Sym­po­si­um 4. Okto­ber 2019, Keio Uni­ver­si­tät, Tokio

Teil 1: Die Fol­gen für die Rechts­an­wäl­te

Gui­do Imfeld, Rechts­an­walt (DE-Aachen/­BE-Liè­ge), Vize­prä­si­dent der Rechts­an­walts­kam­mer Köln

Sehr geehr­ter Herr Vize-Minis­ter Tsu­ji, sehr geehr­te Exzel­len­zen, sehr geehr­te Frau Staats­se­kre­tä­rin Dr. Sud­hof, sehr geehr­ter Herr Dekan Pro­fes­sor Dr. Iwa­ta­ni, sehr geehr­ter Herr Prä­si­dent Dr. Gro­theer, sehr geehr­te Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, sehr geehr­te Damen und Her­ren,

Legal­Tech und Künst­li­che Intel­li­genz (KI) sind The­men, die aktu­ell im Fokus der öffent­li­chen Auf­merk­sam­keit ste­hen, nicht zuletzt auf­grund des OECD-Reports über den mas­si­ven Ver­lust von Arbeits­plät­zen von white-col­lar-jobs durch KI-gene­rier­te Auto­ma­ti­sie­rung. Geprägt wird die öffent­li­che Debat­te der­zeit von uto­pi­schen, häu­fig dys­to­pi­schen Sze­na­ri­en, die eine genaue Bestands­auf­nah­me und Refle­xi­on des­sen, was Legal­Tech und KI dar­stel­len und was sie zur Zeit und in abseh­ba­rer Zukunft leis­ten kön­nen, häu­fig gesell­schafts­kri­tisch über­la­gern. Gleich­zei­tig wer­den die Begrif­fe Legal­Tech und KI in der öffent­li­chen Debat­te syn­onym ver­wen­det. Dies ver­stellt den Blick auf die Chan­cen und Her­aus­for­de­run­gen, die hier­mit, ins­be­son­de­re für die Anwalt­schaft ver­bun­den sind.

Eine Begriffs­klä­rung tut daher Not. Sodann soll die Schnitt­stel­le von Legal­Tech und KI zum Beruf des Rechts­an­wal­tes reflek­tiert wer­den, um danach einen Aus­blick in die Zukunft nebst Hand­lungs­emp­feh­lung zu wagen.

  1. Stand­ort­be­stim­mung

Erlau­ben Sie mir, mich Ihnen vor­zu­stel­len, um deut­lich zu machen, aus wel­cher Per­spek­ti­ve ich zu Ihnen spre­che. Ich bin seit 1996 Rechts­an­walt und fast aus­schließ­lich im inter­na­tio­na­len Wirt­schafts­recht tätig, mit Schwer­punkt im deutsch-bel­gi­schen Recht, da ich in Aachen, Deutsch­land und Lüt­tich, Bel­gi­en als Rechts­an­walt zuge­las­sen bin. Gleich­zei­tig bin ich seit zwölf Jah­ren Vize­prä­si­dent der Rechts­an­walts­kam­mer Köln, die als fünft­größ­te der 28 Rechts­an­walts­kam­mern Deutsch­lands mit Stand 2018 12.876 der bun­des­weit 165.857 zuge­las­se­nen Anwäl­te als Mit­glie­der zählt.

Die deut­sche Anwalt­schaft ist geprägt von dem Prin­zip der Selbst­ver­wal­tung durch die regio­na­len Rechts­an­walts­kam­mern und ihrem Dach­ver­band, der Bun­des­rechts­an­walts­kam­mer. Die Rechts­an­wäl­te ste­hen nicht unter der Auf­sicht eines Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums. Sie sind daher unab­hän­gig, frei und selbst­ver­wal­tet.

Wenn ich heu­te zu Ihnen spre­che, dann auch als Part­ner einer mit­tel­stän­di­schen Kanz­lei mit ca. 20 Berufs­trä­gern, die den Her­aus­for­de­run­gen von Legal­Tech und KI aus­ge­setzt ist und die aus mei­ner Alters­per­spek­ti­ve noch ein Geschäfts­mo­dell ent­wi­ckeln muss, das für 20 Jah­re taugt, was in Kate­go­rien von Legal­Tech und KI eine Ewig­keit ist. Mein Sohn hat vor zwei Wochen sein Stu­di­um in Köln auf­ge­nom­men und braucht ein Geschäfts­mo­dell für die nächs­ten 45 Jah­re.

Als Vor­stand der Rechts­an­walts­kam­mer ver­tre­te ich die Inter­es­sen der Rechts­an­walt­schaft, die sich in Deutsch­land als Organ der Rechts­pfle­ge ver­steht und als sol­ches das Pri­vi­leg genießt, aber auch bean­sprucht, für ihre frei­be­ruf­li­chen Diens­te ein Mono­pol der Rechts­be­ra­tung nach Maß­ga­be des Rechts­dienst­leis­tungs­ge­set­zes zu haben. Dies gilt es aus der Sicht der Rechts­an­walt­schaft zu ver­tei­di­gen, um die Tätig­keit des Anwal­tes nicht auf eine stan­dar­di­sier­te und aus­tausch­ba­re Dienst­leis­tung, die nicht dem Gemein­wohl ver­pflich­tet ist, zu redu­zie­ren. Gleich­zei­tig eröff­nen Legal­Tech und KI durch Ska­lie­rung und die Ent­wick­lung neu­er, digi­tal­ba­sier­ter Geschäfts­mo­del­le die Mög­lich­keit, den Zugang für Rechts­su­chen­de zu bezahl­ba­ren Rechts­dienst­leis­tun­gen (access to jus­ti­ce) zu ver­bes­sern, eröff­net dadurch jedoch ein Kon­flikt­feld mit dem Rechts­be­ra­tungs­mo­no­pol der Anwäl­te.

