Regel­mä­ßig wird unse­re Kanz­lei mit der Voll­stre­ckung von in Deutsch­land titu­lier­ten For­de­run­gen im Aus­land sowie der Voll­stre­ckung aus­län­di­scher Urtei­le in Deutsch­land beauf­tragt.

Häu­fig erscheint unse­ren Man­dan­ten die Voll­stre­ckung im euro­päi­schen Aus­land als schwie­rig und kom­pli­ziert, was auch Grund für die Zurück­hal­tung von klei­nen und mit­tel­stän­di­schen Unter­neh­men im Aus­lands­ge­schäft ist. Hier­zu besteht jedoch kei­ne Ver­an­las­sung.

Im EU-Aus­land ist die Voll­stre­ckung von titu­lier­ten For­de­run­gen denk­bar ein­fach gestal­tet. Bei gericht­li­chen Urtei­len kom­men bei der Voll­stre­ckung drei mög­li­che Rechts­grund­la­gen in Ansatz, die Ver­ord­nun­gen (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.00, (EU) Nr. 1215/2012 des Euro­päi­schen Par­la­ments und des Rates vom 12.12.12 über die gericht­li­che Zustän­dig­keit und die Aner­ken­nung und Voll­stre­ckung von Ent­schei­dun­gen in Zivil- und Han­dels­sa­chen sowie die Ver­ord­nung (EG) Nr. 805/2004 zur Ein­füh­rung eines euro­päi­schen Voll­stre­ckungs­ti­tels für unbe­strit­te­ne For­de­run­gen (EuVTTO).

Im Ein­zel­nen:

 

1. EuVTTO

 

Die EuVTTO lässt die unmit­tel­ba­re Voll­stre­ckung eines Ver­säum­nis­ur­teils im Aus­land zu. Denn ein Ver­säum­nis­ur­teil gilt als unbe­strit­te­ne For­de­rung im Sin­ne der vor­ste­hen­den Ver­ord­nung.

Vor­aus­set­zung der Voll­stre­ckung ist die Aus­stel­lung des Ver­säum­nis­ur­teils als euro­päi­scher Voll­stre­ckungs­ti­tel. Hier­zu wird ein Antrag an das Gericht gestellt, das das Ver­säum­nis­ur­teil erlas­sen hat. Die Aus­fer­ti­gung des Urteils als euro­päi­scher Voll­stre­ckungs­ti­tel reicht dann, um unmit­tel­bar im Voll­stre­ckungs­staat einen Gerichts­voll­zie­her mit der Durch­set­zung der For­de­rung zu beauf­tra­gen.

Die Voll­stre­ckung von Ver­säum­nis­ur­tei­len ist unter Vor­be­halt der Sol­venz des Schuld­ners unpro­ble­ma­tisch.

Eine Aus­nah­me besteht dann, wenn es sich bei dem Gläu­bi­ger um einen Unter­neh­mer han­delt, der gegen einen Ver­brau­cher vor­ge­hen möch­te. Abge­se­hen davon, dass in aller Regel bei einem sol­chen Geschäft der Ver­brau­cher an sei­nem Wohn­ort zu ver­kla­gen ist, ist der Anwen­dungs­be­reich der EuVTTO für Geschäf­te mit Kon­su­men­ten nicht eröff­net.

 

2. EuGV­VO (VO (EU)) Nr. 1215/2012

 

Für alle Ver­fah­ren, öffent­li­che Urkun­den oder gericht­li­che Ver­glei­che, die ab dem 10.01.15 oder danach ein­ge­lei­tet, errich­tet oder geschlos­sen wor­den sind, kann die Voll­stre­ckung nach Maß­ga­be der EuGV­VO (VO (EU) Nr. 1215/2012) durch­ge­führt wer­den.

Die­se Ver­ord­nung zeich­net sich im Gegen­satz zu der wei­ter unten behan­del­ten VO (EG) Nr. 44/2001 durch die Auf­ga­be des Erfor­der­nis­ses des soge­nann­ten Voll­stre­ckungs­an­er­ken­nungs­ver­fah­rens (Exe­qua­tur-Ver­fah­ren) aus.

Die Ver­ord­nung ist anwend­bar bei soge­nann­ten kon­tra­dik­to­ri­schen Urtei­len, d. h. Urtei­le, bei denen die beklag­te Par­tei sich ver­tei­digt hat und Ver­säum­nis­ur­tei­le, die z. B. gegen einen Ver­brau­cher ergan­gen sind (s. o.).

