INNEN­HAF­TUNG Grund­la­gen der Haf­tungs­fäl­le und Kla­gen gegen GmbH-Geschäfts­füh­rer

TEIL 1 – INNEN­HAF­TUNG

Ver­let­zung der all­ge­mei­nen Sorg­falts­pflicht als Geschäfts­füh­rer

Mit weit über 70 ´% der Haf­tungs­ver­fah­ren wer­den Ansprü­che ver­folgt, die soge­nann­te Innen­haf­tungs­an­sprü­che dar­stel­len. In die­sen Fäl­len ist die Gesell­schaft selbst Gläu­bi­ger und  geht gegen den eige­nen Geschäfts­füh­rer oder den ehe­ma­li­gen Geschäfts­füh­rer vor. Frem­de Drit­te oder die Gesell­schaf­ter selbst sind in die­sen Fäl­len nicht selbst kla­ge­be­rech­tigt.

Kern­vor­wurf in die­sen Fäl­len ist stets die Ver­let­zung von Sorg­falts­pflich­ten. Gestützt wer­den die Vor­wür­fe in der Regel auf die all­ge­mei­ne Haf­tungs­norm des § 43 Abs. 2, Abs. 1 GmbHG.

Nach § 43 Abs. 1 GmbHG hat der Geschäfts­füh­rer in den Ange­le­gen­hei­ten der Gesell­schaft die Sorg­falt eines ordent­li­chen Geschäfts­man­nes anzu­wen­den. Nach den von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Grund­sät­zen schul­det der Geschäfts­füh­rer dabei nach objek­ti­ven Maß­stä­ben die Sorg­falt, die ein ordent­li­cher Geschäfts­mann in ver­ant­wort­lich lei­ten­der Posi­ti­on bei selbst­stän­di­ger Wahr­neh­mung frem­der Ver­mö­gens­in­ter­es­sen zu beach­ten hat. Er hat als Sach­wal­ter frem­der Ver­mö­gens­in­ter­es­sen unter Beach­tung sämt­li­cher recht­li­chen und gesetz­li­chen Vor­schrif­ten den Gesell­schafts­zweck und damit den Unter­neh­mens­ge­gen­stand der Gesell­schaft mög­lichst effek­tiv zu ver­fol­gen und dort Gewin­ne zu erwirt­schaf­ten. Auf sub­jek­ti­ve Kennt­nis­se, Fer­tig­kei­ten und Fähig­kei­ten kommt es nicht an. Der erfah­re­ne und gut aus­ge­bil­de­te Geschäfts­füh­rer haf­tet dabei nach den glei­chen Grund­sät­zen und den glei­chen Aus­ma­ßen wie der uner­fah­re­ne oder nicht gut aus­ge­bil­de­te Mana­ger.

Der Geschäfts­füh­rer schul­det daher der Gesell­schaft kauf­män­ni­sches Han­deln, ord­nungs­ge­mä­ße Orga­ni­sa­ti­on, stra­te­gi­sche Dele­ga­ti­on, Com­pli­ance, Über­wa­chung, Doku­men­ta­ti­on und Rech­nungs­le­gung, Geset­zes­treue und Ver­trau­lich­keit.

Wirt­schaft­li­cher Erfolg oder wirt­schaft­li­cher Miss­erfolg sind dabei jedoch nur bedingt taug­li­che Kri­te­ri­en. Der Geschäfts­füh­rer hat stets das bes­te Ziel und den bes­ten wirt­schaft­li­chen Erfolg für die Gesell­schaft zu ver­fol­gen und gerät dabei in die Haf­tung, wenn er sei­ner Ent­schei­dun­gen ohne ent­spre­chen­de Daten­grund­la­ge und ohne ent­spre­chen­de Risi­ko­ab­wä­gun­gen im geschäft­li­chen Ver­kehr trifft und dadurch einen finan­zi­el­len Scha­den der Gesell­schaft ver­ur­sacht.

Ihm steht nach dem Vor­bild der US-ame­ri­ka­ni­schen Dok­trin zur „Busi­ness Jud­ge­ment Rule“ ein durch­aus wei­ter unter­neh­me­ri­scher Ermes­sens­spiel­raum zu, wenn es dar­um geht, künf­ti­ge wirt­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen im Markt, Ver­hal­ten des Wett­be­werbs, Ver­än­de­rung von Wech­sel­kur­sen, die Ein­schät­zung von Geschäfts­chan­cen und Geschäfts­ri­si­ken etc. zu bewer­ten und dar­auf eine ent­spre­chen­de Ent­schei­dung auf­zu­bau­en.

