Teil 2: Weg­fall der Geschäfts­grund­la­ge

 

 

Alter­na­ti­ve: Stö­rung der Geschäfts­grund­la­ge

Die bis­lang dis­ku­tier­te Unmög­lich­keit der Leis­tung führt wie dar­ge­legt zum Weg­fall der Leis­tungs­pflicht des Schuld­ners, wenn objek­ti­ve Unmög­lich­keit vor­liegt. Er ver­liert sei­nen Gegen­leis­tungs­an­spruch. Er schul­det kei­nen Scha­dens­er­satz, wenn er das Leis­tungs­hin­der­nis nicht zu ver­tre­ten hat. Bei der prak­ti­schen Unmög­lich­keit oder der sub­jek­ti­ven Unmög­lich­keit gemäß § 275 Abs. 3 BGB muss der Schuld­ner­leis­tung jedoch die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen im ein­zel­nen dar­le­gen. Der Weg­fall der Leis­tungs­pflicht wird aller­dings in vie­len Fäl­len, ins­be­son­de­re in lau­fen­den Geschäfts­be­zie­hun­gen und Pro­duk­ti­ons­ket­ten, die mit viel Mühe jah­re­lang auf­ge­baut wur­den, den Inter­es­sen der Betei­lig­ten nicht unbe­dingt gerecht.

Die Beson­der­heit bei der Coro­na-Kri­se liegt ja dar­in, dass bei­de Sei­ten von Leis­tungs­hin­der­nis­sen betrof­fen sind, die sie nicht vor­her­ge­se­hen haben. Der Schuld­ner der Leis­tung ist mög­li­cher­wei­se nicht oder nicht wie vor­ge­se­hen zur Erbrin­gung der Leis­tung in der Lage. Ist er dies doch, kann mög­li­cher­wei­se der Gläu­bi­ger mit der Leis­tung gar nichts anfan­gen. Teil­wei­se liegt kei­ne objek­ti­ve Unmög­lich­keit vor, jedoch haben sich durch die Coro­na-Kri­se die wirt­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen auf bei­den Sei­ten so ver­än­dert, dass die Geschäfts­grund­la­ge des Ver­tra­ges betrof­fen ist.

Geschäfts­grund­la­ge bezeich­net im deut­schen Zivil­recht die nicht zum eigent­li­chen Ver­trags­in­halt erho­be­nen, bei Ver­trags­ab­schluss aber zuta­ge getre­te­nen gemein­sa­men Vor­stel­lun­gen bei­der Ver­trags­par­tei­en sowie die der einen Ver­trags­par­tei erkenn­ba­ren und von ihr nicht bean­stan­de­ten Vor­stel­lun­gen der ande­ren vom Vor­han­den­sein oder dem künf­ti­gen Ein­tritt gewis­ser Umstän­de, sofern der Geschäfts­wil­le der Par­tei­en auf die­sen Vor­stel­lun­gen auf­baut (BGH 10.09.2009, VII ZR 152/ 08). Zu unter­schei­den ist zwi­schen der klei­nen oder gro­ßen Geschäfts­grund­la­ge. Hier haben wir es dezi­diert mit einem Ereig­nis zu tun, dass Aus­wir­kun­gen wie Krieg, Revo­lu­tio­nen oder Natur­ka­ta­stro­phen im Sin­ne höhe­rer Gewalt hat. Die Coro­na-Kri­se ist zumin­dest nahe der gro­ßen Geschäfts­grund­la­ge zu ver­or­ten.
Im deut­schen Recht ist die Geschäfts­grund­la­ge seit 2002 gesetz­lich kodi­fi­ziert und in § 313 BGB gere­gelt.

§ 313 Stö­rung der Geschäfts­grund­la­ge

(1) Haben sich Umstän­de, die zur Grund­la­ge des Ver­trags gewor­den sind, nach Ver­trags­schluss schwer­wie­gend ver­än­dert und hät­ten die Par­tei­en den Ver­trag nicht oder mit ande­rem Inhalt geschlos­sen, wenn sie die­se Ver­än­de­rung vor­aus­ge­se­hen hät­ten, so kann Anpas­sung des Ver­trags ver­langt wer­den, soweit einem Teil unter Berück­sich­ti­gung aller Umstän­de des Ein­zel­falls, ins­be­son­de­re der ver­trag­li­chen oder gesetz­li­chen Risi­ko­ver­tei­lung, das Fest­hal­ten am unver­än­der­ten Ver­trag nicht zuge­mu­tet wer­den kann.

