Anmer­kung zur Ent­schei­dung des EuGH vom 24. Novem­ber 2022 — C‑358/21

(Til­man SA ./. Uni­le­ver Sup­p­ly Com­pa­ny AG)

Die Wirk­sam­keit von Gerichts­stands­ver­ein­ba­run­gen im inter­na­tio­na­len Rechts­ver­kehr ist ein pro­zes­sua­ler Dau­er­bren­ner. In die­sem Bereich wird, meis­tens aus Unkennt­nis, viel falsch gemacht. Und sol­che Feh­ler kön­nen erheb­li­che finan­zi­el­le Aus­wir­kun­gen haben, denn im inter­na­tio­na­len Rechts­ver­kehr ist die Wahl des Gerichts­stan­des von maß­geb­li­cher pro­zes­sua­ler und wirt­schaft­li­cher Bedeu­tung. Denn häu­fig ist lei­der nicht (nur) das anwend­ba­re Recht streit­ent­schei­dend, son­dern vor allem die Wahl des rich­ti­gen Gerichts.

Die gesetz­li­chen Rege­lun­gen
Im deut­schen Recht regelt § 38 ZPO die Wirk­sam­keit von Gerichts­stands­ver­ein­ba­run­gen. Die­se sind zuläs­sig, wenn es sich um ein Geschäft zwi­schen Kauf­leu­ten han­delt oder wenn der Ver­trags­part­ner kei­nen Sitz im Inland hat. Eine sol­che Gerichts­stand­ver­ein­ba­rung bedarf kei­ner Schrift­form und ist sogar still­schwei­gend mög­lich. Ins­be­son­de­re reicht bereits der Hin­weis auf die Ein­be­zie­hung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen aus, damit die­se wirk­sam Ver­trags­be­stand­teil wer­den, wenn und soweit der Ver­trags­part­ner die Mög­lich­keit hat, die All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen bei dem Ver­wen­der der­sel­ben anzu­for­dern oder, was heut­zu­ta­ge die Regel ist, die Mög­lich­keit hat, die­se im Inter­net ein­zu­se­hen.

Dar­aus den Schluss zu zie­hen, ein blo­ßer Hin­weis auf AGB rei­che in jedem Fall für den wirk­sa­men Abschluss einer Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung aus, wäre jedoch rechts­feh­ler­haft. Denn für den Fall, dass der Ver­trags­part­ner sei­nen Sitz im Aus­land hat, bedarf eine Gerichts­stand­ver­ein­ba­rung, die in die­sem Fal­le auch mit Unter­neh­mern, die nicht zuläs­sig ist, die nicht Voll­kauf­leu­te im Sin­ne von § 1 HGB sind, gemäß § 38 Abs. 2 ZPO der Schrift­form. Aller­dings ist der prak­ti­sche Anwen­dungs­be­reich die­ser Norm nicht sehr weit, da sie in den Fäl­len bei Aus­lands­be­zug inner­halb des EWR von Art. 25 der Brüs­sel Ia-Ver­ord­nung bzw. Art. 23 des (revi­dier­ten) Luga­no-Über­ein­kom­mens ver­drängt wird. Um die­se Vor­schrif­ten und eine hier­zu ergan­ge­ne Ent­schei­dung des EuGH soll es in die­sem Bei­trag gehen.

Vor­aus­set­zung der Ein­be­zie­hung von AGB im inter­na­tio­na­len Rechts­ver­kehr
Wenn sich der Ver­wen­der von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen auf eine dort ent­hal­te­ne Gerichts­stand­ver­ein­ba­rung beruft, ist zunächst zu prü­fen, ob die AGB über­haupt wirk­sam in den Ver­trag ein­be­zo­gen wur­den. Bei inter­na­tio­na­len Kauf­ver­trä­gen hat die­se Prü­fung anhand des anwend­ba­ren Rechts zu erfol­gen. Auch die Fra­ge des anwend­ba­ren Rechts ist regel­mä­ßig Gegen­stand einer Klau­sel in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen. Dar­aus wie­der­um den Rück­schluss zu zie­hen, dass dann das dort vor­ge­se­he­ne mate­ri­el­le Recht maß­geb­lich für die Fra­ge der Ein­be­zie­hung ist, wäre jedoch zu kurz gesprun­gen. Denn die Ver­ein­ba­rung des anwend­ba­ren Rechts setzt ja wie­der­um die wirk­sa­me Ein­be­zie­hung der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen vor­aus.