Dabei muss berück­sich­tigt wer­den, dass die Mono­po­le frei­be­ruf­li­cher Dienst­leis­tun­gen für Ärz­te, Archi­tek­ten, Inge­nieu­re, Steu­er­be­ra­ter, Wirt­schafts­prü­fer und Rechts­an­wäl­te Gegen­stand eines gesell­schaft­li­chen Kon­sen­ses sind, der aber nicht selbst­ver­ständ­lich ist (bereits in unse­rem Nach­bar­land Schweiz gibt es kein Mono­pol der Anwäl­te für Rechts­be­ra­tung). Es genügt daher nicht, das Mono­pol zu ver­tei­di­gen, son­dern es muss auch im Sin­ne gesell­schaft­li­cher Akzep­tanz gerecht­fer­tigt wer­den. Des­halb dür­fen wir uns der Ent­wick­lung neu­er Geschäfts­mo­del­le, die inter­net-basier­te kos­ten­güns­ti­ge Rechts­dienst­leis­tun­gen, häu­fig unter Ver­ein­ba­rung eines den deut­schen Anwäl­ten ver­bo­te­nen Erfolgs­ho­no­rars, erbrin­gen und daher den Zugang ins­be­son­de­re von Kon­su­men­ten zum Recht in ein­fach gela­ger­ten Sach­ver­hal­ten gewähr­leis­ten, nicht reflex­ar­tig ver­schlie­ßen. Die­ses Span­nungs­ver­hält­nis gilt es zu reflek­tie­ren und aus­zu­hal­ten.

  1. Begriffs­be­stim­mung

Künst­li­che Intel­li­genz ist nicht gleich Legal­Tech. Legal­Tech ist letzt­lich kei­ne umwer­fen­de Neue­rung, son­dern der Ein­satz von digi­ta­li­sier­ten Werk­zeu­gen, die ana­lo­ge Werk­zeu­ge erset­zen. Anders dürf­te dies bei der Künst­li­chen Intel­li­genz sein, die geeig­net ist, die bis­he­ri­gen Prot­ago­nis­ten vom Markt zu ver­drän­gen.

2.1. Legal­Tech

Legal­Tech kann defi­niert wer­den als Stan­dar­di­sie­rung und Reprä­sen­ta­ti­on von Wis­sen in struk­tu­rier­ten, maschi­nen­ver­wert­ba­ren For­ma­ten, die dar­auf auf­bau­en­de Auto­ma­ti­sie­rung von Pro­zes­sen mit­tels Soft­ware und ver­netz­ten Com­pu­tern und — in letz­ter Fol­ge — die Dis­in­ter­me­dia­ti­on von insti­tu­tio­nel­len Akteu­ren, d. h. einen Pro­zess des Bedeu­tungs­ver­lus­tes von Ver­mitt­lern in einem Wirt­schafts­sys­tem, die ehe­mals den Zugang zu die­sem Wis­sen und sei­ner prak­ti­schen Anwen­dung mono­po­li­sier­ten.

Vor ca. 150 Jah­ren hat­te der Jurist sei­nen, hof­fent­lich schar­fen, Ver­stand, Papier, einen Stift und Gesetz­bü­cher sowie die übli­chen Kom­men­tie­run­gen oder Lehr­bü­cher. Der Stift wur­de irgend­wann durch die 1868 erfun­de­ne Schreib­ma­schi­ne ersetzt, die ihrer­seits durch elek­tri­sche Schreib­ma­schi­nen mit Kor­rek­tur­funk­tio­nen ver­bes­sert und schließ­lich durch den Com­pu­ter mit Text­ver­ar­bei­tungs­pro­gram­men ver­drängt wur­de. Das­sel­be gilt für Kopier­ma­schi­nen und Scan­ner, für Brief/Telefax und E‑Mail. Gesetz­bü­cher und Kom­men­ta­re wer­den durch Daten­ban­ken mit Such­funk­tio­nen ersetzt. Struk­tu­rell spre­chen wir über das Glei­che. Der Ersatz ana­lo­ger Werk­zeu­ge durch digi­ta­le führt zwar zu quan­ti­ta­ti­ven und qua­li­ta­ti­ven Ver­än­de­run­gen des anwalt­li­chen Beru­fes, zur Opti­mie­rung von Pro­zes­sen, letzt­lich aber nicht zu wirk­lich struk­tu­rel­len Umbrü­chen.

