1. Gesetz­li­che Grund­la­ge

Die Abtre­tung (ces­si­on) ist im bel­gi­schen Zivil­ge­setz­buch (Code Civil/Burgerlijk Wet­boek) in den Arti­keln 1689 ff. gere­gelt.

Wie im deut­schen Recht han­delt es sich bei der Abtre­tung um einen Ver­trag, bei dem eine Par­tei, der Zedent (cré­an­cier cédant) der ande­ren Par­tei, dem Zes­sio­nar (cré­an­cier ces­si­on­n­aire) eine For­de­rung gegen­über einem Drit­ten (débi­teur cédé) abtritt. Dabei ist ein Ein­ver­ständ­nis des Drit­ten (Debi­tor) nicht erfor­der­lich.

Arti­kel 1689 Code Civil qua­li­fi­ziert in sei­ner noch aus dem Ende des 18ten Jahr­hun­derts stam­men­den Kon­zep­ti­on die Abtre­tung der For­de­rung als Ver­kauf. Neben den Vor­schrif­ten der Arti­kel 1689 Code Civil wer­den daher ergän­zend die Regeln des Kauf­ver­tra­ges für den For­de­rungs­ver­kauf her­an­ge­zo­gen, was aller­dings in dem vor­lie­gen­den Fall dahin­ste­hen kann, da der eigent­li­che Fac­to­ring-Ver­trag dem deut­schen Recht unter­liegt.

Auf­grund der kauf­recht­li­chen Kon­zep­ti­on des Arti­kel 1689 Code Civil spricht die­ser von „trans­port d´une cré­an­ce“ und einer „remi­se du tit­re“, was dar­auf schlie­ßen lässt, dass eine Über­tra­gung durch Ver­brie­fung erfolgt. Nach der in 1996 erfolg­ten Reform der Abtre­tung im bel­gi­schen Recht ist jedoch im Ver­hält­nis zwi­schen Zedent und Zes­sio­nar die Über­ga­be eines Titels nicht not­wen­dig, son­dern die Abtre­tung wird im Ver­hält­nis zwi­schen Zes­sio­nar und Zedent durch Abtre­tungs­er­klä­rung und Annah­me der­sel­ben bewirkt.

Die Abtre­tung wirkt ding­lich, da sie allen Drit­ten, ins­be­son­de­re auch im Fal­le der Insol­venz dem Insol­venz­ver­wal­ter ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den kann.

Im bel­gi­schen Recht ist eine Über­tra­gung der For­de­rung zu Eigen­tum, treu­hän­de­risch und zum Zwe­cke der Absi­che­rung zuläs­sig.

2. Form­vor­schrif­ten

Das bel­gi­sche Recht kennt für die Abtre­tung, ins­be­son­de­re bei Han­dels­ge­schäf­ten, kein Form­erfor­der­nis, um die Wirk­sam­keit der Abtre­tung her­bei­zu­füh­ren (Brüs­sel, 03.05.1976, Pas., 1977, II, 81; Mons, 27.06.1977, Pas., 1978, II, 29). Jedoch sieht Arti­kel 1690 Code Civil vor, dass die Abtre­tung dem Debi­tor erst zu dem Zeit­punkt ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den kann, nach­dem sie die­sem ange­zeigt (noti­fi­ziert) wur­de oder von ihm aner­kannt wur­de.

Das Regime der ding­li­chen Wirk­sam­keit der Abtre­tung gegen­über Drit­ten und dem Schuld­ner ist daher zwei­ge­teilt. Die Abtre­tung ist, wie im deut­schen Recht, bereits mit Zustan­de­kom­men der Abtre­tungs­ver­ein­ba­rung, auch gegen­über Drit­ten, ins­be­son­de­re im Fal­le der Insol­venz zu Guns­ten des Zes­sio­nars wirk­sam. Sie wirkt aber vor Anzei­ge (Noti­fi­zie­rung) nicht gegen­über dem Debi­tor. Die­sem gegen­über sind die For­ma­li­tä­ten des Arti­kel 1690 § 1er Abs. 2 Code Civil zu beach­ten. Dies ist ein Unter­schied zu den Rege­lun­gen des deut­schen Rechts, wonach die Abtre­tung auch ohne Abtre­tungs­an­zei­ge gemäß § 409 BGB gegen­über dem Debi­tor wirk­sam ist und der Zes­sio­nar ledig­lich das Risi­ko zwi­schen­zeit­li­cher Rechts­hand­lun­gen (§ 407 BGB) gegen sich gel­ten las­sen muss.

Arti­kel 1690 § 1er, 3. Absatz Code Civil bestimmt in Kon­se­quenz des­sen, dass für den Fall von Mehr­fach­ab­tre­tun­gen die­je­ni­ge als wirk­sam anzu­se­hen ist, die dem Schuld­ner des Zeden­ten zuerst ange­zeigt oder die von dem Schuld­ner des Zeden­ten zuerst bestä­tigt wur­de.