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­ho­fes (grund­le­gend ist das als „ARAG“-Entscheidung bezeich­ne­te Urteil des BGH vom 21.04.1997, WM 1997, 970ff) führt ein unter­neh­me­ri­sches Han­deln des Geschäfts­füh­rers nicht zu einer Haf­tung, wenn sie von Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein getra­gen, sich aus­schließ­lich am Unter­neh­mens­wohl ori­en­tiert und auf einer sorg­fäl­ti­gen Ermitt­lung der Ent­schei­dungs­grund­la­ge beruht. Die Bereit­schaft zum Ein­ge­hen von Risi­ken darf dabei nicht in unver­ant­wort­li­cher Art und Wei­se über­spannt wer­den.

Eine Haf­tung für unter­neh­me­ri­sches Han­deln ist daher in der Regel dann anzu­neh­men, wenn sich auf­drän­gen­de Risi­ken nicht bewer­tet oder sich über­haupt kei­ne Gedan­ken über das Risi­ko­um­feld der unter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung gemacht wer­den.

Für Geschäfts­füh­rer beson­ders nach­tei­lig ist in recht­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen, dass der Geschäfts­füh­rer mit der Auf­ga­be beweis­be­las­tet ist nach­zu­wei­sen, dass er pflicht­ge­mäß gehan­delt hat. Ent­ge­gen den übli­chen Anfor­de­run­gen zivil­recht­li­cher Aus­ein­an­der­set­zun­gen muss nicht die Gesell­schaft als Anspruchs­stel­ler den Pflicht­ver­stoß nach­wei­sen, son­dern der Geschäfts­füh­rer muss sein pflicht­ge­mä­ßes Ver­hal­ten dar­le­gen kön­nen.

Ori­en­tiert an dem Leit­bild des Sach­wal­ters und Treu­hän­ders in frem­den Ver­mö­gens­in­ter­es­sen ist dem Geschäfts­füh­rer daher zu raten, die Grund­la­gen und Wege sei­ner Ent­schei­dung ver­nünf­tig zu doku­men­tie­ren, um sie im Streit­fal­le der Gesell­schaft auch vor­hal­ten zu kön­nen.

Zu Streit­fäl­len kommt es dann lei­der häu­fig in den Situa­tio­nen, in denen ent­we­der ein Insol­venz­ver­wal­ter als beru­fe­ner und sach­ver­stän­di­ger Drit­ter im ver­meint­li­chen Gläu­bi­ger­in­ter­es­se plötz­lich sein Heil dar­in sucht, den wirt­schaft­li­chen Nie­der­gang der Gesell­schaft den ehe­mals ver­ant­wort­lich han­deln­den Geschäfts­füh­rern anzu­hän­gen, um noch Ver­mö­gen zur ver­tei­lungs­fä­hi­gen Mas­se und zur Deckung sei­ner Gebüh­ren her­an­zu­zie­hen oder wenn Ver­än­de­run­gen im Gesell­schaf­ter­kreis statt­ge­fun­den haben. So sind es häu­fig die neu­en Inves­to­ren (bei­spiels­wei­se Ven­ture Capi­tal Fonds oder pri­va­te Inves­to­ren) die den Ver­lust ihres Invest­ments auf die Schul­tern der Geschäfts­füh­rung abwäl­zen möch­ten. Aber auch kann es dazu kom­men, dass in schon seit lan­gen Zei­ten bestehen­den guten Gesell­schaf­ter­struk­tu­ren durch per­sön­li­che Ver­än­de­run­gen oder sons­ti­ge wirt­schaft­li­che Neue­run­gen Rah­men­be­din­gun­gen geschaf­fen wer­den, die Strei­te­rei­en auf Gesell­schaf­ter­ebe­ne pro­vo­zie­ren, die dann am lan­gen Ende in Vor­wür­fen gegen die Geschäfts­füh­rung mün­den.

Neben feh­ler­haf­ten unter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dun­gen kön­nen aber auch ins­be­son­de­re Orga­ni­sa­ti­ons- und Dele­ga­ti­ons­män­gel dazu füh­ren, dass der Geschäfts­füh­rer der Gesell­schaft für die ihr hier­aus ent­ste­hen­den Schä­den haf­tet.

