Die Beschrän­kung der steu­er­li­chen Abzugs­fä­hig­keit von Kin­der­be­treu­ungs­kos­ten bei Ehe­paa­ren, die ihre Ein­künf­te in zwei Län­dern der EU erzie­len, ist euro­pa­rechts­wid­rig

Ent­schei­dung des Euro­päi­schen Gerichts­ho­fes vom 12.12.2013, C‑303/12 betref­fend das bel­gi­sche Steu­er­recht

Die Euro­päi­sche Uni­on garan­tiert ihren Ein­woh­nern das Recht auf Frei­zü­gig­keit und Nie­der­las­sungs­frei­heit. Jeder EU-Bür­ger kann z.B. von heu­te auf mor­gen von Ber­lin nach Paris zie­hen, um dort zu arbei­ten und zu leben. Dabei wird ihm die steu­er­li­che Gleich­stel­lung mit Inlän­dern garan­tiert, da es in der EU kei­ne Aus­län­der­dis­kri­mi­nie­rung geben darf.

Soweit die steu­er­li­che Gleich­be­hand­lung bei Inlands­sach­ver­hal­ten ohne Wei­te­res als gege­ben ange­se­hen wer­den darf, liegt im Bereich der steu­er­li­chen Behand­lung von grenz­über­schrei­ten­den Sach­ver­hal­ten eini­ges im Argen. Als Stich­wor­te sei­en hier Schumacker und Gschwind genannt.

Jedoch hat der Euro­päi­sche Gerichts­hof in einer Ent­schei­dung vom 12.12.2013 die Rech­te von Ehe­paa­ren, die ihre Ein­künf­te in ver­schie­de­nen Staa­ten der EU erzie­len, im Ver­gleich zu rein natio­na­len Sach­ver­hal­ten gestärkt.

Der Ent­schei­dung lag fol­gen­der Sach­ver­halt zu Grun­de:

Das Ehe­paar ist in Bel­gi­en wohn­haft und wird dort gemein­sam zur Ein­kom­men­steu­er ver­an­lagt. Die Ehe­frau war in Bel­gi­en ange­stellt, der Ehe­mann frei­be­ruf­lich als Rechts­an­walt in Deutsch­land tätig.

Auf­grund des deutsch-bel­gi­schen Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­mens wur­den die Ein­künf­te der Ehe­frau in Bel­gi­en ver­steu­ert, die Ein­künf­te des Ehe­manns in Deutsch­land.

Die Ehe­frau mach­te Kos­ten der Finan­zie­rung des gemein­sa­men Ein­fa­mi­li­en­hau­ses sowie Kin­der­be­treu­ungs­kos­ten als steu­er­lich zu berück­sich­ti­gen­den Auf­wand in ihrer Steu­er­klä­rung gel­tend.

Der Abzug die­ser Kos­ten wur­de jedoch ver­wei­gert, da nach dem bel­gi­schen Steu­er­recht der Abzug die­ser Kos­ten nur in Bezug auf das höhe­re Ein­kom­men zuläs­sig war. Das höhe­re Ein­kom­men war das des Ehe­manns. Da die­ses Ein­kom­men jedoch der Besteue­rung durch den bel­gi­schen Staat ent­zo­gen war, ging die Anrech­nung ins Lee­re.

Hier­ge­gen wand­ten sich die Steu­er­pflich­ti­gen und argu­men­tier­ten, sie sei­en auf­grund des grenz­über­schrei­ten­den Sach­ver­halts im Ver­gleich zu einem aus­schließ­lich inner­bel­gi­schen Sach­ver­halt benach­tei­ligt und hier­durch wer­de EU-Recht ver­letzt. Denn der durch den grenz­über­schrei­ten­den Sach­ver­halt gege­be­ne steu­er­li­che Nach­teil stellt ent­we­der einen Hin­de­rungs­grund in Bezug auf die Auf­nah­me einer Tätig­keit im Aus­land oder der Begrün­dung eines gemein­sa­men Wohn­sit­zes in Bel­gi­en dar.

Mit Ent­schei­dung vom 12.12.2013 gab der Euro­päi­sche Gerichts­hof den Klä­gern Recht und ent­schied, dass die in Bezug genom­me­ne Rege­lung des bel­gi­schen Steu­er­rechts gegen Arti­kel 49 AEUV ver­sto­ße.