(2) Einer Ver­än­de­rung der Umstän­de steht es gleich, wenn wesent­li­che Vor­stel­lun­gen, die zur Grund­la­ge des Ver­trags gewor­den sind, sich als falsch her­aus­stel­len.

(3) Ist eine Anpas­sung des Ver­trags nicht mög­lich oder einem Teil nicht zumut­bar, so kann der benach­tei­lig­te Teil vom Ver­trag zurück­tre­ten. An die Stel­le des Rück­tritts­rechts tritt für Dau­er­schuld­ver­hält­nis­se das Recht zur Kün­di­gung.

Vor­aus­set­zung der Anwend­bar­keit die­ses Rechts­in­sti­tuts ist, dass es sich um Umstän­de han­delt, die nicht Gegen­stand des Ver­tra­ges sein dür­fen. Ver­pflich­tet sich zum Bei­spiel eine Par­tei lang­fris­tig zur Lie­fe­rung von Treib­stoff zu einem ver­trag­lich fest­ge­setz­ten Preis, kann sich die­se Par­tei spä­ter nicht unter Beru­fung auf die Geschäfts­grund­la­ge von der Ver­pflich­tung befrei­en oder eine Ver­trags­an­pas­sung ver­lan­gen, wenn zum Bei­spiel die OPEC durch Kar­tell­maß­nah­men die Beschaf­fungs­prei­se nach oben treibt. Denn der sich lang­fris­tig hier­zu Ver­pflich­ten­de hat das Beschaf­fungs­ri­si­ko über­nom­men und der Gläu­bi­ger schließt in aller Regel einen lang­fris­ti­gen Rah­men­ver­trag zur Absi­che­rung gegen sol­che Risi­ken ab.

Die Coro­na-Kri­se dürf­te jedoch, außer in abso­lu­ten Aus­nah­me­fäl­len, nicht ver­trag­lich abge­bil­det wor­den sein. Zwar wird offen­bar, dass Pan­de­mien häu­fi­ger auf­tre­ten und viel­leicht Gegen­stand eines all­ge­mei­nen Lebens­ri­si­kos in einer glo­ba­len Wirt­schaft sind. Wir erin­nern uns an SARS und MERS. Aller­dings lag der Unter­schied der bis­he­ri­gen sani­tä­ren Kri­sen zu der Coro­na-Kri­se dar­in, dass sie nur ein­zel­ne Län­der oder (Teil-) Kon­ti­nen­te betraf, nicht jedoch welt­weit zu Beschrän­kun­gen führ­te. Ein­zig­ar­tig ist auch, dass welt­weit bis­lang nie dage­we­se­ne Ein­schrän­kun­gen von Frei­heits­rech­ten ver­fügt und von den Betei­lig­ten in Kauf genom­men wer­den, um die Ver­brei­tung der Pan­de­mie und eine Über­las­tung des Gesund­heits­sys­tems zu ver­hin­dern, wäh­rend frü­her eher Kol­la­te­ral­schä­den zuguns­ten der Wirt­schaft in Kauf genom­men wur­den, wie zum Bei­spiel bei der Grip­pe-Epi­de­mie 1970.

Das Inter­es­san­te an der Rechts­fi­gur des Weg­falls der Geschäfts­grund­la­ge ist, dass sie statt der star­ren Lösung, die die Regeln zur Unmög­lich­keit vor­ge­ben, der Ver­trags­an­pas­sung den Vor­zug gibt. Die Rechts­fi­gur der Unmög­lich­keit regelt ja nur den Ent­fall der Leis­tungs­pflicht auf einer Sei­te und damit den Weg­fall des Anspruchs auf Gegen­leis­tung. Mög­li­cher­wei­se ist dies jedoch unzu­rei­chend, wenn man an die wirt­schaft­li­che Zukunft nach Coro­na denkt.

