Bei lang andau­ern­den Leis­tun­gen aus einer Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung (BU-Ver­si­che­rung) gibt es immer wie­der Fäl­le, in denen der Ver­si­che­rer über­prü­fen möch­te, ob die Vor­aus­set­zun­gen für die­se Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen noch vor­lie­gen. Hat der Ver­si­che­rer inso­weit Zwei­fel, lei­tet er das soge­nann­te »Nach­prü­fungs­ver­fah­ren« ein, in dem eine Begut­ach­tung durch medi­zi­ni­sche Sach­ver­stän­di­ge erfolgt.

 

Indes führt auch im Nach­prü­fungs­ver­fah­ren nicht jede Ver­bes­se­rung des Gesund­heits­zu­stan­des auto­ma­tisch sofort zu einer Leis­tungs­ein­stel­lung der BU-Ver­si­che­rung.

 

Die nach­fol­gen­den Aus­füh­run­gen fol­gen der Ent­schei­dung des OLG Köln vom 24.01.2022, Az. 20 U 84/18 (soweit ersicht­lich nicht ver­öf­fent­licht).

 

1.

Hat der Ver­si­che­rer im Rah­men einer Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung ein unbe­fris­te­tes Leis­tungs­an­er­kennt­nis aus­ge­spro­chen und Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen aus der BU-Ver­si­che­rung erbracht, muss der Ver­si­che­rer eine ent­schei­den­de Ver­bes­se­rung des Gesund­heits­zu­stan­des nach­wei­sen, möch­te er die Zah­lun­gen aus der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung been­den.

 

Der Ver­si­che­rer kann, wenn er eine Ver­bes­se­rung des Gesund­heits­zu­stan­des sei­nes Ver­si­che­rungs­neh­mers ver­mu­tet, ein Nach­prü­fungs­ver­fah­ren ein­lei­ten. In die­sem Nach­prü­fungs­ver­fah­ren kann und muss er sodann bewei­sen, dass die Vor­aus­set­zun­gen für eine bedin­gungs­ge­mä­ße Berufs­un­fä­hig­keit nicht mehr gege­ben sind, sodass Leis­tun­gen nicht mehr erbracht wer­den müs­sen.

 

Dies bedeu­tet jedoch gera­de nicht, dass im Rah­men die­ses Nach­prü­fungs­ver­fah­rens der Gesund­heits­zu­stand des Ver­si­che­rungs­neh­mers voll­stän­dig neu geprüft wird und auf die­sem Wege sogar die ursprüng­lich aner­kann­te Berufs­un­fä­hig­keit noch­mals geprüft wird. Es ist nicht der Sinn die­ses Nach­prü­fungs­ver­fah­rens, eine gege­be­nen­falls von Anfang an feh­ler­haf­te Ent­schei­dung des Ver­si­che­rers zu kor­ri­gie­ren. Eine irr­tüm­li­che Beur­tei­lung des Gesund­heits­zu­stan­des des Ver­si­che­rungs­neh­mers begrün­det bei unver­än­der­tem Gesund­heits­zu­stand daher kein Recht zur Leis­tungs­ein­stel­lung.

 

Theo­re­tisch bedeu­tet dies fol­gen­des: Geht der Ver­si­che­rer irr­tüm­lich bei einem kern­ge­sun­den Ver­si­che­rungs­neh­mer von einer Berufs­un­fä­hig­keit aus und spricht ein unbe­fris­te­tes Leis­tungs­an­er­kennt­nis aus, so ist die­ser »kern­ge­sun­de« Zustand auch in einem spä­te­ren Nach­prü­fungs­ver­fah­ren Aus­gangs­grund­la­ge für die Fra­ge, ob sich im wei­te­ren Ver­lauf eine Ver­bes­se­rung ein­ge­stellt hat.

 

Maß­geb­lich für den Ver­gleich im Rah­men des Nach­prü­fungs­ver­fah­rens ist der Gesund­heits­zu­stand, den der Ver­si­che­rer sei­nem Leis­tungs­an­er­kennt­nis zugrun­de gelegt hat. Mit die­sem Gesund­heits­zu­stand ist ein spä­te­rer im Nach­prü­fungs­ver­fah­ren fest­ge­stell­ter Gesund­heits­zu­stand zu ver­glei­chen, um gege­be­nen­falls eine Ver­bes­se­rung fest­zu­stel­len. Für die­se Fest­stel­lung jedoch genügt nicht allein der Umstand, dass ein frü­her tätig gewor­de­ner Gut­ach­ter den Grad der Berufs­un­fä­hig­keit höher bewer­tet, als der spä­te­re Gut­ach­ter im Rah­men des Nach­prü­fungs­ver­fah­rens.

