Anfor­de­run­gen an die Unter­schrift (OLG Mün­chen vom 25.08.2023 — 33 Wx 119/23e)

Eine aktu­el­le Ent­schei­dung des OLG Mün­chen gibt Ver­an­las­sung, sich noch ein­mal die Form­vor­schrif­ten für ein wirk­sa­mes hand­schrift­li­ches Tes­ta­ment zu ver­ge­gen­wär­ti­gen.

I. MÖG­LI­CHE TES­TA­MENTS­FOR­MEN

Tes­ta­men­te kön­nen auf zwei Wegen errich­tet wer­den, ent­we­der als nota­ri­el­les Tes­ta­ment oder als pri­vat­schrift­li­ches, eigen­hän­di­ges Tes­ta­ment gemäß § 2247 BGB.

Das nicht nota­ri­el­le, pri­vat­schrift­li­che Tes­ta­ment ist nur wirk­sam, wenn es durch eine eigen­hän­dig geschrie­be­ne und unter­schrie­be­ne Erklä­rung errich­tet wur­de. Dar­über hin­aus soll in der Tes­ta­ments­ur­kun­de ange­ge­ben wer­den, zu wel­cher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an wel­chem Ort das Tes­ta­ment nie­der­ge­schrie­ben wur­de. Schließ­lich soll die Unter­schrift den Vor­na­men und den Fami­li­en­na­men des Erb­las­sers ent­hal­ten.

II. DER VOM OLG MÜN­CHEN ZU ENT­SCHEI­DEN­DE FALL

Mit dem Form­erfor­der­nis der „Unter­schrift“ beim hand­schrift­lich errich­te­ten Tes­ta­ment befasst sich der Beschluss des OLG Mün­chen vom 25.08.2023. Wor­um ging es?

Die Erb­las­se­rin hat­te eigen­hän­dig ein hand­schrift­li­ches Tes­ta­ment ver­fasst. Dies hat­te fol­gen­den Wort­laut (Recht­schreib­feh­ler und sprach­li­che Unge­nau­ig­kei­ten ent­stam­men­dem Ori­gi­nal):

„Tes­ta­ment!

Ich, XXX (Name der Erb­las­se­rin),

Ver­ma­che alles was ich habe.

Mein Spar­buch-Kon­to Rosen­heim.

Ver­si­che­rung bei der

Züri­cher Ver­si­che­rung

XXX (Unter­schrift der Erb­las­se­rin)

An Herrn XXX (Name des Nef­fen der Erb­las­se­rin)

XXXXXXX (Anschrift des Nef­fen).“

Trotz der erkenn­ba­ren sprach­li­chen Unzu­läng­lich­kei­ten des Tes­ta­ments ist die Ver­fü­gung der Erb­las­se­rin so aus­zu­le­gen und zu ver­ste­hen, dass von ihr die Ein­set­zung ihres Nef­fen als Al-lein­er­be beab­sich­tigt war.

Pro­ble­ma­tisch ist aller­dings die Fra­ge, ob das Tes­ta­ment ord­nungs­ge­mäß unter­schrie­ben und damit form­wirk­sam errich­tet wur­de. Zwar ent­hält das Tes­ta­ment eine Unter­schrift der Erb­las­se­rin. Die­se Unter­schrift schließt den Text des Tes­ta­ments aller­dings nicht ab, son­dern wur­de von der Erb­las­se­rin mit­ten im Tes­ta­ment plat­ziert und zwar vor der ver­füg­ten Erb­ein­set­zung zuguns­ten ihres Nef­fen.

Das OLG Mün­chen hat­te nun dar­über zu befin­den, ob es sich bei der mit­ten im Tes­ta­ment plat­zier­ten Unter­schrift um eine ord­nungs­ge­mä­ße Unter­schrift im Sin­ne von § 2247 BGB han­delt oder ob das Tes­ta­ment der Erb­las­se­rin man­gels Unter­schrift als form­un­wirk­sam anzu­se­hen ist.