Neh­men wir das Bei­spiel des Mes­se­baus. Der Mes­se­bau­er, der einen Prä­sen­ta­ti­ons­stand in Frank­reich auf­bau­en soll, jedoch auf­grund von Ein­rei­se­be­schrän­kun­gen kein Per­so­nal ent­sen­den kann, wird von sei­ner Leis­tungs­pflicht frei. Der Bestel­ler, der ihn zu ver­gü­ten hät­te, wird nicht leis­ten wol­len. Er wird von dem Ver­trag zurück­tre­ten, weil spä­tes­tens nach den Regeln des kauf­män­ni­schen Fix­ge­schäf­tes gemäß § 376 BGB Unmög­lich­keit der ver­trags­ge­mä­ßen Leis­tungs­er­brin­gung vor­liegt.

Anders­her­um kann es aber auch sein, dass der Mes­se­bau­er, der lie­fern kann, es mit einem Bestel­ler zu tun hat, der auf­grund der Absa­ge der Mes­se als Groß­ver­an­stal­tung kein Inter­es­se an der Leis­tung mehr hat, ohne dies im Sin­ne von § 276 BGB ver­tre­ten zu müs­sen. Der Mes­se­bau­er hat dies aber noch weni­ger zu ver­tre­ten und man könn­te mit Fug und Recht sagen, dass das Risi­ko, dass die Ver­an­stal­tung statt­fin­det, auf Sei­ten des bestel­len­den Aus­stel­lers liegt.

In sol­chen Fäl­len stellt sich aber die Fra­ge, ob nicht die Mög­lich­keit oder die Ver­pflich­tung besteht, den Ver­trag anzu­pas­sen, indem zum Bei­spiel bei­de Tei­le sich ver­pflich­ten, die Leis­tung spä­ter, mög­li­cher­wei­se zu ange­pass­ten Bedin­gun­gen nach­zu­ho­len. Denn machen wir uns nichts vor: Die sche­ma­ti­sche Lösung über Unmög­lich­keit, § 275 BGB, dürf­te zu einer unge­ahn­ten Wel­le von Insol­ven­zen in all den Berei­chen füh­ren, in denen kein unmit­tel­ba­rer Nach­hol­be­darf nach Abklin­gen der Kri­se besteht.

Die Coro­na-Kri­se hat dazu geführt, dass die Grund­la­gen, die die Geschäfts­part­ner impli­zit ihrem Geschäfts­wil­len zugrun­de gelegt haben, sich rei­hen­wei­se als unzu­tref­fend erwei­sen. Die­se rei­chen von der Erwar­tung, ver­läss­lich auf arbeits­fä­hi­ges Per­so­nal und ein glo­ba­les Ange­bot an Gütern zurück­grei­fen zu kön­nen, bis zu all­ge­mei­ner Bewe­gungs­frei­heit. Gera­de weil die­se Annah­men so fun­da­men­tal sind, könn­te es die Coro­na-Kri­se sogar not­wen­dig machen, eine abs­trakt-gene­rel­le Betrach­tung zu ent­wi­ckeln, obwohl der Weg­fall der Geschäfts­grund­la­ge eigent­lich eher vom Ein­zel­fall geprägt war. Die Aus­wir­kun­gen des Coro­na-Virus sind so weit­rei­chend, dass nicht nur die „gro­ße Geschäfts­grund­la­ge“ betrof­fen ist, son­dern sogar teil­wei­se von einer „Ände­rung der Sozi­al­exis­tenz“ gespro­chen wird. Das Grund­ver­trau­en in den Bestand wirt­schaft­li­cher und sozia­ler Rah­men­be­din­gun­gen ist offen­sicht­lich und nach­hal­tig erschüt­tert.

Zwar ist nach der deut­schen Recht­spre­chung das Fest­hal­ten am unver­än­der­ten Ver­trag zumut­bar, soweit es nicht zu einem mit Recht und Gesetz schlecht­hin unver­ein­ba­ren Ergeb­nis führt. Gleich­wohl erkennt auch die Recht­spre­chung an, dass es Ent­wick­lun­gen gibt, die so ver­trags­fern und der­art außer­ge­wöhn­lich sind, dass kei­ne der Par­tei­en das ent­spre­chen­de Risi­ko tra­gen soll, näm­lich weil bei­de Par­tei­en glei­cher­ma­ßen von der Ände­rung oder dem Weg­fall der Geschäfts­grund­la­ge betrof­fen sind und bil­li­ger­wei­se nicht eine Par­tei allein mit den Fol­gen zu belas­ten ist. Dies gilt ins­be­son­de­re, wenn einer Par­tei die Exis­tenz­ver­nich­tung durch äuße­re, nicht der eige­nen Risi­ko­sphä­re zuzu­rech­nen­de Umstän­de droht, wie dies noch wäh­rend der Kri­se all den Unter­neh­men droht, die nicht für Rück­la­gen gesorgt haben oder hier­zu nicht in der Lage waren. In Fäl­len, in denen die soge­nann­te „gro­ße Geschäfts­grund­la­ge“ betrof­fen war, ent­schied die Recht­spre­chung in der Ver­gan­gen­heit, dass zum Bei­spiel das Risi­ko von Kriegs­schä­den kei­ner der Par­tei­en zuzu­rech­nen sei und die­se als „Gefahr­ge­mein­schaft“ auch den Scha­den zu tei­len hät­ten.

