Am 17.06.2017 ist mit Art. 8 EGBGB die Neu­re­ge­lung zum Voll­macht­sta­tut in Kraft getre­ten. Damit wird eine Geset­zes­lü­cke geschlos­sen, da die Stell­ver­tre­tung im inter­na­tio­na­len Pri­vat­recht bis­lang gesetz­lich nicht gere­gelt war. Das inter­na­tio­na­le Pri­vat­recht bezeich­net natio­na­le oder euro­päi­sche Nor­men, die regeln, wel­ches Recht auf Rechts­fäl­le mit Bezug zu zwei oder meh­re­ren Län­dern Anwen­dung fin­det.

Gegen­stand der Rege­lung des Art. 8 EGBGB ist die rechts­ge­schäft­li­che Stell­ver­tre­tung im pri­va­ten und unter­neh­me­ri­schen Bereich, also die Voll­macht im Sin­ne von § 164 BGB, nicht aber die gesetz­li­che oder organ­schaft­li­che Ver­tre­tung (zum Bei­spiel des Geschäfts­füh­rers einer GmbH).

Art. 8 Abs. 1 erlaubt den Par­tei­en, eine Rechts­wahl bezüg­lich des auf die Voll­macht anwend­ba­ren Rechts zu tref­fen. Liegt kei­ne sol­che vor, ent­hält die Vor­schrift Auf­fang­tat­be­stän­de.

In Sach­ver­hal­ten mit inter­na­tio­na­lem Bezug ist des­halb zunächst zu prü­fen, ob die Betei­lig­ten eine Rechts­wahl getrof­fen haben. Dies kann auch still­schwei­gend erfol­gen bzw. sich aus dem Kon­text des Rechts­ge­schäfts erge­ben. Her­vor­zu­he­ben ist dabei, dass eine Voll­macht gegen­über Drit­ten nur dann Wir­kung zeigt, wenn die­se hier­von posi­ti­ve Kennt­nis haben. Nicht aus­rei­chend ist ein „Ken­nen-Müs­sen“.

Haben die Betei­lig­ten kei­ne Rechts­wahl getrof­fen, erlaubt Art. 8 den Rück­griff auf Anknüp­fungs­punk­te zur Fest­stel­lung, wel­ches Recht auf die Voll­macht Anwen­dung fin­det und dif­fe­ren­ziert dabei nach der Art des Ver­trags­ver­hält­nis­ses, das der betrof­fe­nen Voll­macht zugrun­de liegt.

Der gewöhn­li­che Auf­ent­halt des Bevoll­mäch­tig­ten bestimmt das Voll­macht­sta­tut bei Ver­trä­gen in Rah­men unter­neh­me­ri­scher Tätig­keit, Art. 8 Abs. 2. Im Gegen­satz hier­zu rich­tet sich das anwend­ba­re Recht bei Arbeits­ver­hält­nis­sen nach dem gewöhn­li­chen Auf­ent­halt des Voll­macht­ge­bers, Art. 8 Abs. 3. Von einem gewöhn­li­chen Auf­ent­halt wird man in Anleh­nung an die Euro­päi­schen Erb­rechts­ver­ord­nung aus­ge­hen dür­fen, wenn die betrof­fe­ne Per­son mehr als sechs Mona­te in einem Land ver­bringt, dies unab­hän­gig von der als Wohn­sitz gegen­über dem Ein­woh­ner­mel­de­amt gemel­de­ten Adres­se.

Bei Grund­stücks­ge­schäf­ten rich­tet sich die Wirk­sam­keit der Voll­macht nach dem Recht des Lan­des, in dem das Grund­stück bele­gen ist, Art. 8 Abs. 6.

Als letz­ter Auf­fang­tat­be­stand gilt das Recht des Lan­des, in dem die Voll­macht benutzt wird, der sog. Gebrauchs­ort.

Die Neu­re­ge­lung beinhal­tet rei­ne Sach­norm­ver­wei­sun­gen. Dies bedeu­tet, dass nicht in das inter­na­tio­na­le Pri­vat­recht eines ande­ren Lan­des ver­wie­sen wird, son­dern die Ver­wei­sung erfolgt unmit­tel­bar in das mate­ri­el­le Recht. Dies ver­mei­det den soge­nann­ten ren­voi, also eine Rück­ver­wei­sung auf deut­sches Recht auf Grund der Rege­lun­gen des inter­na­tio­na­len Pri­vat­rechts des Lan­des, auf den ver­wie­sen wird.

Es ist sehr zu begrü­ßen, dass der Gesetz­ge­ber die Fra­ge des in inter­na­tio­na­len Rechts­fäl­len auf die Voll­macht anzu­wen­den­den Rechts gere­gelt und dabei den Wil­len der Par­tei­en zur Grund­re­gel gemacht hat. Im Gegen­satz zur Recht­spre­chung, die in ers­ter Linie vom Wir­kungs­ort aus­ge­gan­gen ist, steht es den Par­tei­en nun­mehr frei, eine Rechts­wahl und damit kla­re Rege­lun­gen zu tref­fen. Dies erhöht die Rechts­si­cher­heit für alle Betei­lig­ten in einer Zeit, die zuneh­mend von unter­neh­me­ri­scher und pri­va­ter Mobi­li­tät geprägt ist. Zu bedau­ern ist, dass es eine Rege­lung auf euro­päi­scher Ebe­ne noch nicht gibt.

Zu emp­feh­len ist in Fäl­len, in denen von einer Voll­macht Gebrauch gemacht wer­den soll, in der Voll­macht das auf die­se anwend­ba­re Recht ein­deu­tig zu bestim­men und dies auch den Per­so­nen, denen gegen­über die Voll­macht gebraucht wer­den soll, mit­zu­tei­len. Denn Art. 8 EGBGB ist trotz sei­ner Bezeich­nung als Norm des inter­na­tio­na­len Pri­vat­rechts natio­na­les deut­sches Recht. Ent­steht zum Bei­spiel bei einem Rechts­streit in Bel­gi­en Streit über das auf die Voll­macht anzu­wen­den­den Recht, wird dies aus dem bel­gi­schen Inter­na­tio­na­len Pri­vat­recht, dem Code de Droit Inter­na­tio­nal Pri­vé ent­wi­ckelt. Bis zu einer Rege­lung auf euro­päi­scher Ebe­ne in Anleh­nung an die Rom I‑Verordnung gel­ten daher im Zwei­fel in jedem Land ande­re Regeln zur Anknüp­fung auf das auf die Voll­macht anzu­wen­den­de Recht.

 

Gui­do Imfeld
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