Ein häu­fig auf­tre­ten­des The­ma in unse­rer Kanz­lei ist die Kos­ten­er­stat­tung von Medi­ka­men­ten, die außer­halb ihres zuge­las­se­nen Anwen­dungs­be­reichs – dem soge­nann­ten Off-Label-Use – ver­schrie­ben wer­den. In die­sem Arti­kel möch­te ich Ihnen die ent­schei­den­den Kri­te­ri­en für die Kos­ten­über­nah­me sol­cher Medi­ka­men­te näher­brin­gen, wobei ein jün­ge­res Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG), Beschluss vom 25.09.2023, zum Min­dest­maß an wis­sen­schaft­li­cher Daten­la­ge eine zen­tra­le Rol­le spielt.

Die Aus­gangs­la­ge: Off-Label-Use im Über­blick

Der Begriff Off-Label-Use beschreibt die Ver­wen­dung eines zuge­las­se­nen Medi­ka­ments für eine The­ra­pie, die außer­halb der von den Zulas­sungs­be­hör­den geneh­mig­ten Anwen­dungs­ge­bie­te liegt. Dies kann ins­be­son­de­re bei sel­te­nen oder schwe­ren Erkran­kun­gen rele­vant sein, für die es kei­ne oder kei­ne aus­rei­chen­den Stan­dard­the­ra­pien gibt.

Recht­li­che Vor­aus­set­zun­gen für die Erstat­tung von Off-Label-Use-Medi­ka­men­ten

Die gesetz­li­chen Grund­la­gen für die Erstat­tung von Off-Label-Use-Medi­ka­men­ten für gesetz­lich ver­si­cher­te Pati­en­ten fin­den sich im Sozi­al­ge­setz­buch V (§ 2 Abs. 1a und § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V). Gemäß § 2 Abs. 1a SGB V haben Ver­si­cher­te in medi­zi­ni­schen Not­la­gen Anspruch auf eine Behand­lung, wenn kei­ne ande­re The­ra­pie zur Ver­fü­gung steht und eine nicht ganz fern­lie­gen­de Aus­sicht auf Hei­lung oder Lin­de­rung besteht. Vor­aus­set­zung hier­für ist ein Min­dest­maß an wis­sen­schaft­li­cher Daten­la­ge, die weit über rei­ne Tier­ver­su­che hin­aus­geht.

Gericht­li­cher Fall: Sach­ver­halt und Ent­schei­dun­gen

Im vor­lie­gen­den Fall begehr­te der im Jahr 2020 gebo­re­ne Antrag­stel­ler die Kos­ten­über­nah­me für das Medi­ka­ment Mig­lustat zur Behand­lung sei­ner GM2-Gan­gli­osi­do­se (Mor­bus Tay-Sachs). Die­se schwe­re und sel­te­ne Erkran­kung führt zu pro­gre­di­en­ter Neu­ro­de­ge­nera­ti­on mit Ver­lust moto­ri­scher und kogni­ti­ver Fähig­kei­ten und ver­kürz­ter Lebens­er­war­tung. Das Medi­ka­ment Mig­lustat ist für die­se Indi­ka­ti­on nicht zuge­las­sen.

Ers­te Instanz: Sozi­al­ge­richt

Das Sozi­al­ge­richt ent­schied zuguns­ten des Antrag­stel­lers und ver­pflich­te­te die Kran­ken­kas­se zur vor­läu­fi­gen Kos­ten­über­nah­me des Medi­ka­ments. Die­se Ent­schei­dung stütz­te sich auf die Ein­schät­zung des behan­deln­den Arz­tes, der eine posi­ti­ve Wir­kung auf den Krank­heits­ver­lauf sah.

Zwei­te Instanz: Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nie­der­sach­sen-Bre­men

Das Lan­des­so­zi­al­ge­richt (LSG) Nie­der­sach­sen-Bre­men hob die Ent­schei­dung des Sozi­al­ge­richts jedoch auf. Das LSG stell­te fest, dass ein Min­dest­maß an wis­sen­schaft­li­cher Evi­denz für die posi­ti­ve Wir­kung des Medi­ka­ments feh­le und die allei­ni­ge Ein­schät­zung des behan­deln­den Arz­tes nicht aus­rei­che.

Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts

Gegen die­se Ent­schei­dung erhob der Antrag­stel­ler Ver­fas­sungs­be­schwer­de beim Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG). Das BVerfG ent­schied im Beschluss vom 25. Sep­tem­ber 2023 (1 BvR 1790/23), dass die Anfor­de­run­gen des LSG an die nicht ganz fern­lie­gen­de Aus­sicht auf eine maß­geb­li­che Wirk­sam­keit gerecht­fer­tigt sei­en.