Vor­rang der Ver­trags­an­pas­sung

Mög­li­cher­wei­se greift daher eine Lösung anhand der Kri­te­ri­en der Unmög­lich­keit mit dem dar­aus fol­gen­den Recht, dass der Gläu­bi­ger der Leis­tung sich von dem Ver­trag löst, zu kurz. Nimmt man eine Stö­rung der gro­ßen Geschäfts­grund­la­ge an, steht dem viel­leicht die beid­sei­ti­ge Risi­ko­ver­tei­lung im Wege und ver­langt zuvor erst eine Ver­trags­an­pas­sung.

Treu und Glau­ben, § 241 BGB, und: Fair­ness

In unse­rer täg­li­chen Pra­xis erhal­ten wir zur­zeit vie­le Anfra­gen zu Leis­tungs­stö­run­gen. In unse­rer Bera­tung plä­die­ren wir in aller Regel für Fair­ness, nicht nur aus dem grund­le­gen­den Gedan­ken, dass wir uns alle in einer Soli­dar­ge­mein­schaft befin­den, son­dern auch zum Schutz der Inter­es­sen des jewei­li­gen Recht­su­chen­den. Denn es wird sich nicht ver­mei­den las­sen, dass die Coro­na-Kri­se in dem einen oder ande­ren, mög­li­cher­wei­se sogar vie­len Fäl­len juris­tisch auf­ge­ar­bei­tet wird. Wir pro­gnos­ti­zie­ren vie­le Fäl­le, die in nor­ma­len Zei­ten einer Lösung nach Maß­ga­be des Rechts­in­sti­tuts der Unmög­lich­keit zugäng­lich gewe­sen wären, die jedoch mög­li­cher­wei­se im Lich­te der Coro­na-Kri­se und der hier­zu in Zukunft erge­hen­den Recht­spre­chung über das Rechts­in­sti­tut des Weg­falls der Geschäfts­grund­la­ge gelöst wer­den. Die­ses Risi­ko gilt es für die Betrof­fe­nen mög­lichst zu ver­mei­den. Denn man muss kein Hell­se­her sein, um vor­her­zu­se­hen, dass das Kapi­tel der Geschäfts­grund­la­ge in zukünf­ti­gen Lehr­bü­chern neu und für vie­le Anwen­dungs­be­rei­che anders geschrie­ben wird, als dies vor der Kri­se der Fall war.