So sind bei­spiels­wei­se die Kal­ku­la­tio­nen von Auf­trä­gen, der dazu­ge­hö­ri­ge Ver­trags­ab­schluss aber auch die ent­spre­chen­de Nach­kal­ku­la­ti­on sau­ber auf­zu­zeich­nen und für Drit­te nach­voll­zieh­bar zu doku­men­tie­ren. Ist es für Drit­te bei­spiels­wei­se im Nach­gang nicht mehr mög­lich nach­zu­voll­zie­hen, wel­che Aus­füh­rungs­leis­tung die eige­ne Gesell­schaft gegen­über Kun­den schul­det, so kann auch nicht nach­voll­zieh­bar ermit­telt wer­den, ob gege­be­nen­falls noch Son­der­leis­tun­gen erbracht wur­den, die eben­so abrech­nungs­fä­hig und damit im Ergeb­nis rele­vant für die Gesell­schaft wären. Es kommt also nicht dar­auf an, ob der Geschäfts­füh­rer mit unter­neh­me­ri­schem Erfolg für die Gesell­schaft han­delt, son­dern ob er unter den gege­be­nen Umstän­den den best­mög­li­chen unter­neh­me­ri­schen Erfolg erwirt­schaf­tet hat. Er muss dabei ihre Unter­neh­mens­struk­tur und sowie die Unter­neh­mens­or­ga­ni­sa­ti­on der­art gestal­ten, dass die Auf­ga­ben best­mög­lich und in Ein­hal­tung der Geset­ze durch die Mit­ar­bei­ter erfüllt wer­den kön­nen.

Die Haf­tungs­ver­ant­wort­lich­keit ist der Höhe nach unbe­grenzt. Der Anspruch ver­jährt jedoch in 5 Jah­ren ab Kennt­nis­nah­me der Gesell­schaft von einem ent­stan­de­nen Scha­den. Im Haf­tungs­ver­fah­ren muss die Gesell­schaft den Scha­den nach­wei­sen und die Umstän­de dar­le­gen, aus denen sich die Ursäch­lich­keit einer mög­li­chen Pflicht­ver­let­zung für den ent­stan­de­nen Scha­den ergibt. Der Geschäfts­füh­rer hat nach­zu­wei­sen, dass er sich pflicht­ge­mäß ver­hal­ten hat.

In Kri­sen­fäl­len und dar­an anknüp­fen­den Sanie­rungs­si­tua­tio­nen ergibt sich ana­log zu §43 GmbHG eine Ver­ant­wort­lich­keit des Geschäfts­füh­rers aus §43 Sta­RUG – Unter­neh­mens­sta­bi­li­sie­rungs- und Restruk­tu­rie­rungs­ge­setz.

Beson­de­re Fäl­le der Innen­haf­tung

Zah­lun­gen an Gesell­schaf­ter

Die zuguns­ten der Gesell­schaf­ter wir­ken­de Haf­tungs­pri­vi­le­gie­rung der Gesell­schaft auf das Stamm­ka­pi­tal gegen­über Drit­ten ist ein Vor­teil der GmbH. Die­se Haf­tungs­pri­vi­le­gie­rung ist eine Sei­te der Medail­le, deren ande­re Sei­te die beson­de­ren Vor­schrif­ten des GmbH-Rechts zum Erhalt des Stamm­ka­pi­tals sind. Das Stamm­ka­pi­tal ist die den Drit­ten vom Gesetz garan­tier­te Haf­tungs­mas­se. Die­ses darf zwar im all­ge­mei­nen wirt­schaft­li­chen Ver­kehr unter­ge­hen, es darf jedoch nicht zuguns­ten der Gesell­schaf­ter, die sich auf die Haf­tungs­pri­vi­le­gie­rung beru­fen, der Gesell­schaft ent­zo­gen wer­den.

Gemäß §43 Abs. 3 GmbHG in Ver­bin­dung mit §30 GmbHG haf­ten die Geschäfts­füh­rer daher, wenn Sie Zah­lun­gen an die Gesell­schaf­ter ver­an­las­sen, die zulas­ten des Stamm­ka­pi­tals gehen. Dies bedeu­tet, dass die Geschäfts­füh­rer ins­be­son­de­re im Zah­lungs­ver­kehr mit den Gesell­schaf­tern erhöh­te Auf­merk­sam­keit wal­ten las­sen müs­sen. Sie müs­sen stets die wirt­schaft­li­che Lage der Gesell­schaft hier­zu im Blick behal­ten. Dies gilt selbst dann, wenn die Gesell­schaf­ter den Geschäfts­füh­rer zu einer sol­chen Zah­lung anwei­sen. Die Wei­sung führt nicht in allen Fäl­len dazu, dass die Ver­ant­wort­lich­keit des Geschäfts­füh­rers besei­tigt wird.