Mit die­sen Werk­zeu­gen lässt sich die juris­ti­sche Arbeit jedoch viel effek­ti­ver gestal­ten. Kos­ten wer­den redu­ziert, Qua­li­tät wird gestei­gert, gespei­cher­tes Wis­sen ist trans­pa­rent ver­füg­bar, Pro­zes­se und Stan­dard­fäl­le kön­nen ver­ein­heit­licht wer­den. Der demo­kra­ti­sche Zugang zu Daten­ban­ken ersetzt den limi­tier­ten Zugang zu eige­nen oder Uni­ver­si­täts­bi­blio­the­ken.

Gleich­zei­tig gibt es aber auch einen Rück­kopp­lungs­ef­fekt. Par­al­lel zu Zeit- und Kos­ten­ef­fi­zi­enz-Vor­tei­len bzw. eigent­lich infol­ge­des­sen wächst der Kos­ten- und Zeit­druck auf die Anwäl­te dra­ma­tisch. Erwünscht ist Feed­back in Echt­zeit. Vie­le Unter­neh­men for­dern über elek­tro­ni­sche Medi­en (E‑Mail, Sky­pe, Han­dy) eine per­ma­nen­te Ver­füg­bar­keit des Anwalts. Und da dies anders als frü­her jetzt tech­nisch mög­lich ist, wird es auch sei­tens der Man­dan­ten vor­aus­ge­setzt. Ich erin­ne­re mich an eine Dis­kus­si­on in Lil­le mit dem CEO eines gro­ßen fran­zö­si­schen Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­kon­zerns, der es als selbst­ver­ständ­lich ansah, dass sein Anwalt ihm auch sams­tags um 22:00 Uhr ant­wor­tet, wenn er eine Fra­ge hat. Mei­ner Ant­wort, dass ich ihm um die­se Uhr­zeit jeder­zeit aus etwa­iger Unter­su­chungs­haft hel­fen wür­de, jedoch bei einer ersicht­lich nicht drin­gen­den Fra­ge even­tu­ell erst am kom­men­den Mon­tag ant­wor­ten wür­de, begeg­ne­te er mit völ­li­gem Unver­ständ­nis. Das Kon­zept des unab­hän­gi­gen Anwalts, der dem Man­dan­ten auf Augen­hö­he begeg­net, war ihm ersicht­lich fremd. Die Unab­hän­gig­keit unse­res Berufs­stan­des schwin­det, auch teil­wei­se das Anse­hen. Eta­blier­te gesetz­li­che Hono­rie­rungs­mo­del­le wie das deut­sche Rechts­an­walts­ver­gü­tungs­ge­setz, das Min­dest­stan­dards der Abrech­nung zumin­dest noch bei gericht­li­chen Ver­fah­ren vor­aus­setzt, wer­den in der Pra­xis infra­ge gestellt, sodass sich die Kos­ten­re­du­zie­rung in der anwalt­li­chen Fer­ti­gung nicht unbe­dingt in einer höhe­ren Gewinn­mar­ge aus­drückt. Recht­li­che Bera­tung wird zur Ware ver­ge­gen­ständ­licht. Vor- bzw. Nach­tei­le lie­gen zwar auf bei­den Sei­ten. Aber der Zeit- und Wett­be­werbs­druck hat in den letz­ten zehn Jah­ren erheb­lich zu- und nach mei­ner Auf­fas­sung auch unge­sun­de Aus­ma­ße ange­nom­men. Ich bin mir bei Legal­Tech nicht immer sicher, ob nicht wir Anwäl­te eher auf der Ver­lie­rer­sei­te ste­hen. Eini­ge von uns mögen sich erin­nern: Papier und Stift, Brie­fe per Post …

Nicht ersetzt wird bei dem Ein­satz von Legal­Tech jedoch der juris­ti­sche Ver­stand. Es gilt immer noch: „A fool with a tool is still a fool“. Der Kopf wird nach wie vor gebraucht. Er wird durch Legal­Tech unter­stützt, nicht ersetzt. Arbei­ten im Recht ver­langt Metho­de, Visi­on und Krea­ti­vi­tät, aber auch ein recht­li­ches Ethos. Anwäl­te sind kei­ne blo­ßen Dienst­leis­ter im Auf­trag des Man­dan­ten und soll­ten sich auch — das ist aus­drück­lich auch als Kri­tik an der Ver­mark­tung unse­res eige­nen Berufs­stan­des gemeint —  nicht als sol­che dar­stel­len. Sicher, wir leis­ten Diens­te, sind aber gleich­zei­tig Organ der Rechts­pfle­ge, das weder aus­schließ­lich die eige­nen Inter­es­sen noch die des Man­dan­ten, son­dern auch der Jus­tiz und Gerech­tig­keit im Auge behal­ten muss. Wir müs­sen einen kri­ti­schen Abstand wah­ren.

Auf der posi­ti­ven Sei­te der Bilanz von Legal­Tech steht hin­ge­gen zwei­fels­oh­ne, dass die Digi­ta­li­sie­rung die Schwel­le des Zugangs zu der Pro­fes­si­on für Berufs­an­fän­ger gesenkt hat und damit zur Demo­kra­ti­sie­rung des Berufs­stan­des bei­trägt. Mit einem Lap­top mit Sprach­er­ken­nungs­sys­tem, dem Zugang zu juris­ti­schen Daten­ban­ken wie juris oder Beck online, einem E‑Mail Account und Dru­cker ist heut­zu­ta­ge bereits eine Kanz­lei zu betrei­ben, ohne die sehr gro­ße Hür­de der Inves­ti­tio­nen in eine noch vor 25 Jah­ren übli­che Kanz­lei­aus­stat­tung mit Räum­lich­kei­ten und Sekre­ta­ri­at neh­men zu müs­sen. Die Außen­dar­stel­lung über­nimmt heu­te eine Inter­net­sei­te. Goog­le Ad erlaubt die such­ma­schi­nen­op­ti­mier­te Bewer­bung von Kom­pe­tenz. Vir­tu­el­le Netz­wer­ke wie Lin­ke­dIn erset­zen per­sön­li­che Kon­tak­te und Pri­vi­le­gi­en.