Preis­stei­ge­run­gen und Geschäfts­grund­la­ge

Dies betrifft zum Bei­spiel die Fra­ge von exor­bi­tan­ten Preis­stei­ge­run­gen, all­zu­mal bei Pro­duk­ten, wie zum Bei­spiel Des­in­fek­ti­ons­mit­teln, bei denen die gese­he­ne Markt­dy­na­mik und Preis­ent­wick­lung weder üblich noch vor­her­seh­bar war. Grund­sätz­lich trägt der Lie­fe­rant das Beschaf­fungs­ri­si­ko, auch bei schwer­wie­gen­den, von der Par­tei, die zu lie­fern hat, nicht zu ver­tre­ten­den Stö­run­gen des Äqui­va­lenz­in­ter­es­ses. Dies dürf­te aller­dings jetzt nicht mehr unein­ge­schränkt zu ver­tre­ten sein. Es stellt sich die Fra­ge, ob statt der Ver­trags­auf­he­bung nicht viel­mehr eine Ver­trags­an­pas­sung durch Anpas­sung der Prei­se in bei­der­sei­ti­gem Inter­es­se infra­ge kommt. Bei bestimm­ten Pro­duk­ten, wie zum Bei­spiel Spar­gel, sind Preis­stei­ge­run­gen am Markt Stand April 2020 auf bis zu 20 € pro Kilo als End­ver­brau­cher­preis durch­setz­bar. Die Super­markt­ket­te könn­te ihre Gewinn­mar­ge erhö­hen, wenn sie den Lie­fe­ran­ten an dem zuvor ver­ein­bar­ten Preis fest­hält, obwohl die­ser zu die­sem Preis die Ware gar nicht pro­du­zie­ren oder beschaf­fen kann. Der Abneh­mer wird hier sei­ne Hoff­nung auf exor­bi­tan­te Stei­ge­rung der Gewinn­mar­ge zuguns­ten einer Erhö­hung der zuvor ver­ein­bar­ten Geste­hungs­prei­se auf­ge­ben und der Ver­trags­an­pas­sung den Vor­rang geben müs­sen, dies aller­dings auch nicht ein­sei­tig, son­dern in wohl­ver­stan­de­nem Inter­es­se bei­der Par­tei­en. In ande­ren Fäl­len, in denen zu erwar­ten steht, dass Preis­stei­ge­run­gen nur tem­po­rär sind, in denen jedoch eine spä­te­re Leis­tung für bei­de Par­tei­en unpro­ble­ma­tisch mög­lich ist, wird man die Ver­schie­bung des Leis­tungs­zeit­punk­tes in Betracht zie­hen müs­sen.

Dem­ge­gen­über ste­hen Fäl­le von Leis­tungs­er­schwe­run­gen, ohne dass dem ein gestie­ge­nes Gläu­bi­ger­in­ter­es­se ent­spricht. Die Abgren­zung im Ein­zel­fall wird sicher­lich nicht ein­fach sein. Spie­gel­bild­lich zu den oben ange­spro­che­nen Preis­stei­ge­run­gen kann sich infol­ge der Coro­na-Pan­de­mie ein Fort­fall des Gläu­bi­ger­in­ter­es­ses bei der Lie­fe­rung von Waren erge­ben. Gera­de der Schuld­ner der Leis­tung in Geld, das man nach dem Grund­satz des deut­schen BGB zu haben hat in dem Sin­ne, dass es bezüg­lich der Gegen­leis­tung in Geld kei­ne Beru­fung auf Unmög­lich­keit gibt, ist bei Anwen­dung der Unmög­lich­keits­re­geln im Nach­teil. Er müss­te ein­sei­tig das Absatz­ri­si­ko tra­gen, obwohl ihm die Märk­te und Absatz­mitt­ler weg­bre­chen. § 313 Abs. 1 BGB erlaubt es, in Aus­nah­me­fäl­len Stö­run­gen des Ver­wen­dungs­zwecks erfas­sen, bei denen der Gläu­bi­ger kein Inter­es­se mehr am (mög­li­chen) Leis­tungs­er­folg hat. Aber auch hier gilt, dass die gegen­wär­ti­ge Kri­se nicht typisch ist und in ihrer Inter­de­pen­denz auf ver­schie­de­nen Märk­ten der glo­ba­li­sier­ten Wirt­schaft und ver­schie­de­nen Stu­fen der Absatz­mit­te­lung in ihrer Trag­wei­te so nicht vor­aus­seh­bar war.

Bei der Stö­rung des Äqui­va­lenz­in­ter­es­ses kommt in Fäl­len, dass die Beschaf­fung auf einem Teil des Welt­mark­tes nicht mög­lich oder auf­grund spe­ku­la­ti­ver Preis­stei­ge­run­gen nicht zumut­bar ist, die Mög­lich­keit des Aus­wei­chens auf Pro­duk­te ande­rer Her­kunft in Betracht, selbst in den Fäl­len, wo eine bestimm­te Her­kunft der Waren vor­ge­se­hen ist. Man den­ke zum Bei­spiel an eine unmög­li­che Lie­fe­rung von Erd­bee­ren mit Her­kunfts­land Spa­ni­en, wenn eine Lie­fe­rung von Erd­bee­ren aus Bel­gi­en mög­lich erscheint. Dies wird jedoch nur gel­ten, wenn die Pro­duk­te im wesent­li­chen aus­tausch­bar in dem Sin­ne sind, dass die Pro­ve­ni­enz nicht maß­geb­lich für die Qua­li­tät und die Ver­wen­dung ist. Erzie­len die Par­tei­en kein Ein­ver­neh­men, kön­nen sie im Rah­men des § 313 BGB und nach dem Grund­satz von Treu und Glau­ben wech­sel­sei­tig zur Annah­me zumut­ba­rer Vor­schlä­ge ver­pflich­tet sein, die den Leis­tungs­er­folg wenigs­tens im wesent­li­chen erhal­ten, bei­spiels­wei­se durch Ver­la­ge­rung des Leis­tungs­orts, die Stun­dung von Leis­tungs­pflich­ten oder die Redu­zie­rung der Güter­men­ge.