III. DIE GERICHT­LI­CHE ENT­SCHEI­DUNG

Das OLG Mün­chen ver­trat mit über­zeu­gen­der Begrün­dung die Auf­fas­sung, dass das von der Erb­las­se­rin errich­te­te Tes­ta­ment unwirk­sam ist.

1. Der Zweck der gesetz­li­chen Form­vor­schrif­ten

Durch die Form­vor­schrif­ten für pri­vat­schrift­li­che Tes­ta­men­te ver­fol­ge das Gesetz unter­schied­li­che Zwe­cke.

Die gesetz­li­chen Form­vor­schrif­ten sol­len den Erb­las­ser dazu ver­an­las­sen, sich selbst dar­über klar zu wer­den, wel­chen Inhalt sei­ne Ver­fü­gung von Todes wegen haben soll. Er soll sei­nen letz­ten Wil­len mög­lichst deut­lich zum Aus­druck brin­gen. Wei­ter­hin dien­ten die Form­vor­schrif­ten dazu, Vor­über­le­gun­gen und Ent­wür­fe von der letzt­lich maß­geb­li­chen Fas­sung des Tes­ta­ments abzu­gren­zen. Die Eigen­hän­dig­keit eines Tes­ta­ments soll nach der gesetz­li­chen Wer­tung auch eine erhöh­te Sicher­heit vor Fäl­schun­gen des Erb­las­serwil­lens bie­ten.

Wie das OLG Mün­chen zu Recht betont, dient ein Min­dest­maß an Form­vor­schrif­ten für das eigen­hän­di­ge Tes­ta­ment der Rechts­si­cher­heit und dem pri­va­ten Rechts­frie­den.

2. Kon­se­quen­zen der gesetz­li­chen Zweck­set­zung für das Unter­schrifts­er­for­der­nis

Nach der Auf­fas­sung des OLG Mün­chen muss die Unter­schrift des Erb­las­sers grund­sätz­lich am Schluss des Tes­ta­mentstex­tes ste­hen. Sinn und Zweck des Unter­schrifts­er­for­der­nis­ses sei es, die Iden­ti­fi­ka­ti­on des Erb­las­sers zu ermög­li­chen, fer­ner zu doku­men­tie­ren, dass der Erb­las­ser sich zu dem über der Unter­schrift befind­li­chen Text bekennt sowie schließ­lich den Text der Urkun­de räum­lich abzu­schlie­ßen und damit vor nach­träg­li­chen Ergän­zun­gen und Zusät­zen zu sichern.

Daher sei­en auch Ergän­zun­gen und Ände­run­gen, die sich zwar auf dem­sel­ben Blatt befin­den, auf dem das Tes­ta­ment nie­der­ge­schrie­ben ist, die jedoch von der Unter­schrift des Erb­las­sers räum­lich nicht gedeckt wer­den, grund­sätz­lich noch ein­mal geson­dert zu unter­zeich­nen. Nur in Aus­nah­me­fäl­len ste­he ein unter­halb der Unter­schrift for­mu­lier­ter Zusatz der Wirk­sam­keit eines Tes­ta­ments nicht ent­ge­gen. Das sei dann der Fall, wenn durch den Zusatz, der räum­lich von der Unter­schrift nicht gedeckt ist, eine bereits ober­halb der Unter­schrift ste­hen­de Ver­fü­gung ledig­lich noch kon­kre­ti­siert wer­de.