Arti­kel 49 AEUV sei dahin aus­zu­le­gen, dass er der Anwen­dung der Steu­er­re­ge­lung eines Mit­glieds­staats wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen­steht, die bewirkt, dass einem in die­sem Staat wohn­haf­ten Ehe­paar, das Ein­künf­te sowohl in die­sem Staat als auch in einem ande­ren Mit­glied­staat erzielt, der tat­säch­li­che Genuss einer bestimm­ten Steu­er­be­güns­ti­gung wegen der Moda­li­tä­ten ihrer Anrech­nung ver­sagt wird, obwohl die­ses Ehe­paar in deren Genuss käme, wenn der Ehe­gat­te mit den höchs­ten Ein­künf­ten nicht sei­ne sämt­li­chen Ein­künf­te in einem ande­ren Mit­glied­staat erziel­te.

Hier­mit bricht der EuGH eine wei­te­re Lan­ze für die Nie­der­las­sungs­frei­heit und Frei­zü­gig­keit in der EU.

Lei­der hat der EuGH den Streit­ge­gen­stand bzw. die Reich­wei­te sei­ner Ent­schei­dung ein­ge­schränkt. Aus­drück­lich sta­tu­ier­te der EuGH, dass es hier um eine Rege­lung im Wohn­sitz­staat gehe. Der Wohn­sitz­staat habe grund­sätz­lich den per­sön­li­chen fami­liä­ren Ver­hält­nis­sen der Steu­er­pflich­ti­gen Rech­nung zu tra­gen. Durch den hier in Fra­ge ste­hen­den Mecha­nis­mus sei die­se Pflicht ver­letzt und stel­le ein Hin­der­nis zur Ver­wirk­li­chung der Grund­frei­hei­ten dar.

Damit kann stric­to sen­su die­se Ent­schei­dung nicht gegen die Urtei­le Schumacker (C‑279/93) und Gschwind (C‑391/97) sowie die hier­mit im Zusam­men­hang ste­hen­den Ent­schei­dun­gen ein­ge­wandt wer­den.

Bei die­sen Ent­schei­dun­gen geht es, u.a., um die Fra­ge des Ehe­gat­ten­split­tings. Bei einem Ehe­paar, das unter­schied­lich hohe Ein­künf­te erzielt und gemein­sam ver­an­lagt wird, kön­nen die Ehe­gat­ten nach deut­schem Steu­er­recht das Ehe­gat­ten­split­ting in Anspruch neh­men.

Dies gilt in den Fäl­len, in denen die Steu­er­pflich­ti­gen einen gemein­sa­men Wohn­sitz in Deutschlang begrün­den. Auch wird das Ehe­gat­ten­split­ting dann gewährt, wenn der Wohn­sitz zwar im Aus­land bele­gen ist, jedoch bei­de Ehe­gat­ten unbe­schränkt steu­er­pflich­tig in Deutsch­land sind.

Bei grenz­über­schrei­ten­den Sach­ver­hal­ten jedoch, in denen der Wohn­sitz nicht in Deutsch­land bele­gen ist und die von dem Ehe­paar außer­halb von Deutsch­land erziel­ten Ein­künf­te mehr als 10 % der Gesamt­ein­künf­te des Ehe­paa­res aus­ma­chen oder über dem Grund­frei­be­trag lie­gen, wird das Ehe­gat­ten­split­ting nicht gewährt. Zwei Vor­la­ge­be­schlüs­se an den EuGH, näm­lich Schumacker und Gschwind, die davon aus­gin­gen, dass hier eine Ver­let­zung der Grund­rech­te der EU vor­lie­gen könn­ten, wur­den vom EuGH abschlä­gig beschie­den. Dies ist bedau­er­lich im Hin­blick dar­auf, dass nach dies­sei­ti­ger Ansicht ein evi­den­tes Hin­der­nis der Frei­zü­gig­keit oder Nie­der­las­sungs­frei­heit vor­liegt, wenn bei iden­ti­schen Sach­ver­hal­ten – gemein­sa­me Ver­an­la­gung der Ehe­gat­ten, Erzie­lung von Ein­künf­ten in zwei Staa­ten der EU – das Ehe­gat­ten­split­ting bei Begrün­dung eines Wohn­sit­zes in Deutsch­land gewährt wür­de, bei Begrün­dung eines Wohn­sit­zes im benach­bar­ten Aus­land jedoch nicht.

Gui­do Imfeld
Rechts­an­walt
Fach­an­walt für Han­dels- und Gesell­schaft­recht
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Wirt­schafts­me­dia­tor

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Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Gui­do Imfeld ist zuge­las­se­ner Anwalt seit 1996 und Fach­an­walt für Inter­na­tio­na­les Wirt­schafts­recht, für Han­dels- und Gesell­schafts­recht. Seit dem Jah­re 2000 ist er auch in Bel­gi­en als Anwalt zuge­las­sen. Zum Anwalts­pro­fil