VG Aachen, Urteil vom 06.07.2018 – 7 K 5905/17

Sach­ver­halt

Gegen den vor­mals nicht straf­fäl­lig gewor­de­nen Apo­the­ker „A“, der zwei Apo­the­ken in der Form einer Haupt- und einer Fili­al­apo­the­ke betrieb, wur­de auf­grund von Infor­ma­tio­nen auf einer Steu­er-CD ein Ermitt­lungs­ver­fah­ren wegen Steu­er­hin­ter­zie­hung auf­grund unter­las­se­ner Anga­be von Kapi­tal­ein­künf­ten ein­ge­lei­tet. Dar­über hin­aus ermit­tel­te die Betriebs­prü­fung den Ein­satz einer Mani­pu­la­ti­ons­soft­ware im Abrech­nungs­sys­tem des Apo­the­kers. Die Ver­wen­dung der Soft­ware räum­te A im Rah­men der Betriebs­prü­fung ein, wirk­te an der Auf­klä­rung reu­ig mit. Für die Jah­re 2003 – 2011 wur­den Ein­kom­men­steu­ern auf Kapi­tal­ein­künf­te in Höhe von 52.000 EUR sowie hin­ter­zo­ge­ne Gewer­be­steu­ern in Höhe von 203.062,85 EUR nach­fest­ge­setzt.

(1) Straf­ver­fah­ren

Im Straf­ver­fah­ren wur­de A in sie­ben Fäl­len der Steu­er­hin­ter­zie­hung für schul­dig befun­den. Die hin­ter­zo­ge­nen Steu­ern belie­fen sich ins­ge­samt auf 238.775,12 EUR. A wur­de zu einer Gesamt­frei­heits­stra­fe von 10 Mona­ten auf Bewäh­rung (Bewäh­rungs­zeit 2 Jah­re) ver­ur­teilt. Gegen­stand der Ver­ur­tei­lung war der Ein­satz der Mani­pu­la­ti­ons­soft­ware in den Jah­ren 2009 bis 2012 sowie die unter­las­se­ne Dekla­ra­ti­on von Kapi­tal­ein­künf­ten in den Jah­ren 2007 – 2010. A war im Ver­fah­ren voll gestän­dig und das Gericht erach­te­te die Sozi­al­pro­gno­se als güns­tig.

(2) Berufs­ge­richt­li­che Ver­fah­ren

Die Apo­the­ker­kam­mer streng­te das gebo­te­ne berufs­recht­li­che Ver­fah­ren vor dem Berufs­ge­richt für Heil­be­ru­fe bei dem Ver­wal­tungs­ge­richt an. Das Gericht reg­te die Ein­stel­lung des Ver­fah­rens gegen Geld­zah­lung an. Gegen­stand des berufs­recht­li­chen Ver­fah­rens sei nach dem Sinn und Zweck des ApoG die Sicher­stel­lung einer ord­nungs­ge­mä­ßen Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung. Die­se sei aber hier nicht gefähr­det gewe­sen. Im vor­lie­gen­den Fall feh­le es zudem an einem spe­zi­fisch berufs­recht­li­chen Fehl­ver­hal­tens, das in die Öffent­lich­keit getre­ten sei. Auch habe A weder das öffent­li­chen Gesund­heits­sys­tem noch eine natür­li­che Per­son geschä­digt.

(3) Appro­ba­ti­on

Gestützt auf den Vor­wurf der Unwür­dig­keit zur Aus­übung des Apo­the­ker­be­ru­fes wider­rief die zustän­di­ge Bezirks­re­gie­rung die Appro­ba­ti­on des A, ord­ne­te jedoch nicht den sofor­ti­gen Voll­zug des Wider­rufs an. Die Ent­schei­dung der Bezirks­re­gie­rung griff A in einem geson­der­ten Ver­fah­ren vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt an.

(4) Wider­ruf der Betriebs­er­laub­nis

Gegen­stand des hier betrof­fe­nen Ver­fah­rens war letzt­lich der Wider­ruf der Betriebs­er­laub­nis­se zum Betrieb der bei­den Apo­the­ken. Die zustän­di­ge Ver­wal­tungs­be­hör­de stütz­te den Wider­ruf auf den behaup­te­ten Man­gel an der für den Betrieb einer Apo­the­ke erfor­der­li­chen Zuver­läs­sig­keit. Eine Unzu­ver­läs­sig­keit kön­ne nicht nur auf der Ver­let­zung spe­zi­fisch apo­the­ken­recht­li­cher Ver­feh­lun­gen beru­hen, son­dern auch auf Ver­feh­lun­gen, die die Unzu­ver­läs­sig­keit in Bezug auf den Betrieb einer Apo­the­ke dar­tun. Inso­weit sei­en auch Ver­stö­ße gegen grund­sätz­li­che Pflich­ten eines Gewer­be­be­trei­ben­den aus­rei­chend die Unzu­ver­läs­sig­keit zu begrün­den. An die­sem Punkt gilt für Apo­the­ker nichts ande­res als es ohne­hin für jeden Gewer­be­trei­ben­den gilt. Zu die­sen Pflich­ten zählt die Recht­spre­chung schon seit lan­gem die ord­nungs­ge­mä­ße Füh­rung und Abrech­nung von Kas­sen­sys­te­men sowie die ord­nungs­ge­mä­ße Abga­be von Steu­er­erklä­run­gen!

