Im inter­na­tio­na­len Han­dels- und Wirt­schafts­recht haben Gericht­stands­klau­seln eine her­aus­ra­gen­de Bedeu­tung. Wäh­rend Anwäl­te bei der Prü­fung eines Ver­tra­ges zunächst das anwend­ba­re Recht und den Gerichts­stand ermit­teln, wer­den die­se bei­den Gegen­stän­de tra­di­tio­nell erst am Ende gere­gelt und damit ver­han­delt, obwohl man eigent­lich hier­mit anfan­gen müss­te. Denn wenn die Par­tei­en sich hier­über nicht eini­gen kön­nen, schei­tern Ver­trä­ge häu­fig an die­ser Fra­ge und die Ener­gie und Kos­ten für die Ver­hand­lung wur­den umsonst auf­ge­wandt. Häu­fig schließt man jedoch genau aus die­sem Grund Kom­pro­mis­se, die spä­ter sehr teu­er wer­den kön­nen.

Schieds­ge­richt vs. staat­li­ches Gericht

Bei der Ver­hand­lung eines Ver­tra­ges stellt sich zunächst die Fra­ge, ob für den Fall, dass aus oder im Zusam­men­hang mit dem Ver­trag ein Rechts­streit ent­ste­hen könn­te, der Weg zu den staat­li­chen Gerich­ten oder zu einem Schieds­ge­richt eröff­net sein soll.

Die Wahl eines Schieds­ge­rich­tes liegt bei Ver­trä­gen mit Ver­trags­part­nern, die ihren Sitz außer­halb der EU oder des EWR haben, nahe. Denn sehr vie­le Län­der gewähr­leis­ten nicht die Voll­streck­bar­keit einer Ent­schei­dung eines aus­län­di­schen staat­li­chen Gerichts. Man­che Län­der, wie z.B. Russ­land und die meis­ten ara­bi­schen Län­der, las­sen auch kei­ne Gerichts­stand­ver­ein­ba­run­gen zu, weil nach ihrer Auf­fas­sung die Pri­vat­au­to­no­mie der Par­tei­en nicht so weit gehen kann, dass sie über die Befug­nis hoheit­li­cher Gerich­te dis­po­nie­ren könn­ten. Auch gibt es vie­le Län­der, in denen die aus­län­di­sche Par­tei ange­sichts mög­li­cher­wei­se einer noch Ver­bes­se­rungs­po­ten­zi­al auf­wei­sen­den Unab­hän­gig­keit der Gerich­te einen Heim­vor­teil hät­ten.

Der Nach­teil der Schieds­ge­richts­bar­keit kann jedoch sein, dass die­se teu­rer ist als der Weg zu staat­li­chen Gerich­ten da die Par­tei­en in dem Schieds­ver­fah­ren nicht nur die Anwäl­te, son­dern auch die Rich­ter bezah­len müs­sen. Zudem gibt es nur eine Instanz. Jeden­falls aber ist auf­grund des New-Yor­ker Über­ein­kom­mens die Voll­stre­ckung von Schieds­sprü­chen welt­weit gewähr­leis­tet.

Kri­te­ri­en für einen sinn­vol­len Gerichts­stand

Ent­schei­det man sich für den Rechts­weg zu den staat­li­chen Gerich­ten, soll­te ein Gerichts­stand im Anwen­dungs­be­reich der Brüs­sel Ia-Ver­ord­nung mit Bedacht gewählt wer­den.

Abseits einer ver­trag­li­chen Rege­lung ist gemäß Art. 4 der Ver­ord­nung als Grund­re­gel das Gericht am Sitz der beklag­ten Par­tei zustän­dig. Alter­na­tiv ist gemäß Art. 7 die Zustän­dig­keit der Gerich­te am jewei­li­gen Erfül­lungs­ort, d.h. bei Kauf­ver­trä­gen an dem Ort der tat­säch­li­chen Lie­fe­rung, im Bereich der Dienst-/Werk­ver­trä­ge der Ort der Erbrin­gung der jewei­li­gen ver­trag­li­chen Leis­tun­gen eröff­net. Arti­kel 25 Brüs­sel Ia-VO erlaubt den Par­tei­en aller­dings, einen Gerichts­stand zu wäh­len. Vor­aus­set­zung ist, dass dies schrift­lich erfolgt (was übri­gens auch für Schieds­ver­ein­ba­run­gen gilt). Ein blo­ßer Hin­weis auf all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen reicht nach all­ge­mei­ner Auf­fas­sung im inter­na­tio­na­len Recht nicht aus. Im natio­na­len deut­schen oder bel­gi­schen Recht ver­hält sich dies anders. In der Pra­xis des inter­na­tio­na­len Ver­trags­rechts schei­tern Ver­su­che einer wirk­sa­men Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung häu­fig.