Anwalt­li­che Dienst­leis­tung wird ver­gleich­ba­rer, trans­pa­ren­ter. Digi­ta­le Geschäfts­mo­del­le hel­fen, den Zugang zum Markt, gleich­zei­tig auch den Zugang der Recht­su­chen­den zum Recht zu ver­bes­sern, wie zum Bei­spiel flightright.de, bankright.de, claimright.de etc., die Fäl­le bear­bei­ten, die zu ange­mes­se­nen Kos­ten von Anwäl­ten gar nicht mehr geleis­tet wer­den kön­nen.

Die Anwalt­schaft wird sich dem Ein­satz sol­cher digi­ta­len Werk­zeu­ge und Platt­for­men nicht ver­schlie­ßen kön­nen. Sie soll­te auch digi­ta­le Geschäfts­mo­del­le, die wei­ten Krei­sen von Recht­su­chen­den in gering­wer­ti­gen Streit­sa­chen einen effek­ti­ven Zugang zum Recht ermög­li­chen, nicht unter Beru­fung auf das Rechts­dienst­leis­tungs­mo­no­pol zu ver­hin­dern suchen, son­dern zulas­sen. Ansons­ten ris­kie­ren wir, dass das Rechts­dienst­leis­tungs­mo­no­pol in den wesent­li­chen Berei­chen, wo der Anwalt sei­ner Rol­le als Organ der Rechts­pfle­ge gerecht wer­den kann und muss, vom gesell­schaft­li­chen Kon­sens nicht mehr getra­gen wird.

Wir müs­sen daher die Rol­le des Rechts­an­walts als Organ der Rechts­pfle­ge in einer demo­kra­ti­schen Gesell­schaft und das dar­in zur Zeit noch ver­an­ker­te Pri­vi­leg des Rechts­dienst­leis­tungs­mo­no­pols im Wege einer kri­ti­schen Bestands­auf­nah­me nach den Kri­te­ri­en „hin­rei­chend, not­wen­dig und ange­mes­sen“ reflek­tie­ren. Wenn die Unab­hän­gig­keit des Anwal­tes als Organ der Rechts­pfle­ge eine der Vor­aus­set­zun­gen für die rule of law ist, dür­fen wir vor allem nicht zulas­sen, dass Recht durch Legal­Tech voll­stän­dig öko­no­mi­siert wird.

Denn wenn die­se Gefahr bereits durch Legal­Tech droht, wer­den wir als Berufs­stand der Her­aus­for­de­rung durch Künst­li­che Intel­li­genz nicht stand­hal­ten.

2.2. Künst­li­che Intel­li­genz

In der öffent­li­chen Debat­te ist Künst­li­che Intel­li­genz eine Schi­mä­re, auf die uto­pi­sche oder dys­to­pi­sche Erwar­tun­gen pro­ji­ziert wer­den. Es ist die Angst vor der eige­nen Über­flüs­sig­keit, die die Debat­te treibt.

KI kann als Algo­rith­men, d. h. in ein­zel­ne Schrit­te her­un­ter­ge­bro­che­ne Anwei­sun­gen, die von einem Com­pu­ter maschi­nell abge­ar­bei­tet wer­den kön­nen und in Soft­ware abge­bil­det sind, sowie Daten, die von eben jenen Sys­te­men ver­ar­bei­tet wer­den, defi­niert wer­den. Den Daten kommt im Kon­text von KI-Sys­te­men dabei eine beson­de­re Rol­le zu: Sie fun­gie­ren nicht als rei­nes Sub­strat, das im Ein­ga­be-Ver­ar­bei­tungs-Spei­che­rungs-Aus­ga­be-Sche­ma durch das Sys­tem hin­durch­läuft, son­dern sie die­nen viel­mehr als eine Art Bau­stoff für ein künst­lich intel­li­gen­tes Sys­tem, da solch ein Sys­tem im wesent­li­chen Ver­hal­ten aus ein­ge­speis­ten Daten­mus­tern repli­ziert. Das zen­tra­le Ver­spre­chen Künst­li­cher Intel­li­genz liegt in der Auto­ma­ti­sie­rung kogni­ti­ver Auf­ga­ben. Ein kon­sti­tu­ti­ves Ele­ment der KI ist dabei das maschi­nel­le Ler­nen.