Zum Zwe­cke der Voll­stre­ckung ist eine Aus­fer­ti­gung des Urteils vor­zu­le­gen sowie das Form­blatt gemäß Arti­kel 53 EuGV­VO, mit­tels des­sen das Gericht a quo u. a. bestä­tigt, dass das Ver­fah­ren ord­nungs­ge­mäß ein­ge­lei­tet wur­de, die Ent­schei­dung rechts­kräf­tig und voll­streck­bar ist. Eine Über­set­zung des Form­blat­tes ist nicht not­wen­dig, weil es in allen EU-Län­dern iden­tisch auf­ge­baut ist.

Aller­dings ist eine Über­set­zung der zu voll­stre­cken­den Ent­schei­dung zur Ver­mei­dung zeit­li­cher Ver­zö­ge­run­gen zu emp­feh­len, da die meis­ten Gerich­te im Voll­stre­ckungs­staat eine sol­che anfor­dern, auch wenn dies nicht Zuläs­sig­keits­vor­aus­set­zung für den Antrag ist.

Rechts­be­hel­fe sind im Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren von dem Schuld­ner gel­tend zu machen. Dabei gilt aller­dings, dass die Ent­schei­dung in der Sache nicht über­prüft wer­den darf. Der Schuld­ner kann daher nicht ein­wen­den, dass das Vor­der­ge­richt in der Sache falsch ent­schie­den hät­te.

Ein förm­li­ches Aner­ken­nungs­ver­fah­ren ist nicht mehr not­wen­dig. Die Voll­stre­ckung darf nur ver­sagt wer­den, wenn das Urteil offen­sicht­lich gegen den ord­re public ver­stößt, d. h. die Grund­sät­ze der öffent­li­chen Ord­nung. Letz­te­res ist dem Unter­zeich­ner in der Pra­xis bis­lang in Zivil- und Han­dels­sa­chen noch nicht vor­ge­kom­men.

 

3. VO (EG) 44/2001

 

Für alle Ver­fah­ren, die vor dem 10.01.15 ein­ge­lei­tet wur­den oder Urkun­den, die vor die­sem Datum errich­tet oder Ver­glei­che, die vor die­sem Datum geschlos­sen wur­den, gilt noch die Vor­gän­ger­ver­ord­nung VO 44/2001.

Die­se zeich­net sich durch das Erfor­der­nis des soge­nann­ten Exe­qua­tur-Ver­fah­rens aus.

Hier­bei ist ein Antrag an das Voll­stre­ckungs­ge­richt, in dem der Schuld­ner sei­nen Wohn­sitz / Geschäfts­sitz hat oder in dem sich Ver­mö­gen befin­det, auf das im Wege der Voll­stre­ckung zuge­grif­fen wer­den soll, zu rich­ten. Hier­zu sind eine Aus­fer­ti­gung des Urteils und der Anhang 1 gem. Arti­kel 54 die­ser Ver­ord­nung (Form­blatt) mit dem Antrag auf Voll­streck­bar­keits­er­klä­rung vor­zu­le­gen.

Das Ver­fah­ren erfor­dert jedoch die Hin­zu­zie­hung eines am Voll­stre­ckungs­ort zuge­las­se­nen Anwal­tes.

Eine Über­set­zung der Schrift­stü­cke ist nicht not­wen­dig, jedoch rat­sam, all­zu­mal der Antrag sowie­so in der Ver­fah­rens­spra­che des Gerich­tes zu for­mu­lie­ren ist.

Auch hier gilt, dass die Ent­schei­dung in der Sache selbst nicht nach­ge­prüft wer­den darf und das Gericht ledig­lich prüft, ob das ver­fah­rensein­lei­ten­de Schrift­stück sowie das Urteil zuge­stellt wor­den sind, fer­ner, ob nicht gegen den ord­re public ver­sto­ßen wur­de.

Das Voll­stre­ckungs­an­er­ken­nungs­ver­fah­ren ist grund­sätz­lich ein­sei­tig, d. h. es wird dem Schuld­ner kei­ne Kopie des Antra­ges zur Stel­lung­nah­me zuge­lei­tet. Er kann ledig­lich Rechts­mit­tel gegen die Ent­schei­dung der Voll­streck­bar­keits­er­klä­rung ein­le­gen.

 

4. Pra­xis­tipps

 

Die Ver­fah­ren sind weit­ge­hend for­ma­li­siert und schnell.

