen zu erhalten. Hängt die Klärung einer Streitfrage und möglicher »Nebenkriegsschauplätze« von einer grundsätzlichen rechtlichen Klärung ab, ist es durchaus sinnvoll, diese Grundsatzfrage durch ein Gericht klären zu lassen, um somit einen Präzedenzfall zu schaffen. Lässt ein Streit keinen Aufschub zu, weil sonst nicht wiedergutzumachende Nachteile für eine Konfliktpartei entstünden, muss seitens des beauftragten Anwaltes bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz versucht werden.

Es gibt allerdings auch eine Vielzahl von Fallgestaltungen, in denen die »klassische juristische Methodik« zu einer Eskalation des Streites führt.

Zur Erklärung dieses Phänomens ist es nötig, die juristische Methode zu beleuchten.

Kernaufgabe bei dieser Methode ist es, aus dem dargebotenen Lebenssachverhalt die Informationen herauszufiltern, die nötig sind, um eine zuvor identifizierte Anspruchsgrundlage für das Verlangen des Mandanten mit Leben zu füllen. Abstrakt werden die Voraussetzungen gedanklich aufgezählt, unter die dann der im Mandantengespräch dargebotene Sachverhalt subsumiert wird. Die Teile der Erzählung des Mandanten, die für diese Subsumtion nicht erforderlich sind, werden ausgeblendet, sofern der Mandant überhaupt Gelegenheit erhält, derartige Dinge ausführlich zu berichten. Der vorgetragene Lebensausschnitt wird auf die juristisch relevanten Sachverhalte reduziert, unter die in Betracht kommenden Rechtsnormen subsumiert und die sich dann ergebenden Ansprüche des Mandanten im Rahmen einer Klageschrift dem Richter vorgelegt.

Unglücklicherweise verfährt die Gegenseite ebenso. Auch dort wird der vorgetragene Lebenssachverhalt auf die – zur Verneinung des Anspruches – relevanten Sachverhalte reduziert, unter die in Betracht kommenden Rechtsnormen subsumiert und im Rahmen einer Klageerwiderung dem Richter vorgelegt. Beide Seiten verfahren vorbildlich nach der juristischen Methodik, wodurch jedoch der Konflikt nicht etwa gelöst wird. Er eskaliert vielmehr.

2. Verhandlungs- und lösungsorientierte Mediation *

Demgegenüber verfolgt die Mediation einen verhandlungs- und lösungsorientierten Ansatz. Im Vordergrund des Mediationsverfahrens steht ein sachorientiertes Verhandeln, welches die eigentlichen Interessen der Kontrahenten in den Mittelpunkt stellt und welchem eine Trennung von Sache und Person, eine Abkehr von Positionen, eine Konzentration auf Interessen, eine Entwicklung von Optionen zu dem beiderseitigen Vorteil und eine Bewertung dieser Optionen nach objektiven Kriterien zu Grunde liegt.

a) Trennung von Sache und Person

Im Rahmen von Verhandlungen werden regelmäßig persönliche Beziehungen zwischen den Parteien mit sachlichen Auseinandersetzungen vermengt. Wir neigen dazu, Menschen und Probleme in einen Topf zu werfen. Gerne projizieren wir den Ärger über eine bestimmte Situation zugleich auch auf die Person, die nach unserer Auffassung für diese Situation verantwortlich ist.

Die Trennung von Sache und Person bedeutet nun nicht, dass die persönlichen Beziehungen gänzlich außer acht gelassen werden. Im Rahmen der Mediation erhalten die Parteien durch die Gesprächsführung des Mediators die Gelegenheit, sich in die Lage des gegenüber zu versetzen. Dabei bedeutet das Verständnis für den Standpunkt der Gegenseite nicht, dass man diesen Standpunkt zwingend teilt. Allerdings hilft das Verständnis für den Standpunkt der Gegenseite, den Verhandlungsspielraum zu erweitern.

b) Abkehr von Positionen, Konzentration auf Interessen

Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens erfolgt regelmäßig lediglich eine Auseinandersetzung um Positionen. Die eine Partei macht einen Zahlungsanspruch in Höhe von 20.000,00 € geltend, die Gegenpartei lehnt einen solchen Anspruch ab. Gestritten wird dann folgerichtig nur um die Position »ich will 20.000,00 €« bzw. »ich zahle nichts«.

Die Frage, warum eine Partei meint, einen finanziellen Anspruch zu haben bzw. warum die Gegenseite einen derartigen finanziellen Anspruch verneint, wird regelmäßig nicht gestellt. Die Frage nach dem »warum« führt zu den eigentlichen Interessen der Konfliktparteien. Dabei spielen die Grundinteressen eines jeden Menschen sicherlich eine große Rolle. Diese menschlichen Grundbedürfnisse sind vor allem das Bedürfnis nach Sicherheit, wirtschaftlichem Auskommen, Anerkennung, Gruppenzugehörigkeit und Selbstbestimmung.

So werden sie beispielsweise im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen Gesellschaftern einer Gemeinschaftspraxis um eine Veränderung der Gewinnausschüttung verstärken, dass ein Partner eine aus seiner Sicht fehlende Anerkennung seiner Leistungen kompensieren möchte oder dass ein höheres Maß an wirtschaftlicher Sicherheit für einen Partner erforderlich ist.

c) Entwicklung von Optionen und Bewertung dieser Optionen nach objektiven Kriterien

In den meisten Verhandlungssituation stehen vier Hindernisse einer vernünftigen Lösung entgegen: Es wird ein vorschnelles Urteil getroffen, die Parteien suchen nach der einzig richtigen Lösung, die Parteien nehmen an, dass der Lösungsstörung begrenzt ist und haben schließlich die Vorstellung, dass die jeweilige Gegenseite ihre Probleme gefälligst selbst lösen soll.

Das strukturierte Verfahren einer Mediation führt die Parteien zu einer gemeinsamen Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten des Konflikts. Eine wichtige Grundregel dabei ist, dass zunächst nur Ideen entwickelt werden, diese Ideen jedoch nicht bereits bewertet werden die Bewertung von Ideen führt dazu, dass ein Gedanke vorschnell fallen gelassen wird, obwohl dieser Gedanke möglicherweise Anknüpfungspunkt für neue Ideen hätte sein können.

Erst zum Abschluss der Ideensammlung bewerten die Parteien gemeinsam die Lösungsmöglichkeiten und entwickeln die aussichtsreichen Optionen weiter bis hin zur Lösung.

Diese Grundsätze sind es, die im Verbund mit der Struktur eines Mediationsverfahrens einen Prozess der Konfliktlösung in Gang setzen, in welchem die Parteien freiwillig eine eigenverantwortliche fall- und problemspezifische Lösung ihres Problems erarbeiten und – im Verlauf der Mediation – neue gemeinsame Ziele identifizieren, die als Basis für eine gemeinsame Zusammenarbeit dienen.

* Ausführungen basieren auf „Das Harvard-Konzept“ von Fisher, Ury, Patton


Thomas Oedekoven, Rechtsanwalt

Fachgebiete
Wirtschaftsmediation
Medizinrecht
Arzthaftungsrecht
Sozialrecht
Versicherungs- und Verkehrsrecht

Über den Autor

  • Thomas Oedekoven

    Thomas Oedekoven ist zugelassen als Rechtsanwalt seit 2000 und Fachanwalt für Medizinrecht, Sozialrecht und für Versicherungsrecht. Zum Anwaltsprofil