Regel­ba­sier­te Text­ver­ar­bei­tung, Schach­com­pu­ter, ver­netz­te Daten­ban­ken sind genau­so wenig Künst­li­che Intel­li­genz wie die „Auto Sug­gest“ oder „Auto Cor­rect“ Funk­tio­nen, selbst wenn letz­te­re wohl dadurch, dass sie sich auf den Benut­zer ein­stel­len, ein selbst­ler­nen­des Ele­ment beinhal­ten. Prag­ma­tisch könn­te man den Ter­mi­nus Künst­li­che Intel­li­genz mit „über­ra­schen­den Fähig­kei­ten von Com­pu­tern“ übersetzen[5]. Dies greift aber letzt­lich zu kurz, weil das, was uns noch in den neun­zi­ger Jah­ren über­rasch­te, heu­te als völ­lig nor­mal, häu­fig als daten­bank­or­ga­ni­sier­te Ver­net­zung von Infor­ma­tio­nen wahr­ge­nom­men wird. Im Gegen­satz zu mei­nen Groß­el­tern wür­de heut­zu­ta­ge nie­mand einen Taschen­rech­ner als KI im Sin­ne von „über­ra­schend“ bezeich­nen. Kin­der hal­ten berüh­rungs­emp­find­li­chen Bild­schir­me bereits für nor­mal und füh­ren Unter­hal­tun­gen mit Siri.

KI-Sys­te­me exis­tie­ren bereits und wer­den vor allem im Risi­ko­ma­nage­ment, in der Bil­der­ken­nung, der Text­ka­te­go­ri­sie­rung und bei der Bewäl­ti­gung stan­dar­di­sier­ter kogni­ti­ver Auf­ga­ben ein­ge­setzt. Stan­dar­di­sier­te, kogni­ti­ve Auf­ga­ben sind Auf­ga­ben, die häu­fig anfal­len und stets auf die­sel­be Art und Wei­se bear­bei­tet wer­den. Deep Blue als Schach­com­pu­ter konn­te dies teil­wei­se. IBM‘s Com­pu­ter Wat­son kann jedoch in einer neu­en Qua­li­tät selbst­stän­dig Mus­ter als Stan­dards erken­nen und eigen­stän­dig ler­nen, die damit ver­bun­de­ne Auf­ga­be kogni­tiv zu bewäl­ti­gen.

Wir sind aller­dings noch Jah­re ent­fernt vom Ersatz mensch­li­cher kogni­ti­ver Intel­li­genz durch Künst­li­che Intel­li­genz in den Rechts­wis­sen­schaf­ten. Sicher, es gibt Such­tech­no­lo­gien zur Iden­ti­fi­ka­ti­on rele­van­ter Doku­men­te oder Text­stel­len, Werk­zeu­ge zur Extrak­ti­on struk­tu­rier­ter Infor­ma­tio­nen und es gibt mitt­ler­wei­le Werk­zeu­ge zur Ent­schei­dungs­vor­her­sa­ge und Risi­ko­be­wer­tung durch Erfas­sung rie­si­ger Daten­men­gen, zum Bei­spiel Erfolgs­aus­sich­ten von Beru­fun­gen oder Revi­sio­nen in bestimm­ten Rechts­ge­bie­ten.

Man darf aller­dings nicht über­se­hen, dass es zuvor not­wen­dig ist, Wat­son mit rie­si­gen Daten­men­gen zu ver­se­hen und ihn zu pro­gram­mie­ren. Als Wat­son sein mensch­li­ches Gegen­über in der TV-Spiel­show Jeo­par­dy oder Ke Jie bei einem Go-Tur­nier schlug, lag dies auch an dem Input hun­der­ter hoch­kom­pe­ten­ter Inge­nieu­re und tau­sen­den von Stun­den Trai­nings­leis­tung. Auf der Ebe­ne von Rechts­an­walts­kanz­lei­en kann dies gar nicht geleis­tet wer­den.

Es gibt Ansät­ze. 2017 haben z.B. Jura- und Infor­ma­tik­stu­die­ren­de inner­halb von drei Wochen mit der Auf­ga­ben­stel­lung “Crea­te a web app!” gemein­sam mit dem Wat­son Know­ledge Stu­dio und dem Sprach­tool ein Law­net-Tool ent­wi­ckelt, das Gerichts­ent­schei­dun­gen nach Akten­zei­chen, Nor­men und Ver­wei­sen durch­sucht und den Erfolg und Nicht­er­folg von Revi­sio­nen nach­ver­folgt. Mit Law­Stats wur­den Sta­tis­ti­ken ent­wi­ckelt, wel­che Land­ge­richts­ent­schei­dun­gen erfolg­reich oder nicht erfolg­reich mit der Revi­si­on ange­foch­ten wer­den konn­ten. Die ers­te Vari­an­te die­ses Tools funk­tio­nier­te dabei nicht ganz wie gewünscht, zu vie­le unkla­re Ent­schei­dun­gen ver­wäs­ser­ten das Ergeb­nis. 2018 ist mit Law­Stats 2.0 aber ein funk­tio­nie­ren­des Revi­si­ons­tool entstanden[6]. Aber auch hier spre­chen wir nicht von Rechts­an­wen­dung, son­dern eher von Sta­tis­tik und quan­ti­ta­ti­ver Risi­ko­ana­ly­se.