Schwer­punkt die­ser Ent­schei­dung: Min­dest­maß an wis­sen­schaft­li­cher Daten­la­ge

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat in sei­ner Ent­schei­dung klar­ge­stellt, dass bei der Beur­tei­lung der Kos­ten­über­nah­me für ein Off-Label-Use-Medi­ka­ment ein Min­dest­maß an wis­sen­schaft­li­cher Daten­la­ge not­wen­dig ist. Die­se Anfor­de­rung dient dazu, zwi­schen ernst­haf­ten The­ra­pien und rein expe­ri­men­tel­len Behand­lungs­me­tho­den abzu­gren­zen. Eine Behand­lungs­me­tho­de muss durch fun­dier­te wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se gestützt sein, die deut­lich über Tier­ver­su­che hin­aus­ge­hen:

  1. Ernst­haf­te Hin­wei­se auf Wirk­sam­keit: Das BVerfG beton­te, dass ernst­haf­te Hin­wei­se auf eine maß­geb­li­che Wirk­sam­keit erfor­der­lich sind. Die­se Hin­wei­se kön­nen aus ver­schie­de­nen Quel­len stam­men, dar­un­ter kli­ni­sche Stu­di­en, ver­öf­fent­lich­te For­schungs­er­geb­nis­se oder doku­men­tier­te The­ra­pie­er­fol­ge bei ande­ren Pati­en­ten.
  2. Ein­schät­zung des behan­deln­den Arz­tes: Die Ein­schät­zung des behan­deln­den Arz­tes allein reicht nicht aus, um den Kos­ten­über­nah­me­an­spruch zu begrün­den. Das Gericht stell­te klar, dass die fach­li­chen Ein­schät­zun­gen der Ärz­te im kon­kre­ten Ein­zel­fall Bedeu­tung haben, jedoch müs­sen die­se durch wei­te­re objek­ti­ve und wis­sen­schaft­li­che Daten gestützt sein.
  3. Abgren­zung zu rein expe­ri­men­tel­len Ansät­zen: Rein expe­ri­men­tel­le Behand­lungs­me­tho­den, die nicht durch hin­rei­chen­de Indi­zi­en gestützt sind, fal­len nicht unter die Leis­tungs­pflicht der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung. Ein Min­dest­maß an wis­sen­schaft­li­cher Daten­la­ge ist daher uner­läss­lich, um das Risi­ko und den poten­zi­el­len Nut­zen der The­ra­pie ange­mes­sen abzu­wä­gen.
  4. Ein­zel­fall­prü­fung: Das Gericht beton­te die Not­wen­dig­keit der indi­vi­du­el­len Prü­fung jedes Fal­les durch die Fach­ge­rich­te. Die­se müs­sen die vor­lie­gen­den wis­sen­schaft­li­chen Daten gründ­lich bewer­ten und dabei auch gegen eine Wirk­sam­keit spre­chen­de Aspek­te sowie mög­li­che Risi­ken der Behand­lung berück­sich­ti­gen.

Prak­ti­sche Hin­wei­se zur Durch­set­zung Ihres Anspruchs

Um Ihren Anspruch auf Kos­ten­über­nah­me eines Off-Label-Use-Medi­ka­ments durch­zu­set­zen, soll­ten Sie daher fol­gen­de Punk­te beach­ten:

  1. Sam­meln Sie – mit Unter­stüt­zung Ihrer behan­deln­den Ärz­te — umfas­sen­de wis­sen­schaft­li­che Daten und ver­öf­fent­lich­te Stu­di­en zur Wirk­sam­keit des Medi­ka­ments.
  2. Unter­le­gen Sie die posi­ti­ve Ein­schät­zung Ihres behan­deln­den Arz­tes mit objek­ti­ven medi­zi­ni­schen Erkennt­nis­sen.
  3. Berei­ten Sie sich auf eine detail­lier­te Prü­fung durch die Fach­ge­rich­te vor und stel­len Sie sicher, dass alle rele­van­ten wis­sen­schaft­li­chen Infor­ma­tio­nen berück­sich­tigt wer­den.

Soll­ten Sie als Ver­si­cher­ter oder Ange­hö­ri­ger vor der Her­aus­for­de­rung ste­hen, ein Medi­ka­ment im Off-Label-Use erstat­tet zu bekom­men, ste­hen wir Ihnen mit unse­rer Erfah­rung gern zur Sei­te. Gemein­sam klä­ren wir die Erfolgs­aus­sich­ten und berei­ten gege­be­nen­falls eine gericht­li­che Klä­rung vor. Dabei sind wir stets bestrebt, eine wis­sen­schaft­lich fun­dier­te Grund­la­ge für Ihr Anlie­gen zu schaf­fen, um Ihre Chan­cen auf eine posi­ti­ve gericht­li­che Ent­schei­dung zu maxi­mie­ren.

Mit Fach­kennt­nis, Empa­thie und Enga­ge­ment set­zen wir uns für Ihr Recht auf umfas­sen­de medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung ein. Ver­ein­ba­ren Sie noch heu­te einen Bera­tungs­ter­min, um Ihre indi­vi­du­el­len Mög­lich­kei­ten zu bespre­chen.

Für wei­te­re Infor­ma­tio­nen oder eine per­sön­li­che Bera­tung zögern Sie nicht, uns zu kon­tak­tie­ren. Ihre Gesund­heit und Ihr Recht sind bei uns in bes­ten Hän­den.

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