 

Nur weil ein spä­te­rer Sach­ver­stän­di­ger nicht zur exakt glei­chen Bewer­tung des Gesund­heits­zu­stan­des und des Gra­des der Ein­schrän­kun­gen kommt, wie ein frü­her tätig gewor­de­ner Gut­ach­ter, ist eine Ver­bes­se­rung des Gesund­heits­zu­stan­des noch nicht belegt. Es lässt sich näm­lich nicht aus­schlie­ßen, dass die­ser unter­schied­li­chen Bewer­tung kei­ne Ver­än­de­rung der Gesund­heit, son­dern ledig­lich ver­schie­de­ne sub­jek­ti­ve Maß­stä­be der unter­schied­li­chen Gut­ach­ter zugrun­de lie­gen. Eine unter­schied­li­che Bewer­tung des Gra­des eines grund­sätz­lich unver­än­der­ten Gesund­heits­zu­stan­des gibt dem Ver­si­che­rer noch kein Recht zur Leis­tungs­ein­stel­lung.

 

Bleibt es also auch im Nach­prü­fungs­ver­fah­ren bei der grund­sätz­li­chen Dia­gno­se der Erkran­kung, die bereits ursprüng­lich der Grund für die vom Ver­si­che­rer ange­nom­me­ne Berufs­un­fä­hig­keit war, so liegt auch dann kei­ne Ver­bes­se­rung des Gesund­heits­zu­stan­des vor, wenn der Sach­ver­stän­di­ge im Nach­prü­fungs­ver­fah­ren einen gerin­ge­ren Grad die­ser Erkran­kung annimmt.

 

2.

Fer­ner darf nicht über­se­hen wer­den, dass die Been­di­gung von Leis­tun­gen aus der BU-Ver­si­che­rung durch den Ver­si­che­rer auch im Rah­men eines Nach­prü­fungs­ver­fah­rens nur dann mög­lich ist, wenn der Ver­si­che­rungs­neh­mer zuvor eine schrift­li­che Mit­tei­lung sei­tens des Ver­si­che­rers über die beab­sich­tig­te Leis­tungs­ein­stel­lung erhält.

 

Die­se Mit­tei­lung muss eine nach­voll­zieh­ba­re Begrün­dung für die beab­sich­tig­te Leis­tungs­ein­stel­lung ent­hal­ten. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetz oder den übli­cher­wei­se ver­wand­ten Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen. Es ergibt sich aller­dings aus dem Zweck die­ser Mit­tei­lung, die unter ande­rem dem Ver­si­che­rungs­neh­mer die Infor­ma­tio­nen ver­mit­teln soll, die die­ser benö­tigt, um sein Pro­zess­ri­si­ko abzu­schät­zen, soll­te er beab­sich­ti­gen, sich gegen die Leis­tungs­ein­stel­lung not­falls auch gericht­lich zur Wehr zu set­zen.

 

An die­se Ände­rungs­mit­tei­lung des Ver­si­che­rers sind auch des­halb hohe Anfor­de­run­gen zu stel­len, weil Berufs­un­fä­hig­keits­ren­te für den Ver­si­che­rungs­neh­mer regel­mä­ßig eine erheb­li­che Bedeu­tung hat. Die Berufs­un­fä­hig­keits­ren­te hat die Funk­ti­on, ein Berufseinkommen/Arbeitsentgelt zu erset­zen. Die Ein­stel­lung die­ser Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen ist daher für den Ver­si­che­rungs­neh­mer und gege­be­nen­falls des­sen Fami­lie exis­ten­zi­ell. Daher muss der Mit­tei­lung an den Ver­si­che­rungs­neh­mer in der Regel der für das Nach­prü­fungs­ver­fah­ren maß­ge­ben­de Ver­gleich des Gesund­heits­zu­stan­des, den der Ver­si­che­rer sei­nem Aner­kennt­nis zugrun­de gelegt hat, mit dem Gesund­heits­zu­stand zu einem spä­te­ren Zeit­punkt ver­ständ­lich zu ent­neh­men sein.

 

Hier­für genü­gen blo­ße medi­zi­ni­sche Aus­füh­run­gen nicht. Wir bewe­gen uns im Bereich der Berufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung, sodass auch eine Dar­le­gung nötig ist, wie sich die im Nach­prü­fungs­ver­fah­ren fest­ge­stell­ten Ver­bes­se­run­gen des Gesund­heits­zu­stan­des auf die beruf­li­che Tätig­keit aus­wir­ken.

 

 

 

Im Ergeb­nis bie­ten auch die gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, die sei­tens des Ver­si­che­rers ein­zu­hal­ten sind, genug Raum für Argu­men­ta­tio­nen zuguns­ten des Ver­si­che­rungs­neh­mers, wenn der Ver­si­che­rer im Nach­prü­fungs­ver­fah­ren zu dem Ergeb­nis gelangt, er kön­ne die frü­her zuge­sag­ten Leis­tun­gen aus der BU-Ver­si­che­rung ein­stel­len.

 

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