KI-Sys­te­me kön­nen bereits fast selbst­tä­tig Unter­stüt­zung bei stan­dar­di­sier­ten Pro­zes­sen wie einer finan­cial oder tax due dili­gence leis­ten. Es gibt Werk­zeu­ge zur stan­dar­di­sier­ten Ver­trags­ana­ly­se. Dies ist aber noch nicht Rechts­be­ra­tung, son­dern daten­bank­ba­sier­te Unter­stüt­zung in der Rechts­be­ra­tung. Zur­zeit machen die­se Tools und Apps im wesent­li­chen soge­nann­te Para­le­gals, anwalt­li­che Hilfs­kräf­te arbeits­los, und redu­zie­ren die Anzahl der billable hours der Berufs­trä­ger.

Bis Siri oder Ale­xa in Form eines Chats, d. h. auf­grund schrift- oder vokal­ba­sier­ter nicht stan­dar­di­sier­ter Ein­ga­be in das Sys­tem ein juris­ti­sches Mus­ter, also ein recht­li­ches Pro­blem iden­ti­fi­zie­ren, und dann eigen­stän­dig durch Rück­griff auf Daten­ban­ken nach Maß­ga­be einer zu ermit­teln­den mate­ri­el­len Rechts­ord­nung lösen kön­nen, wird noch sehr viel Zeit ver­ge­hen.

  1. Aus­blick

Aber die­se Zeit wird kom­men. Wir wis­sen nur nicht, wann, in 10, 20 oder 50 Jah­ren? Eher frü­her als spä­ter. Da die sich aus dem Ein­satz von KI erge­ben­den Her­aus­for­de­run­gen jedoch bereits jetzt offen lie­gen, lohnt sich der Blick in die Zukunft, um zu reflek­tie­ren, wie die Anwalt­schaft als Pro­fes­si­on im Kon­text des Cont­rat Social hier­mit umgeht.

Mei­ne The­se ist: Wat­son, Siri und Ale­xa wer­den über kurz oder lang anwalt­li­che Dienst­leis­tung bei der Lösung ein­fa­cher und mit­tel­schwe­rer stan­dar­di­sier­ter Rechts­fäl­le erset­zen kön­nen, nicht aber Rechts­an­wäl­te und ihre Bera­tung, wenn die­se sich nicht nur als Dienst­leis­ter ver­ste­hen und ver­mark­ten, son­dern als Berufs­trä­ger, die die core values der Rechts­an­walt­schaft leben und  ver­tei­di­gen: Unab­hän­gig­keit, Ver­schwie­gen­heit, Kom­pe­tenz und Loya­li­tät.

Da Märk­te jedoch häu­fig preis­ge­trie­ben sind, täte die Anwalt­schaft gut dar­an, selbst im Bereich Legal­Tech und KI Prot­ago­nist zu wer­den und mit den Ent­wick­lun­gen offen­siv umzu­ge­hen. Bis­lang wer­den Ange­bo­te an Legal­Tech oder Künst­li­cher Intel­li­genz fast aus­schließ­lich von Legal­Tech-Unter­neh­men gestellt, nicht aber von der Anwalt­schaft. Es ist ein lukra­ti­ver Geschäfts­zweig, der Mil­li­ar­den­in­ves­ti­tio­nen anzieht, bei dem auch Anwäl­te mit­wir­ken, aber die Anwalt­schaft über ihre Stan­des­ver­ei­ni­gun­gen als sol­che nicht trei­ben­de Kraft ist. Die euro­päi­sche Stan­des­ver­ei­ni­gung, CCBE, hat 1 Mil­li­on Mit­glie­der. Dies ist ein immenses Poten­zi­al für crowd­fun­ding.

In Dis­kus­sio­nen mit ande­ren Stan­des­ver­tre­tern wird mir hier­auf häu­fig ent­geg­net, dass die Erbrin­gung wirt­schaft­li­cher Tätig­kei­ten nicht Auf­ga­be der Stan­des­ver­tre­tun­gen ist und im Übri­gen das gesetz­lich ver­an­ker­te Mono­pol für Rechts­dienst­leis­tun­gen aus­reicht, um nicht-anwalt­li­che Wil­de­rer aus unse­rem Revier zu ver­trei­ben. Das ers­te Argu­ment geht an der Sache vor­bei, denn Initi­ie­ren heißt nicht not­wen­di­ger­wei­se Betrei­ben. Mei­nes Erach­tens ist es jeden­falls Auf­ga­be der Stan­des­ver­tre­tun­gen, Impul­se zu geben. Das zwei­te Argu­ment ist zu hin­ter­fra­gen.

Denn es stellt sich die Fra­ge, ob auto­ma­ti­sier­te Rechts­dienst­leis­tung über­haupt tat­be­stand­lich gegen das Rechts­dienst­leis­tungs­ge­setz ver­sto­ßen kann. Die Rechts­dienst­leis­tung ist gemäß dem Rechts­dienst­leis­tungs­ge­setz den Anwäl­ten vor­be­hal­ten. § 2 Abs. 1 des Geset­zes defi­niert die­se wie folgt:

(1) Rechts­dienst­leis­tung ist jede Tätig­keit in kon­kre­ten frem­den Ange­le­gen­hei­ten, sobald sie eine recht­li­che Prü­fung des Ein­zel­falls erfor­dert.

