Die private Berufsunfähigkeitsversicherung soll im Fall der Krankheit und der daraus resultierenden dauernden Berufsunfähigkeit eine finanzielle Absicherung bieten.

 

Für Selbstständige gelten allerdings einige Besonderheiten, die dazu führen, dass BU-Versicherungen allzu häufig nicht einhalten, was bei Vertragsschluss vollmundig versprochen wurde.

 

1.

Wenn ein Versicherungsnehmer durch eine Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere seiner bisherigen Lebensstellung und Ausbildung entsprechende Tätigkeit auszuüben, ist der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeitsversicherung eingetreten.

 

Gegenüber dem Versicherer wird also darzulegen sein, dass der Versicherungsnehmer infolge von Krankheit seinen bisherigen Beruf voraussichtlich dauernd nicht mehr wird ausüben können und auch eine andere Tätigkeit, die aufgrund Ausbildung und Lebensstellung zumutbar erscheint, nicht ergriffen werden kann.

 

Maßgeblich ist insoweit der zuletzt konkret ausgeübte Beruf. Dabei genügt die bloße Benennung der Berufsbezeichnung nicht. Es kommt vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit im jeweiligen Einzelfall an.

 

2.

Gelingt diese Darlegung für Arbeitnehmer noch leidlich gut, so ist für Selbstständige die entsprechende Darlegung gegenüber der Versicherung erheblich erschwert.

 

Als Selbständiger arbeitet man regelmäßig nicht fremdbestimmt. Der Selbstständige entscheidet grundsätzlich selbst, was er wann wie tut. Daraus folgt, dass der Selbstständige erst dann außerstande ist, seinen bisherigen Beruf auszuüben, wenn er auch unter Ausnutzung dieses Freiraums seine bisherige Tätigkeit nicht mehr fortsetzen kann.

 

Der Selbstständige muss also weitergehend darlegen und auch gegebenenfalls beweisen, dass es ihm nicht möglich ist, durch eine zumutbare Umorganisation seines Betriebes oder seines Büros eine gesundheitlich noch zu bewältigende Tätigkeit zu entwickeln. Selbstständige haben gegenüber ihren bisherigen Angestellten und Arbeitern ein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht. Dieses ermöglicht es Ihnen, bisher etwaig von Ihnen selbst ausgeübte Tätigkeiten zumindest teilweise auf andere zu übertragen. Wenn eine solche Umorganisation ohne nennenswerte Einkommenseinbußen möglich und zumutbar ist und eine sinnvolle eigene Tätigkeit dadurch noch entwickelt werden kann, ist eine Berufsunfähigkeit nicht eingetreten.

 

Bei diesem Erfordernis einer etwaigen Umorganisation des eigenen Betriebs oder Büros handelt es sich auch nicht um eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit. Es bleibt die bisher ausgeübte Tätigkeit, die gerade durch die Umorganisation weiterhin möglich bleibt.

 

Der Handwerker beispielsweise, dem eine Tätigkeit auf seinen Baustellen nicht mehr vollumfänglich möglich ist, wird daher möglicherweise von seinem Versicherer darauf verwiesen, dass er stattdessen seine Arbeitszeit für Buchhaltung, Akquise und das Ausarbeiten von Angeboten weiterhin sinnvoll nutzen kann. Der Inhaber eines Gastronomiebetriebes wird darauf verwiesen, dass beispielsweise die Möglichkeit fortbesteht, in der Küche tätig zu sein, sodass Berufsunfähigkeit nicht im erforderlichen Umfang eingetreten sei.

 

In diesen Fällen muss sauber abgegrenzt werden, welche konkreten Tätigkeiten vom Inhaber des Betriebs oder des Büros tatsächlich vor der Erkrankung in welchem Umfang ausgeübt wurden. Nur so kann bestimmt werden, ob durch den Wegfall verschiedener Einsatzmöglichkeiten noch ein ausreichendes »Restleistungsvermögen« vorhanden ist, dass durch eine Umorganisation des Betriebs oder des Büros sinnvoll eingesetzt werden kann. Auch eine hohe Spezialisierung im Rahmen der bisherigen Tätigkeit kann der Möglichkeit einer Umorganisation entgegenstehen.

 

3.

Regelmäßig enthalten die Verträge zur Berufsunfähigkeit eine Klausel, wonach eine mindestens 50 %ige Berufsunfähigkeit genügt, um die vollen Leistungen des Versicherers zu erhalten. Auch dies ist bei der Frage der möglichen Umorganisation zu berücksichtigen.

 

4.

Zudem ist in den meisten Versicherungsverträgen nicht nur auf die Unfähigkeit zur Ausübung des letzten Berufs abzustellen. Hinzukommen muss ferner die Unfähigkeit, auch einen vergleichbaren und zumutbaren Beruf auszuüben.

 

Ein solcher Beruf ist dann gegeben, wenn er aufgrund von Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und dieser neue Beruf der bisherigen Lebensstellung des Versicherungsnehmers entspricht.

 

Eine solche Vergleichstätigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) dann gefunden, wenn die aufgezeigte Erwerbstätigkeit keine höheren, aber auch keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und auch in ihrer Vergütung wie in ihrer Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt.

 

Verweist der Versicherer auf eine derartige Vergleichstätigkeit, so liegt es an dem Versicherungsnehmer darzulegen und gegebenenfalls auch zu beweisen, warum diese Tätigkeit nicht mit dem zuletzt ausgeübten Beruf vergleichbar ist, will er Leistungen des Versicherers wegen eingetretener Berufsunfähigkeit erhalten.

 

5.

Berufsunfähigkeitsversicherungen, oder kurz »BU-Versicherungen«, sollen eine Versorgungslücke schließen, die im Falle von Krankheit oder körperlichen Einschränkungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit und dem beruflichen Einkommen entstehen. Damit diese Versicherungsverträge aber diese Funktion tatsächlich erfüllen, muss – insbesondere bei Selbstständigen – der Versicherer überzeugt werden.

Über den Autor

  • Thomas Oedekoven

    Thomas Oedekoven ist zugelassen als Rechtsanwalt seit 2000 und Fachanwalt für Medizinrecht, Sozialrecht und für Versicherungsrecht. Zum Anwaltsprofil