Regel­mä­ßig geben sich Lebens­ver­si­che­rer nicht mit der blo­ßen Todes­nach­richt des Ver­si­che­rungs­neh­mers zufrie­den. Um zu klä­ren, ob die Ver­si­che­rungs­sum­me fäl­lig ist, wer­den nähe­re Anga­ben zu den Umstän­den des Todes erbe­ten.

In die­sem Fall ste­hen die behan­deln­den Ärz­te vor der Fra­ge, ob und wel­che Infor­ma­tio­nen an den Ver­si­che­rern wei­ter­ge­ge­ben dürf­ten. Die behan­deln­den Ärz­te sehen sich inso­weit in einem Kon­flikt mit der Ihnen oblie­gen­den ärzt­li­chen Schwei­ge­pflicht.

In der­ar­ti­gen Fäl­len soll­te zunächst geprüft wer­den, ob der ver­stor­be­ne Pati­en­ten eine Vor­sor­ge­voll­macht erteilt hat. Ent­schei­dend ist dann, was in der Vor­sor­ge­voll­macht steht. Das For­mu­lar des Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz bei­spiels­wei­se ent­hält aus­drück­lich eine Rege­lung, wonach der oder die Bevoll­mäch­tig­te befugt ist, die Her­aus­ga­be von Kran­ken­ak­ten an Drit­te zu bewil­li­gen. Fin­det sich eine ver­gleich­ba­re Rege­lung in die­ser Voll­macht, so kann der in der Vor­sor­ge­voll­macht Bevoll­mäch­tig­te um die Zustim­mung zur Wei­ter­ga­be der medi­zi­ni­schen Anga­ben an den Ver­si­che­rer gebe­ten wer­den. Vor­sorg­lich kann eine Kopie die­ser Voll­macht zur Pati­en­ten­ak­te genom­men wer­den.

Gibt es indes kei­ne Vor­sor­ge­voll­macht, so ist die Situa­ti­on pro­ble­ma­tisch. Streng genom­men ist bereits die Her­aus­ga­be von Befun­den und Kran­ken­un­ter­la­gen an einen Hin­ter­blie­be­nen oder einen Ver­si­che­rer ohne ent­spre­chen­de Schwei­ge­pflich­tent­bin­dungs­er­klä­rung des Ver­stor­be­nen ein Ver­stoß gegen die ärzt­li­che Schwei­ge­pflicht.

Nach all­ge­mei­ner Auf­fas­sung in der Rechts­leh­re erlischt die Ver­fü­gungs­be­fug­nis über Geheim­nis­se aus dem per­sön­li­chen Lebens­be­reich des Pati­en­ten mit des­sen Tod, so dass eine Ent­bin­dung von der Schwei­ge­pflicht grund­sätz­lich nicht mehr in Betracht kommt, ins­be­son­de­re auch nicht durch die Erben und/oder nächs­ten Ange­hö­ri­gen qua ihrer Rechts­stel­lung, weil die Schwei­ge­pflicht als höchst­per­sön­li­ches Recht nicht ver­erb­lich ist. Mit dem Weg­fall des Pati­en­ten als Rechts­per­sön­lich­keit ist allein der Arzt für die Wah­rung und die Reich­wei­te der Schwei­ge­pflicht ver­ant­wort­lich.

Reicht somit die ärzt­li­che Schwei­ge­pflicht grund­sätz­lich über den Tod des Pati­en­ten hin­aus, kommt es für die Ent­bin­dung von der Schwei­ge­pflicht auf den aus­drück­lich oder kon­klu­dent geäu­ßer­ten Wil­len des Ver­stor­be­nen gegen­über dem Arzt oder auch Drit­ten an. Die­ser im Ein­zel­fall fest­zu­stel­len­de Wil­le kann dadurch geprägt sein, dass das Inter­es­se des Ver­stor­be­nen an der Geheim­hal­tung erlo­schen sein kann. Ent­schei­dend für die Erfor­schung des mut­maß­li­chen Wil­lens ist das wohl­ver­stan­de­ne Inter­es­se des Ver­stor­be­nen an der wei­te­ren Geheim­hal­tung der dem Arzt anver­trau­ten Tat­sa­chen.

Bleibt der mut­maß­li­che Wil­le des Ver­stor­be­nen nach dem Ver­such sei­ner Ermitt­lung zwei­fel­haft, liegt es in der Ver­ant­wor­tung des Arz­tes, von den ihm bekann­ten Umstän­den auf den mut­maß­li­chen Wil­len des Ver­stor­be­nen zu schlie­ßen und nach einer gewis­sen­haf­ten Prü­fung über die Aus­übung des Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­rechts zu befin­den. Dabei kann sich die Sach­la­ge auch durch den Tod geän­dert haben, denn ein Pati­ent mag zum Bei­spiel zu Leb­zei­ten ein Inter­es­se an der Geheim­hal­tung sei­ner dia­gnos­ti­zier­ten Erkran­kung mit einer gerin­gen Lebens­er­war­tung haben, nach sei­nem Able­ben wäre die­ses Inter­es­se an der Geheim­hal­tung fort­ge­fal­len.
Der Arzt ist auf der einen Sei­te durch sei­nen Stan­des­ethos und auf der ande­ren Sei­te durch die Inter­es­sen des ver­stor­be­nen Pati­en­ten zu einer gewis­sen­haf­ten Prü­fung ver­pflich­tet. Hier­bei ver­bleibt ihm ein gewis­ser Ent­schei­dungs­spiel­raum, der durch die Gerich­te nur ein­ge­schränkt auf die Über­schrei­tung sei­ner Gren­zen über­prüf­bar ist. Dies setzt aller­dings vor­aus, dass der Arzt die Grün­de, auf die er sei­ne Zeug­nis­ver­wei­ge­rung stützt, nach­voll­zieh­bar dar­legt. Auch dies soll­te in der Behand­lungs­do­ku­men­ta­ti­on ver­merkt wer­den (OLG Naum­burg, Beschluss vom 9. 12. 2004 — 4 W 43/0).

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