Steu­er­pri­vi­le­gie­rung von Betriebs­ver­mö­gen

Das Erb­schaft­steu­er­ge­setz (ErbStG) gewährt in sei­nen §§ 13a – 13c ErbStG für den Erwerb bzw. die Über­tra­gung von Betriebs­ver­mö­gen, Antei­le an Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten sowie Betrie­ben der Land- und Forst­wirt­schaft Pri­vi­le­gie­rungs­mög­lich­kei­ten, die unter Umstän­den eine voll­stän­dig steu­er­be­frei­te Über­tra­gung die­ses Ver­mö­gens sichern. Die ein­zel­nen Vor­aus­set­zun­gen hier­zu sind sehr kom­plex und viel­schich­tig.

Der Regel­fall im Erb­schaft­steu­er­recht ist als Leit­idee die Besteue­rung zu Zeit­wer­ten. Wenn von die­ser Leit­idee wie vor­ste­hend Aus­nah­men gel­tend sol­len, sind die Pri­vi­le­gie­rungs­vor­aus­set­zun­gen streng und/oder eng aus­zu­le­gen. Sowohl in Gestal­tungs­fäl­len als auch in der Steu­er­de­kla­ra­ti­on ist es daher unum­gäng­lich, Exper­ten­wis­sen von spe­zia­li­sier­ten Rechts­an­wäl­ten oder Steu­er­be­ra­tern hin­zu­zu­zie­hen, um am Ende kost­spie­li­ge Über­ra­schun­gen zu ver­mei­den.

90%-Einstiegstest

Der 90%-Einstiegstest ist vor dem Hin­ter­grund des gesetz­ge­be­ri­schen Wil­lens zu ver­ste­hen, nur Betriebs­ver­mö­gen zu begüns­ti­gen, das einer akti­ven unter­neh­me­ri­schen Tätig­keit dient. In den Betrie­ben oder Betei­li­gun­gen vor­han­de­nes Ver­wal­tungs­ver­mö­gen wie bei­spiels­wei­se Geld, For­de­run­gen, nicht durch den Betrieb selbst­ge­nutz­te Immo­bi­li­en oder Betei­li­gun­gen an Kapi­tal­ge­sell­schaf­ten von nicht mehr als 25 % sol­len nicht begüns­tigt sein. Beträgt das Ver­wal­tungs­ver­mö­gen in den Betrie­ben min­des­tens 90 % des gemei­nen Werts des begüns­tig­ten (Aktiv-)Vermögens, soll ins­ge­samt kei­ne Begüns­ti­gung zur Anwen­dung kom­men.

Der Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) hat in sei­ner Ent­schei­dung vom 13.09.2023 (Akten­zei­chen II R 49/21) Stel­lung zum soge­nann­ten 90%-Einstiegstest (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG) bezo­gen.

In dem Sach­ver­halt erwarb die Klä­ge­rin von ihrem Vater schenk­wei­se alle Antei­le an einer GmbH, die ein phar­ma­zeu­ti­sches Han­dels­un­ter­neh­men betrieb. Anfäng­lich ermit­tel­te das Finanz­amt den gemei­nen Wert der Gesell­schaft mit 550.000 €, die Sum­me der gemei­nen Wer­te der Finanz­mit­tel mit 2,5 Mil­lio­nen € sowie die Schul­den i.H.v. 3,1 Mil­lio­nen €. Das Finanz­amt wer­te­te den Vor­gang als ins­ge­samt nicht begüns­tigt, der der 90%-Einstiegstest nicht bestan­den sei.

