Im inter­na­tio­na­len Recht fal­len Gerichts­stand und anwend­ba­res Recht häu­fig aus­ein­an­der.

Grund hier­für ist, dass sich die Gericht­stän­de aus der Brüs­sel I‑Verordnung erge­ben, wäh­rend das anwend­ba­re Recht sich im Bereich der ver­trag­li­chen Schuld­ver­hält­nis­se aus der Rom I‑Verordnung, im Bereich des außer­ver­trag­li­chen Rechts aus der Rom II-Ver­ord­nung erschließt, obwohl gemäß Erwä­gungs­grund 7 der Ver­ord­nung Rom I‑VO der Anwen­dungs­be­reich der Rom-I-Ver­ord­nung zum anwend­ba­ren Recht und der Brüs­sel-I-Ver­ord­nung zum Gerichts­stand im Ein­klang ste­hen soll­ten.

 

Bei­spiel: Ein deut­scher Ver­käu­fer ver­kauft an den bel­gi­schen Käu­fer Waren und lie­fert die­se an des­sen Sitz. Gemäß Arti­kel 2 Brüs­sel-I-VO kann der Ver­käu­fer den Käu­fer an des­sen all­ge­mei­nen Gericht­stand, d.h. am Sitz sei­nes Unter­neh­mens ver­kla­gen; gemäß Arti­kel 5 Brüs­sel-I-VO am Lie­fer­ort. Bei­de Gerichts­or­te befin­den sich am Sitz des Käu­fers.

Das anzu­wen­den­de Recht wäre das deut­sche Recht, wobei im Fal­le einer gewerb­li­chen Lie­fe­rung jedoch gilt, dass das sowohl in Deutsch­land wie in Bel­gi­en anwend­ba­re UN-Kauf­recht gäl­te und nur sub­si­di­är das deut­sche Recht.

Soll­ten die AGB jedoch, wie häu­fig, eine Aus­schluss­klau­sel für das UN-Kauf­recht beinhal­ten, müss­te der deut­sche Ver­käu­fer in Bel­gi­en sei­ne Ansprü­che nach deut­schem Recht ein­kla­gen.

Auf die häu­fig in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen vor­han­de­ne Gericht­stands­klau­sel wird er sich dabei in aller Regel nicht beru­fen kön­nen, denn im inner­eu­ro­päi­schen Rechts­ver­kehr ver­langt Arti­kel 23 Brüs­sel-I-Ver­ord­nung Schrift­lich­keit zur Ver­ein­ba­rung eines Gericht­stan­des, was durch Inbe­zug­nah­me oder Über­sen­dung von AGB nicht gege­ben ist.

Natur­ge­mäß kennt der bel­gi­sche Rich­ter das deut­sche Recht nicht und spricht, abseits der Deutsch­spra­chi­gen Gemein­schaft in Bel­gi­en, regel­mä­ßig kein Deutsch. Glei­ches gilt im umge­kehr­ten Fall bei Anwen­dung z. B. bel­gi­schen Rechts für den deut­schen Rich­ter, wenn die­ser nicht zufäl­lig Fran­zö­sisch oder Nie­der­län­disch spricht.

Dann stellt sich die Fra­ge, in wel­chem Umfang die jeweils dar­le­gungs- und beweis­be­las­te­te Par­tei zum anwend­ba­ren aus­län­di­schen Recht vor­tra­gen muss.

Zumin­dest in Deutsch­land ist der Rich­ter von Amts wegen zur Ermitt­lung des anwend­ba­ren aus­län­di­schen Rechts ver­pflich­tet. Die Ver­pflich­tung des deut­schen Rich­ters zur Ermitt­lung und Anwen­dung aus­län­di­schen Rechts von Amts wegen hat der BGH in sei­nen Ent­schei­dun­gen BGH NJW 1996, 54 und BGH NJW 2009, 916 bestä­tigt. In Bel­gi­en, und ins­be­son­de­re z.B. in Groß­bri­tan­ni­en, wo die soge­nann­ten fact doc­tri­ne gilt, ist der Rich­ter hier­zu weni­ger bis gar nicht ver­pflich­tet.

Nun­mehr beschäf­tig­te sich der BGH in einer Ent­schei­dung vom 14.01.2014 (II ZR 192/13) mit der Qua­li­tät, in wel­cher das aus­län­di­sche Recht zu ermit­teln ist.