Die recht­li­che Prü­fung des Ein­zel­falls bezeich­nen wir als Sub­sum­ti­on. Die Sub­sum­ti­on ist der Vor­gang, bei dem man einen Begriff unter einen ande­ren ord­net. In der Rechts­wis­sen­schaft wird der Begriff als Anwen­dung einer Rechts­norm auf einen Lebens­sach­ver­halt („Fall“), das heißt als Unter­ord­nung des Sach­ver­hal­tes unter die Vor­aus­set­zun­gen der Norm, ver­stan­den. Rechts­nor­men haben regel­mä­ßig eine Wenn-Dann-Struk­tur. Sie zer­fal­len in einen Tat­be­stand (Wenn-Teil) und eine Rechts­fol­ge (Dann-Teil). Der Tat­be­stand setzt sich meist aus meh­re­ren Tat­be­stands­merk­ma­len (z. B. „fremd“, „Eigen­tum“) zusam­men. Lie­gen die erfor­der­li­chen Tat­sa­chen vor, so ist das ent­spre­chen­de Tat­be­stands­merk­mal erfüllt. Sind alle Tat­be­stands­merk­ma­le gege­ben, so tritt die Rechts­fol­ge ein. Wenn Sie das an einen Algo­rith­mus erin­nert, lie­gen Sie nicht sehr falsch.

Wird die­se Leis­tung über einen Algo­rith­mus erbracht wird, stellt sich die Fra­ge, ob der Begriff der „Tätig­keit“ erfüllt ist. Kann ein Com­pu­ter tätig sein? Der Duden defi­niert „Tätig­keit“ als „das Tätig­sein, das Sich Beschäf­ti­gen mit etwas“. Dies scheint nahe zu legen, dass es ein bewuss­ter und damit mensch­lich-kogni­ti­ver Vor­gang ist. Algo­rith­men-basier­te Rechen­vor­gän­ge wären daher dem Anwen­dungs­be­reich des RDG ent­zo­gen. Min­des­tens dürf­te die Gefahr einer Rege­lungs­lü­cke vor­lie­gen.

Die libe­ra­le Par­tei in Deutsch­land, FDP, hat daher am 17.04.2019 einen Geset­zes­ent­wurf vor­ge­legt, der § 2 Abs. 1 RDG wie folgt ergän­zen soll:

„Eine Tätig­keit im Sin­ne des Sat­zes 1 kann ganz oder teil­wei­se auto­ma­ti­siert erbracht wer­den.“

Damit wären Algo­rith­men-basier­te Rechts­dienst­leis­tun­gen vom Gesetz umfasst und einem Erlaub­nis­vor­be­halt unter­stellt. Dies wür­de eine Kon­trol­le der auto­ma­ti­sier­ten Rechts­dienst­leis­tun­gen erlau­ben und damit die Gewähr­leis­tung von Min­dest­stan­dards.

Dies könn­te einem voll­stän­di­gen Kon­troll­ver­lust der Rechts­an­walt­schaft auf­grund des Ein­sat­zes von KI ent­ge­gen­wir­ken. Denn Legal­Tech und KI sind Algo­rith­men-basiert. Wir ken­nen die­se Algo­rith­men jedoch nicht. Wie und vor allem nach wel­chen Kri­te­ri­en funk­tio­nie­ren sie? Wie lösen sie Ziel- und Inter­es­sen­kon­flik­te? Wenn in Zukunft eine Viel­zahl von Rechts­fäl­len über KI ohne mensch­li­ches Zutun gelöst wer­den könn­ten, stellt sich daher drin­gend die Fra­ge, wel­che Inter­es­sen­grup­pen die­se Algo­rith­men ver­ant­wor­ten.

Einer Dele­ga­ti­on der Bun­des­rechts­an­walts­kam­mer wur­de zum Bei­spiel im Febru­ar 2018 bei dem Besuch des Shang­hai High People’s Court eine Soft­ware vor­ge­stellt, die die Urtei­le eines Rich­ters auf logi­sche Inko­hä­ren­zen und abwei­chen­de Urtei­le des eige­nen Gerichts­hofs oder der Ober­ge­rich­te prüft. Die­se Soft­ware kann sehr hilf­reich sein, kann aber auch trotz des zivil­recht­li­chen Hin­ter­grunds ein Mit­tel zur sozia­len oder poli­ti­schen Kon­trol­le der Rich­ter und der Recht­spre­chung wer­den. Auch wer­den mög­li­cher­wei­se Inter­es­sen­ver­bän­de, ob direkt oder durch out­ges­ourc­te Unter­neh­men, durch die Bereit­stel­lung von KI-Soft­ware Ein­fluss auf die Recht­spre­chung neh­men wol­len, zum Bei­spiel, wenn Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men Soft­ware zur Bear­bei­tung von Arzt­haft­pflicht­fäl­len oder Ver­kehrs­un­fäl­len oder Arbeit­ge­ber­ver­bän­de eine inter­net­ba­sier­te Platt­form zur Lösung arbeits­recht­li­cher Fall­ge­stal­tun­gen bereit­stel­len, ohne dass dies trans­pa­rent gemacht wird oder über­haupt kon­trol­liert wer­den kann.