Bis­her kei­ne Schul­den­ver­rech­nung im Ein­stiegs­test

Aus­ge­hend vom Wort­laut der Vor­schrift ließ die Aus­le­gung und Hand­ha­bung der Finanz­ver­wal­tung es bis­her nicht zu, dass bei der Ermitt­lung des Ver­wal­tungs­ver­mö­gens im Sin­ne des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG eine Schul­den­ver­rech­nung durch­ge­führt wird. Im Rah­men des Ein­stiegs­tes­tes wer­den somit die Aktiv­wer­te des Ver­wal­tungs­ver­mö­gens dem um die Schul­den gemin­der­ten Gesamt­wert des begüns­ti­gungs­fä­hi­gen Ver­mö­gens gegen­über­ge­stellt. So dür­fen bei­spiels­wei­se bei der Ermitt­lung des Finanz­mit­tel-Ver­wal­tungs­ver­mö­gens (u.a. Geschäfts­gut­ha­ben, Geld­for­de­run­gen, For­de­run­gen aus Lie­fe­run­gen und Leis­tun­gen) kei­ne Schuld­po­si­tio­nen abge­zo­gen wer­den. Ins­be­son­de­re For­de­run­gen aus Lie­fe­rung und Leis­tung wer­den somit fak­tisch dem Pri­vat­ver­mö­gen gleich­ge­stellt. Unter­neh­men mit hohen Bestän­den an Ver­bind­lich­kei­ten aus Lie­fe­run­gen und Leis­tun­gen (wie bei­spiels­wei­se Han­dels­un­ter­neh­men) kann dies in arge Bedräng­nis füh­ren, da für sie die Errei­chung der Pri­vi­le­gie­rung unver­hält­nis­mä­ßig erschwert oder aus­ge­schlos­sen wird. Das gesetz­ge­be­ri­sche Ziel des Schut­zes pro­duk­ti­ver Unter­neh­men wird dadurch regel­recht unter­lau­fen.

Neu: Schul­den­ver­rech­nung bei Finanz­mit­teln von Han­dels­un­ter­neh­men

Der Bun­des­fi­nanz­hof ent­schied nun in dem oben genann­ten Revi­si­ons­ver­fah­ren, dass bei Han­dels­un­ter­neh­men, deren begüns­ti­gungs­fä­hi­ges Ver­mö­gen u.a. auch aus Finanz­mit­teln besteht, und das nach sei­nem Haupt­zweck gewerb­lich tätig ist, im Rah­men des 90 %-Ein­stiegs­test die betrieb­lich ver­an­lass­ten Schul­den von den Finanz­mit­teln in Abzug zu brin­gen sind. Nach dem Wort­laut der Norm ist die­se Aus­le­gung nicht gebo­ten. Der BFH lei­tet sein Ergeb­nis aus einer sys­te­ma­ti­schen, teleo­lo­gi­schen, his­to­ri­schen und ver­fas­sungs­recht­li­chen Aus­le­gung der Norm ab. Ins­be­son­de­re die zufalls­ar­tig auf­tre­ten­den Ver­hält­nis­se von Finanz­mit­teln und Schul­den bei Han­dels­un­ter­neh­men und die fall­beil­ar­ti­ge Wir­kung des §§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG schei­nen den BFH dazu bewo­gen zu haben, die Aus­le­gung der Norm durch die Finanz­ver­wal­tung in die­sem Punkt ein­zu­däm­men.

Aus­wir­kung auf die Bera­tungs­pra­xis

Für den Ein­zel­fall hilft die­se Ent­schei­dung, so dass sich Erben oder Über­neh­mer von Han­dels­un­ter­neh­men hier­auf sicher­lich beru­fen kön­nen. Frag­lich ist und bleibt natür­lich, ob die Her­lei­tung der ein­schrän­ken­den Aus­le­gung durch den BFH auch auf ande­re Unter­neh­mens­kon­stel­la­tio­nen aus­ge­dehnt wer­den kann. Die Schutz­be­dürf­tig­keit von akti­ven Betriebs­ein­hei­ten und die häu­fig zufäl­li­ge Zusam­men­set­zung von Finanz­mit­teln und Schuld­ver­hält­nis­sen trifft sicher­lich nicht nur auf Han­dels­un­ter­neh­men zu.

Trotz­dem kann in Gestal­tungs­fäl­len von die­ser Recht­spre­chung nur mit Vor­sicht Gebrauch gemacht wer­den, auch wenn die Begrün­dung des Urteils für Streit­fäl­len eine gute Argu­men­ta­ti­ons­grund­la­ge bie­tet. Die Reak­ti­on der Finanz­ver­wal­tung bleibt abzu­war­ten.

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Über den Autor

  • Christoph Schmitz-Schunken

    Chris­toph Schmitz-Schun­ken ist zuge­las­se­ner Rechts­an­walt seit 2005, Steu­er­be­ra­ter, Fach­an­walt für Han­dels- und Gesell­schafts­recht, Fach­an­walt für Steu­er­recht, zert. Bera­ter Steu­er­straf­recht (DAA) und Mit­glied im Vor­stand der Rechts­an­walts­kam­mer Köln. Zum Anwalts­pro­fil