Auf­grund des­sen besteht, anders als im deut­schen Recht, kein effek­ti­ver Schutz, falls der Kun­de die­sel­be For­de­rung mehr­fach abge­tre­ten hat und der ande­re Zes­sio­nar dem Debi­tor die Abtre­tung vor dem Fac­tor anzeigt.

Bei Mehr­fach­ab­tre­tun­gen grei­fen im Ver­hält­nis, zwi­schen Zeden­ten und Zes­sio­nar die Regeln über die Rechts­män­gel­haf­tung aus dem Kauf­recht bzw. die ent­spre­chen­den ver­trag­li­chen Bestim­mun­gen des Fac­to­ring-Ver­tra­ges.

Soweit Arti­kel 1690 Code Civil von einer Noti­fi­ka­ti­on gegen­über dem Schuld­ner spricht, sagt die Vor­schrift nichts über die Form die­ser Noti­fi­ka­ti­on. Es war zunächst umstrit­ten, ob die­se Noti­fi­ka­ti­on durch ein Schrift­stück erfol­gen muss. Dabei stell­te sich die Fra­ge, ob die digi­ta­le Über­mitt­lung von Daten (Fax) der Form genügt. Die herr­schen­de Mei­nung geht aber davon aus, dass nach den Beweis­re­geln des gewöhn­li­chen Rechts (droit com­mun) die Noti­fi­zie­rung ledig­lich ein ein­sei­ti­ger Rechts­akt (acte juri­di­que uni­la­té­ral) ist, d.h. eine ein­sei­ti­ge emp­fangs­be­dürf­ti­ge Wil­lens­er­klä­rung, die kei­nem beson­de­ren Form­erfor­der­nis unter­liegt.

3. Abtre­tungs­ver­bo­te

Gesetz­li­che Abtre­tungs­ver­bo­te exis­tie­ren in Bel­gi­en nur im Hin­blick auf Unter­halts­an­sprü­che und hin­sicht­lich von Lohn und Gehalt (z.B. Arti­kel 1409 Code Civil). Da vor­lie­gend Gegen­stand der Abtre­tung For­de­run­gen aus Han­dels­ver­trä­gen sind, sind gesetz­li­che For­de­rungs­ver­bo­te nach bel­gi­schem Recht nicht ein­schlä­gig.

Ver­trag­li­che Abtre­tungs­ver­bo­te ste­hen dem wirk­sa­men Erwerb der For­de­rung zunächst nicht ent­ge­gen. Dies folgt u.a. auch aus der kauf­recht­li­chen Kon­zep­ti­on der Abtre­tung, wonach im bel­gi­schen Recht der ding­li­che Über­gang bereits mit Abschluss des Kauf­ver­tra­ges ein­tritt.

Ein zumeist in AGB ent­hal­te­nes Ver­bot der Abtre­tung der For­de­rung ist hin­ge­gen ledig­lich eine schuld­recht­li­che Ver­pflich­tung, die einen ding­li­chen Rechts­über­gang außer in den Fäl­len der Bös­gläu­big­keit des Zes­sio­nars nicht hin­dert.

Dies bedingt not­wen­di­ger­wei­se im Ver­trags­ma­nage­ment eine unmit­tel­ba­re Reak­ti­on bei Aus­blei­ben der Bestä­ti­gung des Debi­tors hin­sicht­lich der Wirk­sam­keit der Abtre­tung. Der Debi­tor könn­te sich auf das Ver­bot der Abtre­tung nach Noti­fi­zie­rung und vor­be­halt­lo­se Rück­be­stä­ti­gung nicht mehr beru­fen.

4. Über­tra­gung künf­ti­ger For­de­run­gen

Die Abtre­tung sämt­li­cher zum Zeit­punkt der Abtre­tungs­er­klä­rung exis­tie­ren­der For­de­run­gen ist nach bel­gi­schem Recht wirk­sam, weil der Gegen­stand der Abtre­tung sich durch die Vor­nah­me einer For­de­rungs­auf­stel­lung bestim­men lässt. Die Abtre­tung künf­ti­ger For­de­run­gen ist zuläs­sig, wenn der Abtre­tungs­ver­trag Hin­wei­se dar­auf ent­hält, auf wel­che künf­ti­gen For­de­run­gen sich die Abtre­tungs­er­klä­rung bezie­hen kann.