Daher ist nach rich­ti­ger Ansicht die Fra­ge der Wirk­sam­keit der Ein­be­zie­hung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen nach dem Recht zu prü­fen, das ohne die Rechts­wahl anwend­bar wäre. Inter­na­tio­na­le Kauf­ver­trä­ge eines in Deutsch­land ansäs­si­gen Ver­käu­fers unter­lie­gen dem Über­ein­kom­men der Ver­ein­ten Natio­nen über Ver­trä­ge über den inter­na­tio­na­len Waren­kauf vom 11. April 1980 (CISG, auch als UN-Kauf­recht bezeich­net), das als Spe­zi­al­ge­setz die im BGB und HGB ent­hal­te­nen gesetz­li­chen Rege­lun­gen mit Aus­nah­me der Aspek­te der Auf­rech­nung, Stell­ver­tre­tung, des Eigen­tums­über­gangs, der inhalt­li­chen Wirk­sam­keit von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen und der Höhe der Ver­zugs­zin­sen ver­drängt.

Soweit die Fra­ge der Ein­be­zie­hung von AGB betrof­fen ist, weicht das UN-Kauf­recht in zwei maß­geb­li­chen Punk­ten von den deut­schen unver­ein­heit­lich­ten Recht des BGB und HGB ab. Zunächst erschwert das UN-Kauf­recht die Ein­be­zie­hung, weil die­se vor­aus­setzt, dass die All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen dem Ver­trags­part­ner vor oder spä­tes­tens bei Abschluss des Ver­tra­ges zur Kennt­nis gebracht wer­den. Grund­sätz­lich reicht der Hin­weis auf die Abruf­bar­keit von AGB im Anwen­dungs­be­reich des UN-Kauf­rechts nicht aus. Im Kon­text die­ser Fra­ge ist auch zu berück­sich­ti­gen, dass All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen nur wirk­sam in den Ver­trag ein­be­zo­gen wer­den, wenn der Ver­trags­part­ner die Mög­lich­keit der Kennt­nis­nah­me hat, was bedingt, dass er deren Spra­che ver­steht. Im Anwen­dungs­be­reich des UN-Kauf­rechts müs­sen die AGB ent­we­der in der Lan­des­spra­che des Ver­trags­part­ners, jeden­falls aber in der Spra­che abge­fasst wer­den, in der die Par­tei­en die Ver­hand­lun­gen geführt haben. Der häu­fig im Anwen­dungs­be­reich des BGB und HGB gehör­te Satz, dass sich ein Ver­trags­part­ner, der mit einer deut­schen Par­tei kon­tra­hiert, über den Inhalt even­tu­ell für ihn nicht ver­ständ­li­cher ver­trag­li­cher Regeln zu infor­mie­ren, gilt im UN-Kauf­recht nicht. In der Pra­xis emp­fiehlt sich als rechts­si­che­re­re Vari­an­te die Ver­wen­dung der Ver­hand­lungs­spra­che, da im inter­na­tio­na­len Han­del nicht durch­weg sicher­ge­stellt ist, dass der Ver­hand­lungs­part­ner auch die Spra­che des Lan­des, in der das Unter­neh­men sei­nen Sitz hat, spricht. Ein ame­ri­ka­ni­scher Unter­neh­mer mit Sitz in Ham­burg muss nicht unbe­dingt Deutsch spre­chen. Auch gibt es Län­der wie die Schweiz, Bel­gi­en, Ita­li­en oder Luxem­burg, die meh­re­re Amts­spra­chen haben.

Der zwei­te Aspekt, der zu berück­sich­ti­gen ist, ist, dass das UN-Kauf­recht die Last shot-rule anwen­det, wäh­rend im unver­ein­heit­lich­ten deut­schen Recht des BGB und HGB die Knock­out-rule gilt. Die Knock­out-rule bedeu­tet, dass bei zur Durch­füh­rung gelang­ten Ver­trä­gen, in denen die Par­tei­en wech­sel­sei­tig auf ihre jewei­li­gen All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen Bezug genom­men haben, die sich inhalt­lich wider­spre­chen­den Rege­lun­gen annul­liert wer­den und statt ihrer das jeweils zur Anwen­dung beru­fe­ne Geset­zes­recht gilt. Im UN-Kauf­recht setz­ten sich hin­ge­gen die AGB durch, die zuletzt wider­spruchs­los in die Kor­re­spon­denz ein­ge­führt wur­den.