Erfah­rungs­ge­mäß ver­sucht jede Ver­trags­par­tei, ihren Hei­mat­ge­richt­stand durch­zu­set­zen. Die­ser Reflex führt jedoch nicht unbe­dingt zu sach­ge­rech­ten Ergeb­nis­sen.

Zunächst ist die Ver­ein­ba­rung eines Gericht­stan­des unab­hän­gig von dem anwend­ba­ren Recht zu sehen. Aller­dings kann gemäß dem Erwä­gungs­grund 12 der Rom I‑VO, die sich über die Fra­ge des anwend­ba­ren Rechts ver­hält, die Wahl eines Gerichts­stan­des einer der zu berück­sich­ti­gen­den Fak­to­ren für die Fest­stel­lung des Vor­lie­gens einer ein­deu­ti­gen Rechts­wahl sein.

Die Fra­ge des anwend­ba­ren Rechts ist im Bereich des inter­na­tio­na­len Kauf­rechts in vie­len Fäl­len sekun­där, soweit das UN-Kauf­recht zur Anwen­dung beru­fen ist. Die­ses inter­na­tio­na­le Kauf­recht ist von mitt­ler­wei­le 93 Län­dern rati­fi­ziert, dar­un­ter alle Mit­glieds­staa­ten der EU mit Aus­nah­me von Por­tu­gal, Mal­ta und Groß­bri­tan­ni­en. Chi­na, Japan, Russ­land, die USA und vie­le ande­re Län­der haben das UN-Kauf­recht rati­fi­ziert. Inso­weit sind die Gerich­te zur Anwen­dung die­ses Rechts, das sie in ihr eige­nes natio­na­les Recht über­nom­men haben, beru­fen.

In ande­ren Fall­ge­stal­tun­gen, wenn z.B. das UN-Kauf­recht wirk­sam zu Guns­ten eines natio­na­len unver­ein­heit­lich­ten Zivil- und Han­dels­rechts aus­ge­schlos­sen wur­de oder es um ande­re als Kauf­ver­trä­ge geht, könn­te der ers­te Ansatz­punkt für eine sach­ge­mä­ße Rechts­wahl sein, dass es bes­ser ist, ein Gericht zu wäh­len, das mit dem anzu­wen­den­den Recht ver­traut ist. Des­halb soll­te, sofern nicht ande­re Umstän­de eine Rol­le spie­len, ein Ver­trag, der dem bel­gi­schen Recht unter­liegt, eher in Bel­gi­en zu Gericht kom­men als in Deutsch­land und umge­kehrt. Dies ver­mei­det nicht nur teu­re Rechts­gut­ach­ten, son­dern spielt bereits bei der Fra­ge der Über­set­zungs­kos­ten für Doku­men­te und zitier­te Recht­spre­chung eine gro­ße Rol­le.

Aber auch ande­re Erwä­gun­gen spie­len eine Rol­le, z.B. die Sach­nä­he. Wenn es um Män­gel eines Bau­werks oder einer Maschi­ne geht, kommt es in Gewähr­leis­tungs­pro­zes­sen häu­fig zu Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten. Dann ist es häu­fig prak­tisch, wenn das Gericht eines Lan­des befugt ist, in des­sen Hoheits­be­reich sich der Streit­ge­gen­stand befin­det.