Gesund­heits­ri­si­ken als Leis­tungs­er­schwe­rung

Neu­ar­tig ist bei die­ser Kri­se auch, dass vie­le Fäl­le der Leis­tungs­er­schwe­rung im Bereich der Gesund­heits­ri­si­ken lie­gen. Der Geschäfts­grund­la­ge unter­fal­len auch Fäl­le der Erschwe­rung der Leis­tungs­er­brin­gung. Die meis­ten Ver­trä­ge wer­den unter der still­schwei­gen­den Annah­me geschlos­sen, dass sie erfüllt wer­den kön­nen, ohne dass damit Gesund­heits­ri­si­ken ver­bun­den sind. In Zei­ten der Coro­na-Kri­se ver­hält sich dies jedoch viel­fach anders. Die Durch­füh­rung des Ver­trags kann daher unzu­mut­bar sein, wenn die Leis­tung bei­spiels­wei­se in einem Risi­ko­ge­biet statt­fin­den muss, all­zu­mal wenn hier ein Kon­flikt zwi­schen der Pflicht zur Erbrin­gung der Leis­tung durch das Unter­neh­men und der Für­sor­ge­pflicht des Arbeit­ge­bers ent­steht. Zwar trägt grund­sätz­lich der Schuld­ner das Auf­wands­ri­si­ko. Aller­dings schützt ihn § 275 II, III BGB vor unbil­li­gen Zumu­tun­gen. Für den Gläu­bi­ger gilt im Rah­men von § 313 BGB umge­kehrt das­sel­be, falls er zur Mit­wir­kung bei der Ver­trags­durch­füh­rung und der Annah­me der Leis­tung ver­pflich­tet ist.
Ein bei­der­sei­ti­ger Weg­fall der Leis­tungs­pflich­ten dürf­te daher in vie­len Fäl­len der Leis­tungs­stö­run­gen im Rah­men der Coro­na-Kri­se wegen des Alles-oder-Nichts-Cha­rak­ters der Unmög­lich­keit kei­ne inter­es­sen­ge­rech­te Lösung dar­stel­len. Gera­de in die­sen Fäl­len soll­te das Augen­merk auf eine fai­re und sach­ge­rech­te Anpas­sung gelegt wer­den, wie dies auch § 313 Abs. 1 BGB bereits nach der Geset­zes­for­mu­lie­rung nahe­legt. Eine mit Augen­maß durch­ge­führ­te Ver­trags­an­pas­sung kann das spä­te­re Risi­ko einer gericht­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung min­dern.

Die oben ange­spro­che­ne Ver­or­tung der Coro­na-Kri­se nahe der „gro­ßen Geschäfts­grund­la­ge“ spricht für eine grö­ße­re Zumut­bar­keit von Las­ten­tei­lun­gen und krea­ti­ven Lösun­gen als im Nor­mal­fall.

Ergeb­nis

Im Ergeb­nis plä­die­ren wir daher für Fair­ness und Augen­maß statt star­rer Dog­ma­tik, auch und ins­be­son­de­re in der begrün­de­ten Besorg­nis, dass die Lehr­bü­cher zu Fra­gen der Unmög­lich­keit, höhe­rer Gewalt und der Anpas­sung von Ver­trä­gen auf­grund der Stö­rung der Geschäfts­grund­la­ge ein eige­nes Kapi­tel unter der Über­schrift „Coro­na-Kri­se“ erhal­ten wer­den. Für die Bera­tungs­pra­xis steht gera­de jetzt das Fin­den und die Ver­mitt­lung krea­ti­ver Lösun­gen im Vor­der­grund.

Gui­do J. Imfeld

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