Das Schrift­form­erfor­der­nis für eine Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung im Ein­zel­nen
Wenn nun­mehr der in Deutsch­land ansäs­si­ge Ver­käu­fer die­se Hür­den genom­men hat, war damit aber immer noch nicht sicher­ge­stellt, dass die in den AGB ent­hal­te­ne Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung eben­falls wirk­sam ist. Denn bei grenz­über­schrei­ten­den Geschäf­ten gilt nicht § 38 ZPO, son­dern Art. 25 der Brüs­sel Ia-Ver­ord­nung bzw. Art. 23 des Luga­no-Über­ein­kom­mens. Die­se setzt die min­des­tens ein­sei­ti­ge Schrift­form für die Wirk­sam­keit einer Gerichts­stand­ver­ein­ba­rung vor­aus. Ein­sei­ti­ge Schrift­form bedeu­tet, dass nach ratio legis gewähr­leis­tet sein muss, dass zumin­dest die Par­tei, deren all­ge­mei­ner Gerichts­stand, d. h. der Gerichts­stand am Sitz des Ver­trags­part­ners, abbe­dun­gen wird, schrift­lich doku­men­tiert, dass sie Kennt­nis von der Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung hat und dass die Par­tei­en tat­säch­lich eine dahin­ge­hen­de Eini­gung getrof­fen haben (EuGH Rs. 62–2013 — Ref­comp und Rs. C 82–2016 — Pro­fit Invest­ment SIM). Zur Doku­men­ta­ti­on des­sen ist aber nicht unbe­dingt die Unter­schrift bei­der Sei­ten in einer Urkun­de not­wen­dig.

Jeden­falls aber reich­te bis­her im inter­na­tio­na­len Rechts­ver­kehr der blo­ße Hin­weis auf AGB, die eine Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung ent­hal­ten, nicht aus, auch wenn der Ver­trags­part­ner die Mög­lich­keit gehabt hät­te, die­se abzu­ru­fen.

In der han­dels­recht­li­chen Pra­xis ver­sucht man die­ses Man­ko häu­fig unter Hin­weis auf Han­dels­ge­bräu­che im inter­na­tio­na­len Han­dels­ver­kehr oder Gewohn­hei­ten, die sich zwi­schen den Par­tei­en ent­wi­ckelt hät­ten, zu hei­len. Dies gelingt aller­dings nur sel­ten bis gar nicht. Denn wenn der inter­na­tio­na­le Han­dels­ver­kehr bereits per se von der Schrift­form absä­he, bedürf­te es der Vor­schrift des Art. 25 Brüs­sel Ia-Ver­ord­nung nicht. Eine Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung mit Kon­su­men­ten ist, jeden­falls vor Ent­ste­hen einer Strei­tig­keit, unzu­läs­sig. Der Anwen­dungs­be­reich der Vor­schrift ist nur bei inter­na­tio­na­len Ver­trä­gen eröff­net. Infol­ge­des­sen bedürf­te es der Vor­schrift nicht, gäbe es einen inter­na­tio­na­len Han­dels­brauch per se. Han­dels­bräu­che kön­nen nur sek­to­ren­spe­zi­fisch sein. Bis­lang hat die Recht­spre­chung auch nur sehr weni­ge Han­dels­bräu­che, wie im Holz­han­del, aner­kannt. Besteht eine dau­er­haf­te Han­dels­be­zie­hung zwi­schen den Par­tei­en, ist es nicht not­wen­dig, bei jedem Rechts­ge­schäft erneut eine Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung zu tref­fen. Hier wird in der Argu­men­ta­ti­on jedoch häu­fig zu kurz gesprun­gen. Denn nach rich­ti­ger Ansicht, ins­be­son­de­re des OLG Köln, setzt die Wirk­sam­keit einer form­lo­sen Abspra­che eines Gerichts­stan­des jeden­falls vor­aus, dass in einer dau­er­haf­ten Geschäfts­be­zie­hung zumin­dest ein­mal wirk­sam ein Gerichts­stand ver­ein­bart wur­de und anzu­neh­men ist, dass der Ver­trags­part­ner sich dar­über bewusst war, dass dies auch für Fol­ge­ge­schäf­te gel­ten soll­te. Die dau­er­haf­te Geschäfts­be­zie­hung ersetzt tat­be­stand­lich das Schrift­form­erfor­der­nis nicht.