In einer Ent­schei­dung vom 05.12.1907 for­der­te die Cour de Cas­sa­ti­on noch, dass der Abtre­tungs­ver­trag zumin­dest den Ent­ste­hungs­grund (fait géné­ra­teur) der künf­ti­gen For­de­rung angibt. Mit Ent­schei­dung vom 09.04.1959 (R.C.J.B., 1961, 32) hat die Cour de Cas­sa­ti­on jedoch ent­schie­den, dass die Abtre­tung einer künf­ti­gen For­de­rung wirk­sam ist mit der ein­zi­gen Bedin­gung, dass die­se For­de­rung bestimmt oder bestimm­bar zum Zeit­punkt der Abtre­tung ist. Eine sol­che Bestimm­bar­keit liegt z.B. dann vor, wenn die Abtre­tung sich auf For­de­run­gen aus regel­mä­ßi­ger Han­dels­tä­tig­keit gegen­über bestimm­ten, benann­ten Kun­den des Debi­tors bezieht.

5. Rechts­be­zie­hun­gen zwi­schen Zes­sio­nar und Debi­tor

Der Zes­sio­nar wird aus­schließ­li­cher Gläu­bi­ger des Debi­tors.

Infol­ge des­sen sind der Zedent und der Debi­tor nicht mehr ver­fü­gungs­be­rech­tigt über die For­de­rung (Comm. Lüt­tich, 18.05.1982, J.T., 1982, 760). Eine Zah­lung des Debi­tors hat nach erfolg­ter Noti­fi­zie­rung kei­ne schuld­be­frei­en­de Wir­kung mehr und die Zah­lung muss ein zwei­tes Mal gegen­über dem Zes­sio­nar erfol­gen.

Soweit jedoch eine Anzei­ge an den Schuld­ner oder des­sen Aner­kennt­nis der Abtre­tung nicht erfolgt ist, kann der Schuld­ner des Debi­tors schuld­be­frei­end an die­sen leis­ten, selbst wenn die Abtre­tung zuvor wirk­sam erfolgt ist.

Wie im deut­schen Recht, § 404 BGB, kann der Debi­tor dem neu­en Gläu­bi­ger die Ein­wen­dun­gen ent­ge­gen­hal­ten, die zur Zeit der Abtre­tung der For­de­rung gegen den bis­he­ri­gen Gläu­bi­ger begrün­det waren. Die ent­spre­chen­de Rege­lung fin­det sich in Arti­kel 1691 Abs. 2 Code Civil. Der Debi­tor, dem die Abtre­tung ange­zeigt oder die er aner­kannt hat, hat nicht das Recht, die Auf­rech­nung mit nach­her ent­stan­de­nen Gegen­for­de­run­gen zu erklä­ren.

Eine Aus­nah­me gilt jedoch für den Ein­wand der Nicht­er­fül­lung (excep­tio non adim­ple­ti con­trac­tus). Die unter­blie­be­ne Lie­fe­rung oder die ver­trags­wid­ri­ge Lie­fe­rung vor Erklä­rung der Annah­me — die im bel­gi­schen Recht auf­grund des Aus­schlus­ses der Gewähr­leis­tung für offen­sicht­li­che Män­gel den Regeln der Nicht­er­fül­lung unter­liegt — begrün­det den Ein­wand der Nicht­er­fül­lung. Frag­lich war eine Zeit lang, ob das Prin­zip gilt, dass eine sol­che Ein­wen­dung dem Zes­sio­nar nicht ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den kann, da der Ein­wand regel­mä­ßig erst nach Abtre­tung ent­steht, ins­be­son­de­re im Fal­le der Abtre­tung künf­ti­ger For­de­run­gen.

Die Cour de Cas­sa­ti­on hat mit Ent­schei­dun­gen vom 13.09.1973 (Pas., 1974, I, 31; R.C.J.B., 1974, 352) sowie 27.09.1984 (J.T., 1984, 720; Pas., 1985, I, 133) jedoch bestä­tigt, dass der Ein­wand der Nicht­er­fül­lung von dem Debi­tor erho­ben wer­den kann, da er im syn­al­lag­ma­ti­schen Ver­trag bereits ange­legt sei.

6. Umfang der Abtre­tung

Arti­kel 1692 Code Civil bestimmt, dass der Ver­kauf oder die Abtre­tung einer For­de­rung sämt­li­che mit ihr ver­bun­de­nen Sicher­hei­ten und Siche­rungs­mit­tel erfasst. Dies betrifft ins­be­son­de­re den ein­fa­chen Eigen­tums­vor­be­halt.

Soweit der Lie­fer­ge­gen­stand in Bel­gi­en bele­gen ist oder sich der Kauf­ver­trag nach bel­gi­schem Recht rich­tet und inso­weit übli­cher­wei­se kei­ne ande­ren als ein­fa­che­re Eigen­tums­vor­be­hal­te vor­sieht, gehen ver­län­ger­te Eigen­tums­vor­be­hal­te, Ver­ar­bei­tungs­klau­seln etc. ins Lee­re.

7. Beweis­re­geln

Im Bereich des Han­dels­rechts gilt in Bel­gi­en das Prin­zip des Frei­be­wei­ses. Die Abtre­tung kann daher mit allen Beweis­mit­teln bewie­sen wer­den.


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