Im vor­lie­gen­den Fall kam das Gericht zu der Über­zeu­gung, dass eine Wie­der­ho­lungs­ge­fahr nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kön­ne, so dass auch für die Zukunft von der Unzu­ver­läs­sig­keit des Apo­the­kers aus­zu­ge­hen sei. Die mehr­jäh­ri­ge Dau­er und der Umfang der Steu­er­hin­ter­zie­hung, also das Scha­dens­aus­maß, durch Ein­satz einer Mani­pu­la­ti­ons­soft­ware sowie der Abga­be vor­sätz­lich fal­scher Steu­er­erklä­run­gen bele­gen die hohe kri­mi­nel­le Ener­gie des A, so die Rich­ter. In den über einen mehr­jäh­ri­gen Zeit­raum vor­sätz­lich began­ge­nen Zuwi­der­hand­lun­gen erheb­li­chen finan­zi­el­len Aus­ma­ßes offen­bart sich ein über­mä­ßi­ges Gewinn­stre­ben und las­sen per­sön­li­che Defi­zi­te hin­sicht­lich der Rechts­treue des A her­vor­tre­ten, die ein ähn­li­ches Ver­hal­ten in ver­gleich­ba­ren Situa­tio­nen als hin­rei­chend wahr­schein­lich erach­ten las­sen. Gewinn­stre­ben um jeden, also jeden­falls um den Preis der Rechts­un­treue, kann jedoch nicht tole­riert wer­den.

Abschlie­ßend nahm das Gericht die not­wen­di­ge grund­recht­li­che Abwä­gung der betrof­fe­nen Ent­schei­dung am Maß­stab des Art. 12 Abs.1 GG (Berufs­wahl- und Berufs­aus­übungs­frei­heit) vor. Der Wider­ruf der Betriebs­er­laub­nis­se erweist sich aus Sicht des Gerichts im Hin­blick auf die über­ra­gen­de Bedeu­tung einer ord­nungs­ge­mä­ßen Gesund­heits­ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung durch zuver­läs­si­ge Per­so­nen als ver­hält­nis­mä­ßig. Ein mil­de­res Mit­tel wur­de nicht gese­hen. Dem A blieb es schließ­lich wei­ter­hin frei, statt in selbst­stän­di­ger in unselbst­stän­di­ger Tätig­keit der Berufs­aus­übung des Apo­the­ker­be­ru­fes nach­zu­kom­men. Dies wur­de ihm schließ­lich in die­sem Ver­fah­ren nicht ver­wehrt [sic: droht aber in dem wei­te­ren Ver­fah­ren über den Wider­ruf der Appro­ba­ti­on!]. Im Übri­gen kön­ne A bei Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen die Ertei­lung der Betriebs­er­laub­nis­se erneut spä­ter bean­tra­gen!

Für die Pra­xis

Die Ent­schei­dung gilt in ihren Abwä­gungs­kri­te­ri­en für alle beruf­li­chen oder insti­tu­tio­nel­len Anbie­ter von Gesund­heits­leis­tun­gen. Sie ist ein Para­de­bei­spiel dafür, dass eine steu­er­straf­recht­li­che Ver­tei­di­gung nie den Blick für alle übri­gen Ver­fah­rens­fol­gen für den Betrof­fe­nen ver­lie­ren darf. Dies betrifft sowohl eine Ver­tei­di­gung in Bezug auf den ein­ge­tre­te­nen Steu­er­scha­den als auch die Ent­schei­dung, wie und in wel­chem Aus­maß an der straf­recht­li­chen Auf­klä­rung sowie an einer spä­te­ren Wie­der­gut­ma­chung mit­ge­wirkt wer­den soll. Letzt­end­lich bleibt aber stets die umfang­rei­che Steue­run­ehr­lich­keit ein Indi­ka­tor für eine all­ge­mein-gewerb­li­che Zuver­läs­sig­keit.

News­let­ter-Anmel­dung

Ja, ich habe die Daten­schutz­er­klä­rung zur Kennt­nis genom­men und bin mit Absen­den des Kon­takt­for­mu­la­res mit der elek­tro­ni­schen Ver­ar­bei­tung und Spei­che­rung mei­ner Daten ein­ver­stan­den. Mei­ne Daten wer­den dabei nur streng zweck­ge­bun­den zur Bear­bei­tung und Beant­wor­tung mei­ner Anfra­ge benutzt.

Über den Autor

  • Christoph Schmitz-Schunken

    Chris­toph Schmitz-Schun­ken ist zuge­las­se­ner Rechts­an­walt seit 2005, Steu­er­be­ra­ter, Fach­an­walt für Han­dels- und Gesell­schafts­recht, Fach­an­walt für Steu­er­recht, zert. Bera­ter Steu­er­straf­recht (DAA) und Mit­glied im Vor­stand der Rechts­an­walts­kam­mer Köln. Zum Anwalts­pro­fil