Dort hießt es:

„Der Tat­rich­ter darf sich bei der Ermitt­lung aus­län­di­schen Rechts nicht auf die Her­an­zie­hung der Rechts­quel­len beschrän­ken, son­dern muss auch die kon­kre­te Aus­ge­stal­tung des Rechts in der aus­län­di­schen Rechts­pra­xis, ins­be­son­de­re die aus­län­di­sche Recht­spre­chung, berück­sich­ti­gen.“

In der Sache hat­te der Rich­ter auf Anre­gung einer der Par­tei­en eine Aus­kunft nach dem Euro­päi­schen Über­ein­kom­men vom 07.06.1968 betref­fend Aus­künf­te über aus­län­di­sches Recht, das soge­nann­ten Lon­do­ner-Über­ein­kom­men, ein­ge­holt. Er hat­te sich aller­dings mit einer nicht aus­rei­chen­den Ant­wort zufrie­den gege­ben und damit den Fall ent­schie­den. Der BGH sah dies als Ver­fah­rens­feh­ler an und hob die Ent­schei­dung auf.

Die­se Ent­schei­dung ist zu begrü­ßen, wobei selbst­ver­ständ­lich in der Pra­xis gilt, dass einem Rich­ter auch nicht Unmög­li­ches zuge­mu­tet wer­den kann. Es wäre einer Par­tei nicht anzu­ra­ten, sich zurück­zu­leh­nen und den Rich­ter „machen zu las­sen“. Dabei ist der­je­ni­ge, der zum anwend­ba­ren Recht sub­stan­ti­iert vor­tra­gen kann, deut­lich im Vor­teil.

Denn man kann vom Gericht nicht ver­lan­gen, ganz allein aus­län­di­sches Recht zu ermit­teln. In aller Regel kennt der Rich­ter die Spra­che nicht; weiß auch nicht, wie und wo zu recher­chie­ren ist. Im Zwei­fel wird die dar­le­gungs- und beweis­be­las­te­te Par­tei mit Vor­schuss­kos­ten in leicht vier- bis fünf­stel­li­ger Höhe beschwert, weil der Rich­ter zur Ermitt­lung aus­län­di­schen Rechts Rechts­gut­ach­ten bei Uni­ver­si­täts­pro­fes­so­ren oder dem Max Planck Insti­tut für inter­na­tio­na­les Recht ein­holt, wenn die Par­tei­en wenig oder gar nicht zum anwend­ba­ren Recht vor­tra­gen.

Man ist daher gut bera­ten, bereits bei der Gestal­tung sei­ner Ver­trä­ge und deren Abschluss einen Gleich­klang zwi­schen Gerichts­stand und anwend­ba­rem Recht her­zu­stel­len bzw. im inter­na­tio­na­len Han­del das UN-Kauf­recht gera­de nicht aus­zu­schlie­ßen ist. Denn es ist z.B. in der EU mit Aus­nah­me von Eng­land, Por­tu­gal und Mal­ta in allen EU-Staa­ten durch Rati­fi­zie­rung des Wie­ner-Abkom­mens natio­na­les Recht gewor­den und erleich­tert damit die Rechts­durch­set­zung im Aus­land ganz erheb­lich. Je nach­dem, ob man Ver­käu­fer oder Käu­fer ist, soll­te das dis­po­nible UN-Kauf­recht jedoch um eini­ge Stel­len durch AGB gestal­tet wer­den.

Ist aber im kon­kre­ten Fall doch aus­län­di­sches Recht anwend­bar, ste­hen wir Ihnen für das deut­sche Recht in Bel­gi­en und das bel­gi­sche Recht in Deutsch­land ger­ne mit Rat und Tat zur Sei­te.

 

Gui­do Imfeld
Rechts­an­walt
Fach­an­walt für Han­dels- und Gesell­schaft­recht
Fach­an­walt für gewerb­li­chen Rechts­schutz
Wirt­schafts­me­dia­tor

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Über den Autor

  • Guido Imfeld

    Gui­do Imfeld ist zuge­las­se­ner Anwalt seit 1996 und Fach­an­walt für Inter­na­tio­na­les Wirt­schafts­recht, für Han­dels- und Gesell­schafts­recht. Seit dem Jah­re 2000 ist er auch in Bel­gi­en als Anwalt zuge­las­sen. Zum Anwalts­pro­fil