Auf­grund des mit KI ein­her­ge­hen­den Kos­ten­drucks und der lang­fris­ti­gen Ver­drän­gung anwalt­li­cher Akteu­re aus gewis­sen Markt­seg­men­ten besteht daher die nahe­lie­gen­de Mög­lich­keit eines Kon­troll­ver­lusts bereits auf der Ebe­ne des anwalt­li­chen Hand­werks­zeugs, der Sub­sum­ti­on. Die­sem Kon­troll­ver­lust kann dadurch begeg­net wer­den, dass die Anwalt­schaft selbst KI-basier­te Lösun­gen gene­riert.

Damit wür­de sie ihre Unab­hän­gig­keit stär­ken. Rechts­dienst­leis­tun­gen wür­den wei­ter demo­kra­ti­siert wer­den, weil Rechts­su­chen­de die Mög­lich­keit hät­ten, auf von der Rechts­an­walt­schaft gestell­te Com­pu­ter­pro­gram­me zur Lösung stan­dar­di­sier­ter Rechts­fäl­le zuzu­grei­fen. Klei­ne und mit­tel­stän­di­sche Kanz­lei­en könn­ten dem Wett­be­werbs­druck von Dritt­an­bie­tern und gro­ßen law firms mit tau­sen­den von Anwäl­ten, die die finan­zi­el­len und per­so­nel­len Res­sour­cen zur Ent­wick­lung sol­cher Pro­gram­me hät­ten, ent­ge­gen­tre­ten.

Mit­tel- bis lang­fris­tig wird sich aber auch damit nicht ver­hin­dern las­sen, dass die Rechts­an­wäl­te, die stan­dar­di­sier­te Fäl­le, zum Bei­spiel Ver­kehrs­recht, Miet­recht, Arbeits­recht, Rei­se­recht etc. bear­bei­ten, in ihrer beruf­li­chen Exis­tenz gefähr­det wer­den. Dies lie­ße sich nur mit einem abso­lu­ten Mono­pol der Rechts­an­wäl­te für Rechts­dienst­leis­tun­gen errei­chen. Aller­dings wäre mei­ne The­se, dass ein sol­ches Unter­fan­gen spä­tes­tens unter Berück­sich­ti­gung einer welt­wei­ten digi­ta­len Ver­net­zung genau­so viel Erfolg hät­te wie der bri­ti­sche Red Flag Act von 1865, mit dem mut­maß­lich auf Betrei­ben einer Lob­by von Pfer­de­be­sit­zern und Eisen­bahn­ge­sell­schaf­ten Auto­mo­bi­lis­ten gezwun­gen waren, ihrem Fahr­zeug einen Fuß­gän­ger mit einer roten Flag­ge vor­aus lau­fen zu las­sen. Geschätzt gibt es in der EU heu­te 6,9 Mil­lio­nen Pfer­de und 290 Mil­lio­nen Kraft­fahr­zeu­ge. Soweit zum Erfolg des Red Flag Act.

  1. Ergeb­nis

4.1.

Legal­Tech unter­stützt anwalt­li­che Tätig­keit. Sie kann zu Kon­kur­renz zur tra­di­tio­nel­len Rechts­be­ra­tung durch Anwäl­te füh­ren, ist aber vor allem als unter­stüt­zen­des Werk­zeug zu ver­ste­hen.

4.2.

Legal­Tech erlaubt die Ent­wick­lung Inter­net-basier­ter Anwen­dun­gen, die kos­ten­güns­tig und effi­zi­ent stan­dar­di­sier­te Rechts­fäl­le lösen. Die Anwalt­schaft soll­te dem nicht ableh­nend gegen­über­ste­hen, um dem Pos­tu­lat des Zugangs zum Recht zur Durch­set­zung zu ver­hel­fen in den Berei­chen, in denen vor allem Kon­su­men­ten kei­nen effek­ti­ven Zugang zum Recht mehr haben. Eine eng­stir­ni­ge Ver­wei­ge­rungs­hal­tung könn­te die Auf­kün­di­gung des cont­rat social, der den Anwäl­ten das Mono­pol der Rechts­be­ra­tung gewährt, zur Fol­ge haben. Wie schnell Tra­di­tio­nen und als unver­brüch­lich wahr­ge­nom­me­ne Stan­dards infra­ge gestellt wer­den, sehen wir gera­de im Bereich der inter­na­tio­na­len Han­dels­po­li­tik, des Brexit und den Angrif­fen popu­lis­ti­scher Par­tei­en auf die Insti­tu­tio­nen der EU.

4.3.

KI soll­te durch­aus als Her­aus­for­de­rung ver­stan­den wer­den. KI kann anwalt­li­che Dienst­leis­tung erset­zen. Durch Ein­be­zie­hung in das Rechts­dienst­leis­tungs­ge­setz wird Rechts­be­ra­tung mit­tels KI erlaubt, kann aber dadurch qua­li­ta­tiv regu­liert wer­den. Die Anwalt­schaft soll­te jedoch Prot­ago­nist und nicht nur Beob­ach­ter sein, um nicht die Kon­trol­le über die­se Werk­zeu­ge zu ver­lie­ren und damit ihre Unab­hän­gig­keit als Organ der Rechts­pfle­ge zu wah­ren. Letz­te­res ist not­wen­dig, da eine unab­hän­gi­ge, kri­ti­sche Anwalt­schaft unab­ding­ba­re Vor­aus­set­zung für die Gewähr­leis­tung der rule of law ist.

Gui­do Imfeld

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