Hin­ter die­ser Über­schrift ver­birgt sich eine erfreu­lich pra­xis­re­le­van­te Ent­schei­dung des OLG Ham­burg vom 09.11.2018 (Az. 11 O 136/17, ver­öf­fent­licht in ZIn­sO 2018, 2811) zur Geschäfts­füh­rer­haf­tung.

Aus­gangs­punkt die­ses Urteils ist die gesetz­li­che Rege­lung in § 64 S. 1 GmbHG, wonach der Geschäfts­füh­rer einer Gesell­schaft zum Ersatz von Zah­lun­gen ver­pflich­tet ist, die nach Ein­tritt der Zah­lungs­un­fä­hig­keit der Gesell­schaft oder nach Fest­stel­lung ihrer Über­schul­dung geleis­tet wer­den. Kurz zusam­men­ge­fasst löst danach jeder Ver­mö­gens­ab­fluss, der nach der Insol­venz­rei­fe durch den Geschäfts­füh­rer ver­an­lasst wird, in sei­ner Per­son eine Haf­tung aus.

Und hier­aus hat der Bun­des­ge­richts­hof die Ver­pflich­tung des Geschäfts­füh­rers her­ge­lei­tet, dass er ab dem Zeit­punkt der Insol­venz­rei­fe dafür sor­gen müs­se, dass sämt­li­che Zah­lungs­ein­gän­ge nur noch auf im Gut­ha­ben geführ­te Kon­ten erfol­gen dür­fen — um eine Bevor­zu­gung von Gläu­bi­gern (hier der kon­to­füh­ren­den Bank mit im Soll geführ­ten Kon­ten) zu ver­hin­dern.

Wer als Geschäfts­füh­rer (oder auch als Vor­stand einer Akti­en­ge­sell­schaft, für den Haf­tungs­nor­men gleich­lau­ten­der Art gel­ten) die­se Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­ho­fes hört, stellt sich als ers­tes die Fra­ge: Wie soll dies denn prak­tisch umge­setzt wer­den? Oder anders for­mu­liert: Was pas­siert, wenn ich als Geschäftsführer/Vorstand den Kun­den ohne wei­te­re Begrün­dung mit­tei­le, dass sie bit­te ab mor­gen nicht mehr auf die bis­he­ri­ge Kon­to­ver­bin­dung, son­dern auf ein neu ein­ge­rich­te­tes Kon­to bei einem ande­ren Kre­dit­in­sti­tut zu zah­len haben?

Mit die­ser Argu­men­ta­ti­on und damit den prak­ti­schen Fol­gen einer der­ar­ti­gen Ankün­di­gung an die Kun­den setzt sich das OLG Ham­burg in sei­nem vor­er­wähn­ten Urteil aus­ein­an­der und kommt zu der für Geschäfts­füh­rer erfreu­li­chen Bewer­tung, dass eine Haf­tung ent­fällt, wenn die Zah­lun­gen bei pflicht­ge­mä­ßem Ver­hal­ten des Beklag­ten (Anm.: Geschäftsführer/Vorstand) nicht zur Mas­se gelangt wären und auch vom Insol­venz­ver­wal­ter nicht bean­sprucht wer­den kön­nen.

Dies begrün­det das OLG Ham­burg wie folgt:

  • „Nach der Über­zeu­gung des Senats hät­ten die genann­ten Geschäfts­part­nern der Schuld­ne­rin nach Kennt­nis der neu­en Kon­to­ver­bin­dung kei­ne Zah­lun­gen mehr geleis­tet, da damit die Insol­venz­rei­fe der Schuld­ne­rin erkenn­bar gewor­den wäre …
  • Zum ande­ren stamm­ten die Ein­zah­lun­gen nicht von einer Viel­zahl anony­mer Kun­den, son­dern von sol­chen Gesell­schaf­ten, mit denen die Schuld­ne­rin in einem jah­re­lan­gen stän­di­gen Geschäfts­kon­takt stand, so dass die Mit­tei­lung einer neu­en Kon­to­ver­bin­dung und die Auf­for­de­rung, aus­schließ­lich auf die­ses Kon­to zu zah­len, nicht die vom Klä­ger (Anm.: Insol­venz­ver­wal­ter) ange­nom­me­ne All­täg­lich­keit gewe­sen wäre …
  • Hin­zu kommt, dass der Beklag­te (Anm.: Geschäfts­füh­rer) nach­voll­zieh­bar dar­ge­tan hat, dass die H‑Bank umge­hend einen Insol­venz­an­trag zu Las­ten der Schuld­ne­rin gestellt hät­te, wenn auf dem Kon­to­kor­rent­kon­to kei­ne Zah­lun­gen mehr ein­ge­gan­gen wären.“

Mit die­ser Bewer­tung erreicht der Senat des OLG Ham­burg letzt­end­lich das von ihm in die­sem Urteil benann­te Ergeb­nis. Danach darf die Haf­tung als Geschäfts­füh­rer nicht dazu füh­ren, dass der Geschäfts­füh­rer Zah­lun­gen an den Insol­venz­ver­wal­ter und damit die Insol­venz­mas­se leis­ten muss, die sich dort bei pflicht­ge­mä­ßem Ver­hal­ten nicht befun­den hät­ten.

Die Ent­schei­dung des Bun­des­ge­richts­ho­fes, wann eine Geschäfts­füh­rer­haf­tung wegen Insol­venz­ver­schlep­pung besteht und wel­che Aus­nah­me­tat­be­stän­de dies­be­züg­lich gel­ten, ist in den letz­ten Jah­ren immer kom­ple­xer und damit für die betrof­fe­nen Per­so­nen immer weni­ger über­schau­bar und ver­ständ­lich gewor­den. Auf­grund des­sen ist es eine erfreu­li­che Ten­denz, wenn in pra­xis­na­her Begrün­dung und einem deut­lich for­mu­lier­ten Ziel ein Ober­lan­des­ge­richt die Geschäfts­füh­rer­haf­tung begrenzt.

Soweit Sie zu die­ser The­ma­tik wei­te­re Fra­gen haben, mel­den Sie sich ger­ne unter lange@daniel-hagelskamp.de oder über mei­ne Mit­ar­bei­te­rin, Frau Kalem, unter der Tele­fon-Nr. 0241 94621 138.

Cars­ten Lan­ge
Fach­an­walt für Insol­venz­recht
Mediator/Wirtschaftsmediator (DAA)
Coach

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Über den Autor

  • Carsten Lange

    Cars­ten Lan­ge ist zuge­las­se­ner Rechts­an­walt seit 1996 und Fach­an­walt für Insol­venz­recht und für Steu­er­recht, zudem ist er aus­ge­bil­de­ter Wirt­schafts­me­dia­tor und Coach. Zum Anwalts­pro­fil