Eine häu­fi­ge Situa­ti­on im Stra­ßen­ver­kehr und ins­be­son­de­re auf der Auto­bahn: Ein Fahr­zeug wech­selt die Fahr­spur auf der Auto­bahn. Unmit­tel­bar danach kommt es zur Kol­li­si­on mit dem Hin­ter­mann, weil z. B. die vor­aus­fah­ren­den Fahr­zeu­ge abbrem­sen oder der Hin­ter­mann wesent­lich schnel­ler unter­wegs war als das die Fahr­spur wech­seln­de Fahr­zeug.

Grund­re­gel

Bei den meis­ten Auf­fahr­un­fäl­len wird ver­mu­tet (sog. Anscheins­be­weis), dass der Auf­fah­ren­de ent­we­der einen zu gerin­gen Sicher­heits­ab­stand hat­te und/oder unauf­merk­sam war. Kom­men kei­ne wei­te­ren Umstän­de hin­zu, spricht der Beweis des ers­ten Anscheins für ein allei­ni­ges Ver­schul­den des Auf­fah­ren­den.

 

Die­se Grund­re­gel trifft häu­fig zu, jedoch nicht aus­nahms­los.

Die Annah­me des oben genann­ten Anscheins­be­wei­ses zu Las­ten des Auf­fah­ren­den setzt vor­aus, dass es sich um einen typi­schen Auf­fahr­un­fall gehan­delt hat. Ein typi­scher Auf­fahr­un­fall liegt jedoch dann nicht vor, wenn das vor­aus­fah­ren­de Fahr­zeug unmit­tel­bar vor dem Auf­fah­ren die Fahr­spur gewech­selt hat (BGH Urt. v. 13.12.2011 – VI ZR 177/10).

Damit der Auf­fah­ren­de jedoch von die­ser Aus­nah­me pro­fi­tie­ren kann, muss er soweit es geht detail­lier­te und sach­ver­halts­be­zo­ge­ne Ein­zel­um­stän­de vor­tra­gen und bewei­sen, aus denen sich ergibt, dass kein typi­scher Auf­fahr­un­fall vor­liegt. Allei­ne die Behaup­tung der Vor­der­mann habe die Fahr­spur gewech­selt, reicht nicht aus. Denn oft ist es zwi­schen den Betei­lig­ten strei­tig, ob ein Fahr­spur­wech­sel statt­fand und dass der Ver­kehrs­un­fall in einem engen räum­li­chen und zeit­li­chen mit dem Fahr­spur­wech­sel geschah. Dies­be­züg­lich sind u.a. fol­gen­de Fra­ge­stel­lun­gen rele­vant: gibt es Zeu­gen, die den Fahr­spur­wech­sel beob­ach­tet haben? Wie viel Zeit ist zwi­schen dem Spur­wech­sel und der Kol­li­si­on ver­stri­chen? Sind die Unfall­fahr­zeu­ge im Front/Heckbereich beschä­digt? Oder hat die Kol­li­si­on erst ereig­net als sich die Fahr­zeu­ge auf glei­cher Höhe befun­den haben?

Lässt sich hin­ge­gen im Ergeb­nis nicht mehr ermit­teln, wie sich der Unfall genau abge­spielt hat, ins­be­son­de­re nicht, in wel­chen räum­li­chen und zeit­li­chen Zusam­men­hang zum Spur­wech­sel das Auf­fah­ren erfolg­te, erfolgt in der Regel eine hälf­ti­ge Scha­dens­tei­lung.

 

Mit­haf­tung

Gelingt dem Auf­fah­ren­den der Beweis, dass sich der Unfall im Zusam­men­hang mit einem Fahr­strei­fen­wech­sel ereig­ne­te, kann ggf. sei­ne Mit­haf­tung in Betracht kom­men. Der klas­si­sche Fall auf der Auto­bahn ist die Mit­haf­tung wegen über­höh­ter Geschwin­dig­keit ins­be­son­de­re bei Über­schrei­tung der Richt­ge­schwin­dig­keit von 130 km/h.

Das OLG Frank­furt am Main befand in sei­nem Urteil vom 09.04.2015 – 22 U 238/13, dass der Auf­fah­ren­de einen Mit­haf­tungs­an­teil von 25% zu tra­gen habe, weil er nicht die erfor­der­li­che, dem Abblend­licht ange­pass­te Geschwin­dig­keit ein­ge­hal­ten habe. Zwar begrün­de die Über­schrei­tung der Richt­ge­schwin­dig­keit kei­nen Sorg­falts­ver­stoß, den­noch sei davon aus­zu­ge­hen, dass dem “idea­len Fah­rer” bekannt sei, dass Geschwin­dig­kei­ten über 130 km/h das Unfall­ri­si­ko erheb­lich erhö­hen.

 

Eva Seuf­fert,
Rechts­an­wäl­tin
Absol­ven­tin des Fach­an­walts­lehr­gangs für Ver­kehrs­recht

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Über den Autor

  • Eva Seuffert

    Eva Seuf­fert ist zuge­las­se­ne Rechts­an­wäl­tin seit 2011 und Fach­an­wäl­tin für Ver­kehrs­recht. Ein wei­te­rer Schwer­punkt ihrer Anwalts­tä­tig­keit ist das Ver­wal­tungs­recht. Frau Seuf­fert ist seit Som­mer 2019 nicht mehr für uns tätig.