Recht­spre­chung des EuGH
Die Recht­spre­chung des EuGH ließ jedoch gewis­se Erleich­te­run­gen zu. So kann auf das Vor­lie­gen einer Wil­lens­ei­ni­gung auch auf­grund einer soge­nann­ten struk­tu­rier­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on geschlos­sen wer­den, wenn sich aus der Abfol­ge der Kor­re­spon­denz die Kennt­nis der betrof­fe­nen Ver­trags­par­tei erschließt. Es soll­te auch aus­rei­chen, wenn in einem Ver­trag aus­drück­lich auf die Ein­be­zie­hung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen hin­ge­wie­sen wur­de, die sich abge­druckt auf der Rück­sei­te des Ver­tra­ges befan­den und eine Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung ent­hiel­ten; oder wenn die Par­tei­en im Text ihres Ver­tra­ges auf ein Ange­bot Bezug genom­men haben, das sei­ner­seits aus­drück­lich auf die All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen hin­weist, sofern die­sem deut­li­chen Hin­weis von einer Par­tei bei Anwen­dung der nor­ma­len Sorg­falt nach­ge­gan­gen wer­den kann und fest­steht, dass die All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen der ande­ren Par­tei tat­säch­lich zuge­gan­gen sind (EuGH-Rs. 177‑1976 — Estasis di Colza­ni).

Die Ent­schei­dung des EuGH vom 24. Novem­ber 2022
Mit der hier bespro­che­nen Ent­schei­dung vom 24. Novem­ber 2022 (C‑358/21- Til­man SA ./. Uni­le­ver Sup­p­ly Chain Com­pa­ny AG) geht der EuGH jedoch wei­ter und libe­ra­li­siert die Anfor­de­run­gen an die Schrift­form im Lich­te der Not­wen­dig­keit des elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehrs.

In dem zu ent­schei­den­den Fall schlos­sen die Par­tei­en einen Ver­trag, der einen Hyper­link auf die Web­site von Uni­le­ver ent­hielt. Auf die­ser Web­site waren die All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen von Uni­le­ver ein­seh­bar und konn­ten her­un­ter­ge­la­den wer­den. In die­sen All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen war eine Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung zuguns­ten von Uni­le­ver ent­hal­ten.

Der EuGH ent­schied, dass die­se Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung wirk­sam ver­ein­bart wur­de, weil sie in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen ent­hal­ten war, auf die ein schrift­lich abge­schlos­se­ner Ver­trag durch Anga­be eines Hyper­links zu einer Web­sei­te hin­wies, über die es mög­lich war, die­se All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen zur Kennt­nis zu neh­men, her­un­ter­zu­la­den und aus­zu­dru­cken, auch wenn die Par­tei, der die­se Klau­sel ent­ge­gen­ge­hal­ten wird, nicht auf­ge­for­dert wur­de, die­se All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen durch Ankli­cken eines Fel­des auf der ver­link­ten Web­sei­te zu akzep­tie­ren.

Der EuGH begrün­det sei­ne Ent­schei­dung mit den Anfor­de­run­gen des moder­nen Geschäfts­ver­kehrs, den Abschluss von Ver­trä­gen auf elek­tro­ni­schem Wege zu erleich­tern.

Nach Maß­ga­be die­ser Ent­schei­dung ist zwar immer noch die Schrift­form, zumin­dest für den Haupt­ver­trag erfor­der­lich. Auch ist nach wie vor zu for­dern, dass ein aus­drück­li­cher Hin­weis auf die Ein­be­zie­hung von AGB erfolgt. Ansons­ten aber bedeu­tet die­se Ent­schei­dung eine weit­ge­hen­de Libe­ra­li­sie­rung des Schrift­form­erfor­der­nis­ses des Art. 25 Brüs­sel Ia-Ver­ord­nung (die Ent­schei­dung bezieht sich in der Sache auf das Luga­no-Abkom­men, ist aber ohne wei­te­res auf­grund des iden­ti­schen Wort­lau­tes auch für die aktu­el­le Fas­sung der Brüs­sel Ia-Ver­ord­nung maß­geb­lich).