Gleich­wohl gibt es hin und wie­der Schwie­rig­kei­ten, ins­be­son­de­re bei Gerich­ten, die von dem Bemü­hen geprägt sind, Schuld­ner eher zu schüt­zen als Gläu­bi­ger, was neben­bei eine aus­ge­präg­te Ten­denz in Deutsch­land ist.

In bel­gi­schen und fran­zö­si­schen Urtei­len wird z. B. nur der gesetz­li­che Zins­satz aus­ge­ur­teilt. Wie hoch der gesetz­li­che Zins­satz ist, muss sodann in dem Antrag nach­ge­wie­sen und bewie­sen wer­den, was teil­wei­se schwie­rig wird, da die Rechts­quel­len, z. B. Geset­ze, oder in Frank­reich und Bel­gi­en Ver­ord­nun­gen, zu beschaf­fen und zu über­set­zen sind. Abhil­fe schafft es, die Zin­sen im Antrag zu kapi­ta­li­sie­ren.

Auch deut­sche Urtei­le, die z. B. einen Zins­satz von 9 Pro­zent­punk­ten über dem Basis­zins­satz aus­wei­sen, haben den Nach­teil, dass die­ser Basis­zins­satz der Höhe nach unter Rück­griff auf das BGB nach­ge­wie­sen wer­den muss. In sol­chen Fäl­len bie­tet es sich an, mit dem Gericht dar­über zu spre­chen, ob nicht die Mög­lich­keit besteht, einen nomi­na­len Zins­satz aus­zu­wei­sen, was die Voll­stre­ckung ganz erheb­lich ver­ein­facht.

Da zum Zwe­cke der Voll­stre­ckung die Zustel­lung des ver­fah­rensein­lei­ten­den Schrift­sat­zes nach­ge­wie­sen wer­den muss, gibt es im deut­schen Recht ein wei­te­res Pro­blem mit der Kos­ten­ent­schei­dung. Wäh­rend die Kos­ten­ent­schei­dung in aus­län­di­schen Urtei­len dem Grun­de und der Höhe nach in dem Urteil selbst ent­hal­ten ist, erfolgt in Deutsch­land nur eine Ver­ur­tei­lung dem Grun­de nach. Der Höhe nach wird die Bestim­mung der zu erstat­ten­den Kos­ten dem Kos­ten­fest­set­zungs­ver­fah­ren vor­be­hal­ten. Pro­ble­ma­tisch hier­bei ist, dass der Kos­ten­fest­set­zungs­an­trag nicht förm­lich zuge­stellt wird. Das kann zu einer Ver­wei­ge­rung der Aner­ken­nung des Kos­ten­fest­set­zungs­be­schlus­ses füh­ren, weil die Zustel­lung des inso­weit ver­fah­rensein­lei­ten­den Schrift­stücks nicht geführt wird. Auch wenn die Geschäfts­stel­len hier­mit nicht ver­traut sind, bie­tet es sich an, die förm­li­che Zustel­lung des Kos­ten­fest­set­zungs­an­tra­ges zu bean­tra­gen, um die­ses poten­ti­el­le Voll­stre­ckungs­hin­der­nis zu besei­ti­gen. Dies gilt vor allem dann, wenn sich die Voll­stre­ckung dar­auf beschränkt, einen Kos­ten­fest­set­zungs­be­schluss gegen die Klä­ger­par­tei, die unter­le­gen ist, durch­zu­set­zen. Dann beschränkt sich der zu voll­stre­cken­der Anspruch auf die zu erset­zen­den Anwalts­kos­ten im Kos­ten­fest­set­zungs­be­schluss, der bei man­geln­der Zustel­lung dann prak­tisch nicht mehr durch­setz­bar wäre.

 

Gui­do Imfeld
Rechts­an­walt / Avo­cat / Advo­caat
Fach­an­walt für inter­na­tio­na­les Wirt­schafts­recht
Fach­an­walt für Han­dels- und Gesell­schafts­recht
Fach­an­walt für gewerb­li­chen Rechts­schutz
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Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Gui­do Imfeld ist zuge­las­se­ner Anwalt seit 1996 und Fach­an­walt für Inter­na­tio­na­les Wirt­schafts­recht, für Han­dels- und Gesell­schafts­recht. Seit dem Jah­re 2000 ist er auch in Bel­gi­en als Anwalt zuge­las­sen. Zum Anwalts­pro­fil