Schein­ba­re Kom­pro­mis­se sind bei der Wahl eines Gerichts­stan­des eher abzu­leh­nen. Kürz­lich ver­han­del­ten wir Ver­trag zwi­schen einem deut­schen Lie­fe­ran­ten und einem nor­we­gi­schen Käu­fer. Die Par­tei­en konn­ten sich nicht auf das anwend­ba­re Recht ver­stän­di­gen und schlu­gen des­halb sowohl für das anwend­ba­re Recht wie auch den Gerichts­stand einen Mit­tel­weg vor, d.h. einen däni­schen Gericht­stand und die Anwend­bar­keit des däni­schen Rechts. Dies mach­te jedoch ersicht­lich kei­nen Sinn, da geo­gra­phi­sche Erwä­gun­gen im digi­ta­len Zeit­al­ter der Glo­ba­li­sie­rung kei­ne Rol­le mehr spie­len kön­nen. Der ein­zi­ge Vor­teil war, dass kei­ne der bei­den Par­tei­en wuss­te, was damit ver­ein­bart wur­de.

Viel wich­ti­ger ist hin­ge­gen, ob das gewähl­te Gericht kom­pe­tent ist, rechts­staat­li­che Grund­sät­ze gewähr­leis­tet sind (dies ist lei­der auch ein Erwä­gungs­grund, der in letz­ter Zeit in der EU eine Rol­le spielt) und vor allem spie­len auch die Kos­ten von Ver­fah­ren eine Rol­le. Rechts­strei­tig­kei­ten in Groß­bri­tan­ni­en sind z.B. pro­hi­bi­tiv teu­er im Ver­gleich zu Deutsch­land. Deutsch­land hat z.B. im Ver­gleich zu Bel­gi­en den Nach­teil, dass rela­tiv hohe Gerichts­kos­ten­vor­schüs­se zu zah­len sind, wäh­rend in Bel­gi­en nur die Kos­ten der Zustel­lung durch einen Gerichts­voll­zie­her in Höhe von ca. 500,00 Euro zu berück­sich­ti­gen sind. In Frank­reich erfolgt eine Erstat­tung der Anwalts­kos­ten durch die unter­le­ge­ne Par­tei nur zu einem gerin­gen Teil, in Deutsch­land hin­ge­gen voll­stän­dig. Auch die zu erwar­ten­de Ver­fah­rens­län­ge spielt eine Rol­le. Zwei Instan­zen in Brüs­sel kön­nen leicht acht Jah­re dau­ern, wäh­rend man bei zügi­ger Pro­zess­füh­rung in Deutsch­land ein sol­ches Ver­fah­ren, vor­be­halt­lich auf­wen­di­ger Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten, in unter zwei Jah­ren durch­füh­ren kann (Aus­nah­men, lei­der, gibt es immer wie­der). Auch die Gerichts­kul­tur spielt eine Rol­le: In Bel­gi­en und Frank­reich z.B. wird eine Ange­le­gen­heit plä­diert, der Rich­ter ver­mit­telt nicht; in Deutsch­land hin­ge­gen hat der Rich­ter gemäß § 278 ZPO die Auf­ga­be, zwi­schen den Par­tei­en zu ver­mit­teln, was eine zusätz­li­che Chan­ce einer schnel­len, güt­li­chen und ange­mes­se­nen Streit­bei­le­gung eröff­net.

Am bes­ten lässt sich hier­zu von einer Kanz­lei bera­ten, die die infra­ge kom­men­den Rechts­ord­nun­gen kennt und auch Rechts­strei­tig­kei­ten vor den Gerich­ten der Län­der füh­ren kann, zu denen der Ver­trag einen Bezug auf­weist. Denn häu­fig erfol­gen sol­che Ver­ein­ba­run­gen auch aus der Not her­aus, dass der hin­zu­ge­zo­ge­ne inter­ne oder exter­ne Rechts­an­walt nur in einer Rechts­ord­nung zu Hau­se ist.

Gui­do J. Imfeld

Rechts­an­walt (DE)
Fach­an­walt für Inter­na­tio­na­les Wirt­schafts­recht
Fach­an­walt für Han­dels- und Gesell­schafts­recht
Fach­an­walt für gewerb­li­chen Rechts­schutz
Wirt­schafts­me­dia­tor

News­let­ter-Anmel­dung

Ja, ich habe die Daten­schutz­er­klä­rung zur Kennt­nis genom­men und bin mit Absen­den des Kon­takt­for­mu­la­res mit der elek­tro­ni­schen Ver­ar­bei­tung und Spei­che­rung mei­ner Daten ein­ver­stan­den. Mei­ne Daten wer­den dabei nur streng zweck­ge­bun­den zur Bear­bei­tung und Beant­wor­tung mei­ner Anfra­ge benutzt.