Bewer­tung der Ent­schei­dung und Emp­feh­lung

Erstaun­lich ist die Ent­schei­dung inso­weit, als der EuGH ledig­lich for­dert, dass der Hyper­link auf die Web­site des Ver­wen­ders der AGB hin­weist, auf der der Ver­trags­part­ner dann die AGB abru­fen kann. Im Lich­te der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des EuGH hät­te es nahe gele­gen, wenn der EuGH zumin­dest for­dert, dass der Hyper­link unmit­tel­bar auf die AGB ver­weist und/oder durch Not­wen­dig­keit des Ankli­cken eines But­tons das Ein­ver­ständ­nis mit den AGB doku­men­tiert wird. Bei­des for­der­te der EuGH aus­drück­lich nicht, was eigent­lich der ursprüng­li­chen Inten­ti­on des euro­päi­schen Gesetz­ge­bers, näm­lich zu ver­hin­dern, dass durch unre­flek­tier­tes Ankli­cken unge­prüft AGB und Gerichts­stand­ver­ein­ba­run­gen Gegen­stand einer Ver­ein­ba­rung wer­den, wider­spricht.

Jeden­falls aber ist die Ent­schei­dung im Ergeb­nis zu begrü­ßen, weil sie es erlaubt, AGB nun­mehr ein­schließ­lich eine Gerichts­stand­ver­ein­ba­rung zu ver­ein­ba­ren und nicht mehr geson­dert eine schrift­li­che Bestä­ti­gung der Gerichts­stands­ver­ein­ba­rung erfor­dert. Dies erscheint pra­xis­ge­recht.

Vor­sorg­lich emp­feh­len wir jedoch, die Ver­wei­sung mit­tels Hyper­link so aus­zu­ge­stal­ten, dass der Hyper­link selbst auf die AGB ver­weist. Denn nach wie vor muss der Ver­wen­der der AGB deren Ein­be­zie­hung bewei­sen. Dies erfor­dert den Nach­weis, dass die AGB, zumal in der ver­wen­de­ten Fas­sung, tat­säch­lich auf der Web­site abruf­bar waren. Auch ein Bestä­ti­gungs­but­ton ist letzt­lich rat­sam, weil die­ser die Doku­men­ta­ti­on der Ein­be­zie­hung und Kennt­nis­nah­me sicher­stellt, ins­be­son­de­re sicher­stellt, dass gewiss ist, auf wel­che der im Lau­fe der Zeit suk­zes­siv abruf­ba­ren Ver­sio­nen der AGB sich das Ein­ver­ständ­nis bezieht.

Die Ent­schei­dung des EuGH ver­hält sich nur über die Fra­ge des Form­erfor­der­nis­ses des Art. 25 Brüs­sel Ia-Ver­ord­nung bzw. der ent­spre­chen­den Rege­lung des Luga­no II-Abkom­mens, das im Ver­hält­nis zu den Mit­glieds­staa­ten des EWR Anwen­dung fin­det. Der EuGH ist nicht zustän­dig für die Aus­le­gung des UN-Kauf­rechts. Wenn eine Par­tei daher behaup­tet, ihre AGB sei­en form­wirk­sam vor dem Hin­ter­grund Art. 25 Brüs­sel Ia-Ver­ord­nung in den Ver­trag ein­be­zo­gen wor­den, muss sie immer noch dar­le­gen und bewei­sen, dass die Ein­be­zie­hung auch wirk­sam nach Maß­ga­be des anwend­ba­ren Rechts erfolgt ist. Das Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen der Form­vor­schrift des Art. 25 Brüs­sel Ia-Ver­ord­nung und dem UN-Kauf­recht hin­sicht­lich der Not­wen­dig­keit der Über­mitt­lung von AGB und deren Abruf­bar­keit sowie der Mög­lich­keit der Kennt­nis­nah­me im Hin­blick auf die ver­wen­de­te Spra­che bleibt daher offen.

Exkurs: Aner­kennt­nis einer Gerichts­stands­klau­sel durch wider­spruchs­los Akzep­tanz einer Rech­nung im bel­gi­schen Recht

Unter Rz. 42 der Ent­schei­dung nimmt der EuGH dan­kens­wer­ter­wei­se erneut und aus­drück­lich Bezug auf sei­ne Ent­schei­dung in der Rechts­sa­che C‑173/2018 — Saey Home & Gar­den, wonach es jeden­falls nicht aus­reicht, wenn der Ver­trag münd­lich oder ohne spä­te­re schrift­li­che Bestä­ti­gung geschlos­sen wur­de und die All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen mit der Gerichts­stands­klau­sel nur in den von einer der Par­tei­en aus­ge­stell­ten Rech­nun­gen erwähnt wur­den.