Rele­vanz haben die­se Über­le­gun­gen auch in Cash Poo­ling-Struk­tu­ren oder bei sons­ti­gen Dar­le­hens­hin­ga­ben an die Gesell­schaf­ter. Dies gilt im Übri­gen auch in Fäl­len der Dar­le­hens­ge­wäh­rung inner­halb von Unter­neh­mens­grup­pen. Das Dar­le­hen an eine Schwes­ter­ge­sell­schaft ist letzt­lich eine den Gesell­schaf­ter begüns­ti­gen­de Finan­zie­rung, bei der die Wert­hal­tig­keit der Dar­le­hens­rück­ge­währ­s­an­sprü­che zu über­wa­chen ist. Im Zwei­fel muss der Geschäfts­füh­rer gegen das Inter­es­se der Gesell­schaf­ter die Rück­zah­lung der Dar­le­hen ein­for­dern, um eine Eigen­haf­tung zu ver­mei­den. In sol­chen Kon­stel­la­tio­nen kann dann auch schon mal die eige­ne beruf­li­che Anstel­lung des Geschäfts­füh­rers auf dem Spiel ste­hen.

Zah­lun­gen an Gesell­schaf­ter im Fal­le der Insol­venz­rei­fe

Kri­sen­zei­ten einer Gesell­schaft sind ganz beson­ders schwie­ri­ge und haf­tungs­träch­ti­ge Zei­ten für die Geschäfts­füh­rung. Auf der einen Sei­te muss irgend­wie ver­sucht wer­den, den wirt­schaft­li­chen Miss­erfolg abzu­wen­den, auf der ande­ren Sei­te set­zen die recht­li­chen Ver­ant­wort­lich­kei­ten den Han­deln­den zu.

So haf­ten die Geschäfts­füh­rer gemäß §15b InsO der Gesell­schaft dafür, dass sie ab Ein­tritt der Insol­venz­rei­fe (Zah­lungs­un­fä­hig­keit oder Über­schul­dung) an Drit­te außer­halb des ord­nungs­ge­mä­ßen Geschäfts­gangs der Gesell­schaft kei­ner­lei Zah­lun­gen mehr leis­ten. Ins­be­son­de­re der Ein­tritt des Über­schul­dungs­sta­tus ist dabei nicht immer ein­deu­tig zu erken­nen. Dies ver­langt, dass die Geschäfts­füh­rer in sol­chen Zei­ten in kur­zen zeit­li­chen Abstän­den sowohl den Liqui­di­täts­sta­tus der Gesell­schaft fest­stel­len, einen stets auf dem neu­es­ten Stand zu brin­gen­den Liqui­di­täts­plan füh­ren und neben den not­wen­di­gen Fest­stel­lun­gen zur Prü­fung, ob eine Über­schul­dung vor­liegt, auch die ent­spre­chen­den Arbei­ten erbrin­gen, um fest­zu­stel­len, ob der Gesell­schaft noch eine posi­ti­ve Fort­füh­rungs­pro­gno­se aus­ge­stellt wer­den kann.

Gemäß §15b Abs. 5 InsO haf­ten die Geschäfts­füh­rer für Zah­lun­gen an die Gesell­schaf­ter, soweit die­se Zah­lun­gen zu Zah­lungs­un­fä­hig­keit der Gesell­schaft füh­ren muss­ten. Auch wenn in Recht­spre­chung und Lite­ra­tur zu die­ser Haf­tungs­norm noch vie­les in Bewe­gung ist, kann der Geschäfts­füh­rung nur ange­ra­ten wer­den, in sol­chen Zei­ten jeg­li­chen Mit­tel­trans­fer an die Gesell­schaf­ter zu prü­fen und gut zu doku­men­tie­ren. Es muss vor allen Din­gen der Ein­druck ver­mie­den wer­den, dass die Gesell­schaf­ter hier Mit­tel der Gesell­schaft in Sicher­heit brin­gen woll­ten. Nicht nur, dass die­se Zah­lun­gen dann ohne­hin durch ein Insol­venz­ver­wal­ter ange­foch­ten und zurück­ge­for­dert wer­den, son­dern dann geht hier der Geschäfts­füh­rer mit sei­nem Pri­vat­ver­mö­gen hier­für zusätz­lich in die Haf­tung.

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Über den Autor

  • Christoph Schmitz-Schunken

    Chris­toph Schmitz-Schun­ken ist zuge­las­se­ner Rechts­an­walt seit 2005, Steu­er­be­ra­ter, Fach­an­walt für Han­dels- und Gesell­schafts­recht, Fach­an­walt für Steu­er­recht, zert. Bera­ter Steu­er­straf­recht (DAA) und Mit­glied im Vor­stand der Rechts­an­walts­kam­mer Köln. Zum Anwalts­pro­fil