Einen sol­chen Aus­nah­me­fall nahm das OLG Mün­chen ‑zutref­fen­der Wei­se- hier aller­dings nicht an. Dies mit der Begrün­dung, dass der über der Unter­schrift der Erb­las­se­rin ste­hen­de Text über­haupt kei­ne hin­rei­chen­de, kon­kre­ti­sie­rungs­fä­hi­ge Ver­fü­gung ent­hal­te, da die Erb­ein­set­zung des Nef­fen aus­schließ­lich unter­halb der Unter­schrift for­mu­liert sei und ober­halb der Unter­schrift kei­ner­lei Erwäh­nung fin­det. Die unter­halb der Unter­schrift befind­li­che Erb­ein­set­zung sei daher eine erst­ma­li­ge Ver­fü­gung und nicht ledig­lich die Kon­kre­ti­sie­rung einer bereits getrof­fe­nen Ver­fü­gung.

IV. BEWER­TUNG UND KON­SE­QUEN­ZEN FÜR DIE PRA­XIS

Die aus recht­li­cher Sicht zutref­fen­de Ent­schei­dung des OLG Mün­chen ver­deut­licht noch ein­mal die Risi­ken, die mit der Errich­tung pri­vat­schrift­li­cher Tes­ta­men­te ver­bun­den sind, wenn der Erb­las­ser sich vor Nie­der­schrift des Tes­ta­ments nicht hin­rei­chend über die ein­zu­hal­ten­den recht­li­chen Vor­ga­ben infor­miert hat.

Man­geln­de Sorg­falt bei der Tes­ta­ments­er­rich­tung oder die Unkennt­nis recht­li­cher Vor­ga­ben kön­nen zu einer vom Erb­las­ser nicht gewoll­ten Ver­mö­gens­nach­fol­ge von Todes wegen füh­ren. Die Form­un­wirk­sam­keit des Tes­ta­ments in dem vom OLG Mün­chen ent­schie­de­nen Fall führ­te zur Anwen­dung der gesetz­li­chen Erb­fol­ge und dies, obwohl dem Tes­ta­ment eigent­lich zu ent­neh­men war, dass die Erb­las­se­rin ihren Nach­lass allein den im Tes­ta­ment genann­ten Nef­fen zukom­men las­sen woll­te.

Um nicht schon die Form­un­wirk­sam­keit eines Tes­ta­ments zu ris­kie­ren, ist dar­auf zu ach­ten, dass die erfor­der­li­che Unter­schrift an das Ende des Tex­tes gesetzt wird und den gesam­ten Text des Tes­ta­ments räum­lich abschließt.

Sofern nach­träg­lich Ergän­zun­gen oder Zusät­ze auf die Tes­ta­ments­ur­kun­de gesetzt wer­den, sind die­se aus­nahms­los noch ein­mal sepa­rat zu unter­zeich­nen. Dar­über hin­aus soll­te die Unter­schrift unter den Ergän­zun­gen bzw. Zusät­zen auch mit Datum ver­se­hen wer­den, wenn­gleich dies kei­ne Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung ist.

Ins­ge­samt soll­te sich jeder künf­ti­ge Erb­las­ser vor Augen füh­ren, dass bei Errich­ten eines nicht nota­ri­el­len, pri­vat­schrift­li­chen Tes­ta­ments beson­de­re Sorg­falt gebo­ten ist. Dies gilt selbst­ver­ständ­lich nicht nur für for­ma­le Aspek­te, son­dern auch für die recht­li­che Gestal­tung der im Tes­ta­ment getrof­fe­nen Rege­lun­gen. Auch hier dro­hen bei man­geln­der Sorg­falt oder Rechts­kennt­nis Ergeb­nis­se, die dem eigent­li­chen Wil­len des Tes­tie­ren­den nicht ent­spre­chen.

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Über den Autor

  • Dr. Joerg Wernery

    Dr. Jörg Wer­nery ist zuge­las­sen als Rechts­an­walt seit 1999 und Fach­an­walt für Arbeits­recht. Wei­te­re Fach­ge­bie­te sind Erbrecht, Ver­mö­gens­nach­fol­ge und Stif­tun­gen sowie Ver­trags­ge­stal­tung. Zum Anwalts­pro­fil