Dies ist näm­lich Stand der Recht­spre­chung vie­ler bel­gi­scher Gerich­te, die von dem Grund­satz gelei­tet ist, dass die wider­spruchs­lo­se Hin­nah­me einer Rech­nung deren Aner­kennt­nis bedeu­tet, ein­schließ­lich der mit die­ser Rech­nung über­reich­ten AGB. Die Recht­spre­chung der bel­gi­schen Cour de Cas­sa­ti­on und der Instanz­ge­rich­te erlaubt dem Rich­ter, aus der wider­spruchs­lo­sen Hin­nah­me der Rech­nung eine gesetz­li­che Ver­mu­tung der Akzep­tanz auch der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen abzu­lei­ten (vgl. hier­zu Cass. 1er décembre 1967, Pas., 1968, I, p. 440; Cass. 29 jan­vier 1996 , Pas., 1996, I, p. 59; Cass. 27 jan­vier 2000, Pas., 2000, I, p. 72; I. Moreau-Mar­grè­ve, La force pro­ban­te des con­di­ti­ons géné­ra­les en ven­te et d‘achat, p. 11;  D. Phil­ip­pe et M. Cha­mass, L‘opposabilité des con­di­ti­ons géné­ra­les, p. 270 – 272; G. L. Bal­lon et E. Dirix, La fac­tu­re et aut­re docu­ments équi­va­lents, 2ème édi­ti­on, Water­loo, Klu­wer, 2016, p. 164, n° 269; Bru­xel­les, 2 février 1977, J.T., 1977, p. 472; Bru­xel­les, 24 décembre 1980, J.T., 1980, p. 245; A. Catal­do et F. Geor­ge, Droit des obli­ga­ti­ons – Le nou­veau liv­re cinq du Code civil, Anthé­mis, 2022, p. 47, n° 46). die­se Recht­spre­chung ist bereits denk­lo­gisch eine Zumu­tung, da sie doch dazu führt, dass ver­trag­li­che Rege­lun­gen nach­träg­lich und ein­sei­tig in ein bereits abge­schlos­se­nes Rechts­ge­schäft ein­ge­führt wer­den. Wenn es sich um eine Pro­for­ma­rech­nung han­delt oder die Rech­nung im Ein­zel­fall die Funk­ti­on einer Auf­trags­be­stä­ti­gung hat, mag die Ver­mu­tung noch ange­hen. Bel­gi­sche Gerich­te wen­den die­se Ver­mu­tung jedoch auch bei schrift­lich abge­schlos­se­nen Ver­trä­gen an, bei denen die All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen nach­weis­lich erst durch die unwi­der­spro­chen geblie­be­ne Rech­nung in das Rechts­ge­schäft ein­ge­führt wer­den. Nach dies­sei­ti­ger Auf­fas­sung wird die seit 2021 anwend­ba­re Beweis­re­gel des Art. 8.11 § 4 des neu­en Code Civil, wonach im unter­neh­me­ri­schen Geschäfts­ver­kehr eine nicht bestrit­te­ne Rech­nung die Ver­mu­tung des Aner­kennt­nis­ses der­sel­ben ein­schließ­lich dort ent­hal­te­ner Rege­lun­gen trägt, die­se Recht­spre­chung noch ver­schär­fen. Lei­der sind vie­le bel­gi­sche Gerich­te mit dem euro­päi­schen Sekun­där­recht und dem Vor­rang des völ­ker­recht­lich ver­bind­li­chen UN-Kauf­rechts nicht ver­traut und wen­den daher mate­ri­ell­recht­li­che Vor­schrif­ten des (unver­ein­heit­lich­ten) bel­gi­schen Rechts trotz Vor­rangs des euro­päi­schen Sekun­där­recht und des UN-Kauf­rechts an. Der Rekurs auf Art. 10 der Rom I‑Verordnung, wonach eine recht­li­che Rege­lung, die der aus­län­di­sche Ver­trags­part­ner nach sei­nem Recht nicht ken­nen muss, außer Betracht bleibt, wird von bel­gi­schen Gerich­ten in aller Regel auch nicht zur Kennt­nis genom­men. Man ist daher gut bera­ten, die lau­fen­de Kor­re­spon­denz mit bel­gi­schen Ver­trags­part­nern inhalt­lich zu über­prü­fen und in jedem Fall vor­sorg­lich zu wider­spre­chen, und zwar, auch wenn dies heut­zu­ta­ge archa­isch erscheint, per Ein­schrei­ben.

[1] Kauf­leu­te im Sin­ne von § 1 HGB, d.h. unter­neh­me­ri­sche oder gewerb­li­che Tätig­keit als sol­che reicht nicht.

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